Die Pflegereform von Union und SPD ist nach Angaben der Opposition völlig unzureichend – trotz der geplanten Mehrleistungen, die vom kommenden Jahr an gezahlt werden sollen.
Bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag warf die Linke-Pflegeexpertin Pia Zimmermann der Koalition vor, mit der geplanten stärkeren Anwerbung und Entschädigung ehrenamtlicher Betreuer ein neues Einfallstor für prekäre Beschäftigung zu schaffen. Ihre Grünen-Kollegin Elisabeth Scharfenberg kritisierte: "Sie haben kein mutiges und fortschrittliches Konzept." Den Pflegevorsorgefonds lehnte die Opposition ab.
Bis 2033 sollen in dem Fonds Milliardensummen
angespart werden – mehr als 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Mit dem Geld
sollen zu große Beitragsanhebungen ab 2034 verhindert werden, wenn die
starken Geburtsjahrgänge 1959 bis 1967 ins typische Pflegealter kommen.
Diesen Plan hält auch die SPD-Expertin Hilde Mattheis für wenig sinnvoll. Sie sagte, statt eines Vorsorgefonds sei es besser, zusätzliche Ausbildungsplätze zu
schaffen. "Eine andere Möglichkeit ist es, durch Gelder Vorsorge zu
treffen, dass im Jahr 2030, 2033 Menschen da sind, die bereit sind,
andere Menschen zu pflegen." Ihre Forderung, den von der Union in den
Koalitionsverhandlungen durchgesetzten Fonds fallen zu lassen, wiederholte
sie aber nicht.
Mehr Geld, mehr Personal
Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) verteidigte die Pläne:
"Es kommt darauf an, dass wir 20 Jahre nach Einführung der
Pflegeversicherung einen entscheidenden, einen guten Schritt nach vorne
gehen." Vorgesehen sind dafür finanzielle Verbesserungen ab Anfang 2015 sowie eine Aufnahme von mehr
Bedürftigen in die Versicherung ab 2017.
Zum 1. Januar sollen die
Pflegeleistungen um vier Prozent steigen. Das bedeutet zum Beispiel in
vollstationärer Pflege bei Stufe eins ein Plus von 1.023 auf 1.064 Euro und in
Stufe zwei von 1.279 auf 1.330 Euro. Für die Betreuung zu Hause soll es mehr Hilfe geben, auch die Zahl der nachqualifizierten
Betreuungskräfte in Heimen soll steigen und sich auf 45.000 fast
verdoppeln. Kurzzeit- und Verhinderungspflege soll verstärkt gewährt
werden – für bis zu vier Wochen Heimaufenthalt eines zu Hause Gepflegten
pro Jahr oder für ambulante Pflege.
Fünf statt drei Pflegestufen
Mehrere Koalitionspolitiker versicherten, ein neuer Pflegebegriff werde eingeführt. Statt drei Stufen soll es ab 2017 fünf Pflegegrade je nach Beeinträchtigung geben. Demenzkranke sollen systematisch in die Pflegeversicherung aufgenommen werden. Mit Begutachtungen probeweise im alten und neuen Verfahren wird dies in diesem Jahr vorbereitet.
Der SPD-Politiker Karl Lauterbach sagte, er sei stolz darauf, dass die Reform rund
sechs Milliarden Euro pro Jahr mehr für die Pflege bringe. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber wird es deshalb mit der
ersten Stufe der Reform zu Beginn des nächsten Jahres bereits teurer: Der
Pflegebeitragssatz soll zum 1. Januar 2015 von 2,05 Prozent (Kinderlose:
2,3 Prozent) um 0,3 Punkte steigen. Dies bringt gut 3,6 Milliarden Euro
ein. Weitere 0,2 Punkte sollen für den neuen Pflegebegriff dazukommen.
Gröhe will bessere Bezahlung für Pflegekräfte
Gröhe kündigte in der Debatte eine schnelle Umsetzung der zweiten Stufe an. Ziel sei es, die Leistungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen rasch zum 1. Januar 2015 zu verbessern, sagte Gröhe. Auch forderte er eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte. In Bundesländern mit geringem Lohn müsse es Angleichungen nach oben geben. "Bei gleicher Arbeit und gleicher Qualifikation gibt es Unterschiede von bis zu 800 Euro im Monat."
Der Minister wies auf das Motiv für die Reform
hin. 2,5 Millionen Menschen seien jeden Tag auf Pflege angewiesen. "Das
entspricht der Einwohnerzahl von Köln und München zusammen." Die Zahl
werde bis 2030 um eine Million steigen.
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