Der Bundespräsident muss sich
bei wertenden Äußerungen über politische Parteien nicht
zwangsläufig neutral verhalten. Das Bundesverfassungsgericht
entschied, Bundespräsident Joachim Gauck habe seine Kompetenzen mit
einer an NPD-Anhänger gerichtete Äußerung nicht überschritten, als er er die
Rechtsradikalen als "Spinner" bezeichnete.
Eine Verfassungsklage der
rechtsextremen NPD, die sich durch die Äußerung Gaucks
diffamiert sah, blieb damit ohne Erfolg. Gauck hatte im August 2013 angesichts von
ausländerfeindlichen, von der NPD mitgetragenen Protesten gegen
ein Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf seine Unterstützung
für eine Gegendemonstration signalisiert. Man brauche Bürger,
die auf die Straße gingen und "den Spinnern ihre Grenzen
aufweisen", sagte der Bundespräsident vor mehreren Hundert
Schülern.
Die NPD sah durch Gaucks Äußerung ihr durch das Grundgesetz verbrieftes Recht auf Chancengleichheit verletzt. Die
Richter urteilten, dass das jedoch nicht der Fall sei. Ein
Bundespräsident müsse zwar das Recht politischer Parteien auf
Chancengleichheit achten. Gauck habe mit seinen Worten aber nicht
willkürlich Partei ergriffen. Seine Integrationsaufgaben habe er damit
nicht "evident" vernachlässigt.
Gauck hat das Urteil aus Karlsruhe begrüßt. "Der Bundespräsident ist dankbar für die Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts", sagte ein Sprecher des Bundespräsidialamtes. Das Urteil habe Gaucks Auffassung bestätigt, dass er mit seinen Äußerungen die Rechte der NPD nicht verletzt habe. Der Richterspruch habe Bedeutung über den Fall hinaus.
"Rechtlose Statisten, die nur zu wählen haben"
Das Bundesverfassungsgericht wies außerdem die Klagen der rechtsextremen NPD gegen die Gültigkeit der Wahlen der ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler und Christian Wulff zurück. Die jeweiligen Bundesversammlungen hätten bei der Wiederwahl Köhlers im Jahr 2009 und der Wahl Wulffs im Jahr 2010 in verfassungsgemäßer Weise agiert, entschieden die Karlsruher Richter.
Der NPD-Vorsitzende Udo Pastörs wollte die beiden Wahlen wegen angeblich gravierender Verfahrensfehler für ungültig erklären lassen. Er sah seine Rechte als Mitglied in der Bundesversammlung verletzt, weil es über von ihm gestellte Anträge zur Geschäftsordnung keine Aussprache gegeben habe. Die Mitglieder der Bundesversammlung seien "rechtlose Statisten, die nur zu wählen haben", hatte sein Anwalt Peter Richter angeführt.
Pastörs hatte als Landtagsabgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern an den Bundesversammlungen für die Bundespräsidentenwahlen 2009 und 2010 teilgenommen. Dort hatte er mehrere Anträge gestellt und wollte unter anderem erreichen, dass sich die Kandidaten vor der Wahl jeweils für eine halbe Stunde vorstellen sollten. Diese Anträge waren von Bundestagspräsident Norbert Lammert als Versammlungsleiter für unzulässig erklärt und nicht zur Abstimmung gestellt worden.
Würde des Wahlaktes vor Parteipolitik schützen
Zu Recht, wie Karlsruhe nun entschied: Das Grundgesetz verbiete eine
Debatte über die Kandidaten, um "die Würde des Wahlaktes" und die der
Kandidaten vor parteipolitischem Streit zu schützen. Zudem solle die
Bundesversammlung mit ihrem Handeln "die besondere Würde des Amtes
unterstreichen". Eine öffentliche Debatte wie etwa im Bundestag sei
deshalb "gerade nicht vorgesehen".
Der Kläger könne deshalb auch nicht für die Delegierten der Bundesversammlung Rede- und Antragsrechte wie für Parlamentarier fordern. "Eine Personal- oder Sachdebatte über oder mit dem Kandidaten soll ausgeschlossen sein", sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Die Rechte Pastörs' seien nicht verletzt.
