Barack Obama hat noch 1.000 Tage im Weißen Haus. Behalten aber die Auguren – modern: Meinungsforscher – mit ihren neuen Zahlen Recht, könnte das De-facto-Ende schon im November kommen. Dann sind Kongresswahlen, und es könnte sehr wohl sein, dass die Republikaner, die schon im Unterhaus eine solide Mehrheit haben, den Senat dazu gewinnen. Folge: Gegen beide Häuser kann der Präsident nicht regieren, schon gar nicht dieser, der seine Agenda in den vergangenen fünf Jahren gegen die Opposition und nicht mit ihr durchzusetzen versuchte.
Selbst die New York Times, die manchmal wie ein Amtsorgan des Weißen Hauses schreibt, munkelt von einem "Zwischenwahl-Desaster". Fallen seine Anhänger scharenweise von Obama ab? Die Sache ist komplizierter. Es geht nicht um Vorlieben, sondern um Wahlbeteiligung. Vereinfacht: Die Koalition, die Obama 2012 zum Sieg verholfen hat, ist wahlmüde geworden. Obama lag vorn bei den Frauen (mit 11 Prozentpunkten), den Jungen (24), den Hispanics (44) und natürlich den Schwarzen (87). Das Problem für den Präsidenten: Gerade diese Gruppen gehen in den Zwischenwahlen weniger enthusiastisch an die Urne als weiße Männer.
Zum Beispiel die Hispanics. In den Zwischenwahlen ist deren Beteiligung um ein Drittel geringer als bei den Weißen, die eher zu den Republikanern tendieren. Grundsätzlich sind die Republikaner sowieso höher motiviert, aber diesmal kommt noch der Optimismusfaktor hinzu. Laut den Umfragedaten des Pew Research Center glauben 55 Prozent der Republikaner, dass ihre Partei 2014 besser abschneiden werde als 2012. So freundlich schätzen nur 43 Prozent der Demokraten das politische Klima ein.
Entscheidend in allen amerikanischen Wahlen sind seit einer Generation die sogenannten Independents, also die Wechselwähler, die mal so, mal so abstimmen. Hier sieht das Bild inzwischen sehr düster aus für die Präsidentenpartei. Es klafft ein Abstand von plus-minus 40 Prozentpunkten zwischen der Gruppe, die zu den Republikanern tendiert, und den weit abgeschlagenen Pro-Demokraten.
Hinzu kommt ein Maß an Desillusionierung aufseiten der Jungen (18-34), die sowohl 2008 als auch 2012 einen soliden Wählerblock für Obama abgegeben haben. Genauso wie in Europa hatte Obama Erwartungen auf sich projizieren können, die unvermeidbar mit den Realitäten der Machausübung kollidieren mussten.
Obamas Zustimmungsrate (sozusagen: "Gefällt mir") lag bei den Jungen in der Frühphase bei 70 Prozent, meldet Pew-Forscher Andrew Kohut; jetzt ist sie auf 49 Prozent abgestürzt. Einen Trost hat er aber für die Demokraten: Sie sind dem Wahlvolk (47 Prozent) sympathischer als die Republikaner (35 Prozent).
Dennoch hängt den Demokraten ein Mühlstein namens Obama um den Hals. Dessen "Gefällt mir nicht"-Quote ist seit seiner Wiederwahl fast ständig gestiegen. Seine liegt derzeit zehn Punkte über der von November 2012, als er wiedergewählt wurde.
Doch gilt ein altes Wort, das dem früheren britischen Premier Harold Wilson zugeschrieben wird: "24 Stunden sind eine Ewigkeit in der Politik." Es mag sehr wohl sein, dass Obama im Laufe der kommenden sieben Monate seine beiden größten Handicaps – Gesundheitsreform und Konjunktur – in Pluspunkte verwandeln kann. Am 31. März lief die Anmeldefrist für "Obamacare" aus; bis dato hatten sich sieben Millionen Amerikaner angemeldet. Wenn deren Erfahrung mit der allgemeinen Versicherung gut ist, schlüge das für die Demokraten zu Buche. Dito, wenn das Wachstum stabil bleibt und die Arbeitslosigkeit zurückgeht.
