Auf der Bühne spielt die Rechtsrockband "Kategorie C", auf dem Platz johlen 3.000, zum Teil völlig betrunkene, breitschultrige Männer mit kurzen Haaren. Viele bekannte Neonazis stehen in der Menge. Sie skandieren "Wir wollen keine Salafisten-Schweine" und "Hier marschiert der Nationale Widerstand". Die Polizei ist lange Zeit kaum zu sehen und ist, als sie endlich auftaucht, völlig überfordert. Flaschen, Steine und Böller fliegen auf Beamte und Journalisten. Ein Vermummter wirft ein Fahrrad auf die Einsatzkräfte, ein größerer Mob schmeißt unter tosendem Beifall einen Polizeibus um.
Das alles ist keine Szene aus Rostock-Lichtenhagen 1992, sondern vom vergangenen Sonntag aus der Kölner Innenstadt. Und anders als damals in Rostock, hat die rechtsextreme Szene seit Wochen für das Spektakel mobilisiert, öffentlich für jeden im Internet einsehbar. Weit über 6.000 Teilnehmer hatten sich per Facebook angekündigt. Die Polizei ging von höchstens 1.500 rechten Hooligans aus und schickte nur 1.000 Beamte, die einen ungewöhnlichen Plan hatten: Deeskalationsstrategie.
Nun muss man sicher kein Experte sein, um zu ahnen, dass 3.000 betrunkene Neonazi-Hooligans nicht friedlich bleiben. Auch nicht, wenn ihr Zusammentreffen unter dem Deckmantel "gegen Salafisten" stattfindet. Die Bilanz: 44 verletzte Polizisten und gerade einmal 17 vorübergehende Festnahmen. Kaum einer der beteiligten Gewalttäter muss also eine Strafverfolgung fürchten.
Polizei wurde nicht überrascht
Zu Recht reagieren Politiker und antirassistische Gruppen mit Kopfschütteln über den misslungenen Polizeieinsatz. Dass die Polizei tatsächlich vom Fußball-Mob überrascht wurde, kann man sich angesichts der breiten Medienberichterstattung im Vorfeld kaum vorstellen. Geradezu absurd wirkt, dass Innenminister Ralf Jäger (SPD) nun sogar "eine positive Bilanz" des Polizeieinsatzes zieht und behauptet, das Konzept habe "funktioniert".
Besonders fragwürdig erscheint diese "Deeskalationsstrategie" im Hinblick auf die rechten Hooligans allerdings, wenn man sie mit der Härte vergleicht, mit der die Polizei üblicherweise gegen Demonstranten aus dem linken Lager vorgeht. So zum Beispiel bei den Blockupy-Protesten im vergangenen Jahr in Frankfurt am Main. Als dort gleich zu Beginn ein paar Silvesterknaller explodierten, ging alles blitzschnell. Knapp 1.000 Demonstranten wurden mithilfe von Pfefferspray und Schlagstöcken zusammengedrängt und für Stunden eingekesselt. Hunderte kamen in Gewahrsam, 200 Demonstranten wurden verletzt. Aber das waren ja auch linksradikale Kapitalismusgegner und keine betrunkenen Hooligans.
Kommentare
"Kategorie C", da war doch was...
Ach ja -> http://www.maz-online.de/...
Vorgehen gegenüber gewaltbereiten Demonstranten
Ich habe sowohl bei rechts- als auch bei linksmotivierten Demos immer ein Problem, sobald Gewalt gegen andersdenkende und/oder die Polizei ausgeübt wird.
Auf jeden Fall ein weiterer Grund, dass Polizeieinsätze gegen "Fußballfans" vom DFB Finanziert werden sollten. Wer diese "Brut" großgemacht hat soll meiner Meinung auch für den Schaden aufkommen.
immer wieder
erstaunlich, wie es gelingt, bei gewaltsamen rechten demos irgendwie die linke mit unterzubringen.
die linke gegendemo fand auf der anderen bahnhofseite statt und war absolut friedlich.
finden sie sich also damit ab, dass hier ausschließlich von massiver rechter gewalt gesprochen werden muss, auch wenn das ihrem weltbild zu widersprechen scheint.
Eh und je auf dem rechte Auge blind
Ja, Verallgemeinerungen sind natuerlich mit Vorsicht zu geniessen, nichtsdestotrotz moechte ich behapten: die Polizei ist wie eh und je auf dem rechten Auge blind. Da hat kein NSU-Skandal geholfen und erst Recht keine Beschwerden nach diversen Demonstrantionen bei denen man sich fuer eine andere Strategie entschieden hat (spontanes Beispiel: rote Flora und der Abbruch der Demo mit aeusserst fragwuediger Argumenation wie "sie sind 5 Minuten zu frueh losgelaufen").
Es bleibt zu hoffen,...
... dass auch das Fußvolk der Polizei in Angesicht dieser Bilanz bei der Führung Beschwerde einlegt!
Sehr guter Artikel, die Polizei hat sich fragwürdig verhalten
Den meist betrunkernen und oft auch klar rechtsradikal positionierten Hooligans mit einer Deeskalierungsstrategie begegen zu wollen ist naiv bzw. weltfremd, zumal man diese Hooligans aus zahlreichen BL Schlägereien bestens kennt.
Hier wurde wieder mal ein rechter Mob sehr wohlwohlend begleitet. Die Salafisten, die es ja vorgeblich zu "bekämpfen" galt waren gar nicht anwesend ! Und trotzdem wurde agressiv geprügelt !
Fazit. Ein klar gewaltbereiter, prügelnder Mob zieht durch Köln, verletzt Polizisten, begeht massenhaft Sachbeschädigung und wird dafür nicht mal ernsthaft verfolgt. Das macht sprachlos ja besorgt.
Salafisten sollen bekämpft werden keine Frage, aber eben mit rechtstsaatlichen Mitteln und nicht durch einen gewaltbereiten, prügelnden Nazimob.
In der Tat
Kann Ihnen nur recht geben. Die Naziversammlung wäre eine gute Gelegenheit gewesen, die Wasserwerfer einzusetzen, die allerdings die Polizei lieber dann einsetzt, wenn man gegen Projekte demonstriert, an denen bestimmte Interessengruppen Geld verdienen.
Deutschland stinkt immer mehr, die Behinderung der Ermittlungen bei den NSU Morden von Seiten dubioser Geheimdienste ist nur ein Symptom davon. Die Vorfälle in Köln passen gut ins Bild.