Lammert handelte bei der Zurückweisung der Pastörs-Anträge demnach korrekt: Anträge, die offensichtlich nicht im Einklang mit der Verfassung stehen, dürfe der Versammlungsleiter nicht zur Abstimmung stellen, um "damit die zeremonielle, symbolische Bedeutung des Wahlakts" zu bewahren, heißt es im Urteil.
Kommentare
Ich frag mich eigentlich
Auch immer, warum ich bei Bewerbungsgesprächen meinen Mund aufmachen muss. Würdelos!
lang, lang ist es her . . .
Ein Mensch benutzt seinen Talar
als Schutzschild vor der Obrigkeit,
sicher gedeckt durch den Altar
verbringt er eine gute Zeit.
Als man gefahrlos “Freiheit“ schrie
Da rannte er gleich vorne weg
“schon immer kämpfte ich für sie“
voll Leidenschaft aus dem Versteck.
Und dann entschloss sich dieser Held,
nachdem sein Aktenstück poliert,
“Mit Freiheitssprüchen mach’ ich Geld“.
Mit “Freiheit“ h. c. promoviert.
[…]
Entfernt, Dopplepost. Danke, die Redaktion/sg
Moniert wurde ...
So wie ich es verstanden habe wurde keine Debatte (Aussprache, u.a.) über die Kandidaten gefordert, sondern, daß sie sich der Bundesversammlung vorstellen können.
Davon ab mischen die Parteien natürlich bei Nominierung und Wahl mit.
Vorstellung
Auch das ist wohl nicht vorgesehen.
Die Bundesversammlung ist eben eine reine Wahlversammlung.
Es wird davon ausgegangen, dass jemand, der als Bundespräsident in Frage kommt, bereits bekannt ist. Meist sind die Kandidaten ja am Ende ihrer (politischen) Laufbahn und im Vorfeld wird auch noch viel über sie berichtet.
Wozu soll sich da der Kandidat vorstellen? Um Werbung zu machen?
Das wäre nur für die NPD interessant gewesen, um ihren Kandidaten in einer so herausgehobenen Situation präsentieren zu können, wie sie es sonst nie kann.
Man kann ja darüber streiten, ob man einen Bundespräsidenten überhaupt noch braucht.
Aber die Wahl war wohl Verfassungsgemäß, das BVerfG entscheidet ja sonst durchaus auch mal im Sinne der NPD.
Und ich sehe auch kein Problem in dieser Regelung.
Entscheidung
"Der NPD-Vorsitzende Udo Pastörs wollte die beiden Wahlen wegen angeblich gravierender Verfahrensfehler für ungültig erklären lassen. Er sah seine Rechte als Mitglied in der Bundesversammlungen verletzt, weil es über von ihm gestellte Anträge zur Geschäftsordnung keine Aussprache gegeben habe."
Nach der Verfassung - Art. 54 GG - ist das nicht so verwunderlich:
"Der Bundespräsident wird ohne Aussprache von der Bundesversammlung gewählt."
Auch die Geschäftsordnung der Bundesversammlung ist gesetzlich durch das Gesetz über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung
vorgegeben:
"§ 8
Der Präsident des Bundestages leitet die Sitzungen und Geschäfte der Bundesversammlung. Auf ihren Geschäftsgang findet die Geschäftsordnung des Bundestages sinngemäße Anwendung, sofern sich nicht die Bundesversammlung eine eigene Geschäftsordnung gibt."
Den Antrag von Herrn Pastörs, eine abweichende Geschäftsordnung zu beschließen, hatte die Bundesversammlung abgelehnt. Eine Aussprache über Anträge zur Änderung der Geschäftsordnung sieht auch die Geschäftsordnung des Bundestages nicht vor. Selbst wenn man hilfsweise das ganze als Gesetzesbeschluss ansehen wollte, wäre eine Aussprache nicht zwingend, sondern nur erforderlich, wenn 5% der Mitglieder dies verlangt hätten.
https://www.btg-bestellse...
Was ja vermutlich genau Sinn der Sache ist,
damit sich eben nicht Einzelpersonen als Störenfriede betätigen können und den Ablauf der Wahlen unnötig stören. Wenn noch nicht einmal 5% der Anwesenden dafür waren, kann es ja nicht so wichtig gewesen sein...