Ein dritter Faktor aber sollte die demokratischen Strategen nervös machen. Normalerweise stärken außenpolitisch Krisen die Position des Präsidenten; das hat die Krim- und Ukrainekrise nicht geschafft. In der Außenpolitik ist für Obama offensichtlich nichts zu holen. Folglich bleibt die entscheidende Frage: Wer kann seine Klientel besser mobilisieren? Ein halbes Jahr vor der Wahl lautet die Antwort: die Republikaner.
Kommentare
Entfernt, da unsachlich. Die Redaktion/mak
Der Kommentar auf den Sie sich beziehen, wurde entfernt. Die Redaktion/se
Normalerweise stärken außenpolitische Krisen
Die Amerikaner werden immer kritischer, was die Außenpolitik betrifft. In Zukunft müssen vielleicht auch die Republikaner auf das Zugpferd "Truppen mobilisieren Wähler" verzichten. Wäre ein Meilenstein für die Friedenspolitik.
US-Präsident
Zitat: "...Neue Umfragen sagen den Republikanern den Sieg voraus...."
Gab es denn überhaupt schon einmal zwei Präsidenten aus dem demokratischen Lager hintereinander?
Das Spiel ist doch immer das Gleiche: Nach einem Präsidenten mit demokratischem Label, folgt immer ein Hardliner. Die Entscheider hinter Obama (Halliburton und Co.) haben das Heft wieder in die Hand genommen. Es muss wieder Geld in der Rüstungsindustrie verdienst werden, weshalb man natürlich auch die Vorkommnisse in der Ukraine gerne weiter verschärfen möchte. Der militärisch-industrielle Komplex ist kein Hirngespinst von Verschwörungstheoretikern, sondern Tatsache.
US-Präsidenten
"US-Präsident
Zitat: "...Neue Umfragen sagen den Republikanern den Sieg voraus...."
Gab es denn überhaupt schon einmal zwei Präsidenten aus dem demokratischen Lager hintereinander?"
Seit 1933 wären das Roosevelt und Truman sowie Kennedy und Johnson
"Das Spiel ist doch immer das Gleiche: Nach einem Präsidenten mit demokratischem Label, folgt immer ein Hardliner."
Der Wechsel in Programmen und Personen ist eben Teil der Demokratie.
Das Rennen ist offen!
Alles andere ist Stimmungsmache. Und wenn Herr Joffe regelmäßig Nate Silver vom Blog FifeThirtyEight (http://fivethirtyeight.com/) lesen würde, dann würde er das auch wissen.
Nate Silver sagt seit 2008 mit präziser Genauigkeit des Ausgang von US-Wahlen voraus und hat für die Midterms 2014 gerade vor wenigen Tagen eine Prognose abgegeben.
Sein Fazit: “The balance has shifted slightly toward the GOP. But it wouldn’t take much for it to revert to the Democrats.” (nachzulesen hier http://fivethirtyeight.com/f…)
So schätze...
ich die Situation auch ein. Einige meiner Freunde aus den USA berichteten mir, dass die Republikaner zerrissen sind zwischen den moderaten und den extremistischen Konservativen. Die extremen Konservativen sind zwar in unseren Medien ständig präsent, aber diese werden von den Bürgern besonders im Norden und Westen abgelehnt. Die Demokraten haben einige Leute, die durchaus vieversprechend sie wie etwa Bernie Sanders. Viele US-Bürger bringen auch die GOP mit der Wallstreet in Verbindung, die für die schlechte soziale Situation verantwortlich ist und für den "Shut Down".
Was der GOP noch fehlt sind charismatische Kandidaten für die Wahl 2016. Zudem gibt es auch eine große Politikverdrossenheit.
Die Situation ist komplexer wie von Herrn Joffe skizziert. Es hilft halt nix, man muss mit einigen US-Bürgern reden, dann merkt man, dass sie genauso drauf sind wie wir.