Bei den dramatischen Bildern, die heute aus Frankfurt kamen, und der Aufregung, die sie auslösten, ist es zur Klärung vielleicht wichtig, damit zu beginnen, was da eben nicht passiert ist.
Natürlich war die große Blockupy-Mehrheit friedlich. Natürlich sind die meisten EZB-Kritiker keine Schläger. Auch sind die heutigen Ausschreitungen nicht etwa der Beweis, dass linke und rechte Extremisten doch gleich schlimm sind. Weiterhin gilt: Gewalttätige Rechte machen Jagd auf Menschen. Linke zerstören Sachen.
Die Blockupy-Eskalation bedeutet auch nicht, dass Kritik an der gegenwärtigen Finanzpolitik nun überflüssig wäre. Die Verarmung in Griechenland und anderswo ist dramatisch, real, und hat sehr viel damit zu tun, was Banker dort oben in der neuen EZB entscheiden. Man kann das beispielsweise an den absurden Zwangsprivatisierungen in Griechenland erkennen. Die Kritik an solcher Politik kann laut sein und sie darf weh tun, sie muss es sogar.
Denn Sitzblockaden, lahmgelegte Innenstädte, ausfallende Straßenbahnen und Schulstunden, teure Polizeieinsätze, kurz: Sand im alltäglichen Getriebe des Systems – das muss der demokratische Staat nicht nur aushalten, er braucht es sogar. Weil es eben nicht reicht, dass er irgendwie funktioniert, sondern weil er wandelbar sein muss. Weil er seinem Souverän, dem Volk zuhören muss – und zwar nicht nur, wenn dieses brav an der Urne steht, sondern auch, wenn es wütend durch die Straßen marschiert. Das gilt übrigens für Blockupy wie für Pegida. Die Demokratie ist die einzige Herrschaftsform, in der sich der Staat beschimpfen lässt und zum Zuhören verdammt ist. Diese vermeintliche Schwäche ist ihre größte Stärke.
"Das ist nicht das, was wir vereinbart haben"
Und doch gibt es jetzt gute Gründe, wütend zu sein auf Blockupy. Im Vorhinein zum wichtigsten Demo-Termin dieses Jahres stilisiert, hat der sogenannte Tag X bewiesen, dass die radikale Linke ein ganz grundsätzliches Problem mit Gewalt hat.
Denn wer gesehen hat, wie die Randalierer am Morgen wahllos alle hundert Meter Müllcontainer anzündeten, ohne dass auch nur Polizei in der Nähe gewesen wäre, kann nicht glauben, was Blockupy-Sprecher Hendrik Wester sagt. Dass nämlich die Polizei ein "Bürgerkriegsszenario" aufgebaut habe, von dem sich viele nun mal provoziert gefühlt hätten. Abgesehen davon, dass aus diesem Satz so viel selbstgefällige Ignoranz gegenüber den realen Bürgerkriegsszenarien dieser Welt spricht, dass Herr Wester in politischen Dingen hoffentlich nie mehr für irgendwen außer sich selbst sprechen darf: Dass ein bisschen Gewalt irgendwie schon okay sei, scheint bei Blockupy dann doch eine weit verbreitete Einstellung zu sein.
Am Mittag sitzt Ulrich Wilken im Haus des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Er ist Linke-Politiker und hat die Blockupy-Demo angemeldet. Nun spricht er über sein "Entsetzen" angesichts der Ausschreitungen am Morgen. "Das ist nicht das, was wir als Blockupy-Bündnis geplant haben. Das ist nicht das, was wir vereinbart haben." Er sagt aber auch: "Ich habe großes Verständnis für die Wut derjenigen, die von der Verelendungspolitik betroffen sind." Und neben ihm assistiert sein Co-Sprecher Christoph Kleine: "Es war ja klar, dass dieser Polizeiapparat, der da war, auch eingesetzt werden musste und eingesetzt werden sollte." Und weiter: "Die Aktivisten waren mitgenommen und geschockt vom Ausmaß der Gewalt, der sie durch die Polizei ausgesetzt waren." Das ist eine so absurde Verdrehung von Ursache und Reaktion, eine solche Verhöhnung der Realitäten an diesem Vormittag in Frankfurt, dass dahinter klar eine erschreckende Ideologie durchscheint: Wer von uns Gewalt anwendet, ist unschuldig, weil auf der anderen Seite der Teufel steht. Sei es die EZB, sei es die Polizei.
Kommentare
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der zuständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die hat diese Dinge in Frankfurt zugelassen, obwohl alle mit derlei ausartenden Aktionen rechneten. Es gibt in diesem Staat immer weniger couragierte Leute in den Behörden, die Verantwortung übernehmen, auch für unpopuläre Maßnahmen wie die Einschränkung der Demonstrationsfreiheit, wenn Gewaltaktionen absehbar sind.
Das ist gefährlich...
dann wäre es wie in Türkei oder Rußland. Wir wollen doch keine Diktatur der Legislative herbeibeschwören genau wie die Pegida Nazis das Recht haben Hetzbotschaften, Aufrufe zu aktiven Fremdenhass und Gewalt gegen Fremde zu tolerieren.
Sollen die Gegner von Banken doch demonstrieren, die Randalierer werden festgenommen und dann von der Judikative bestraft.
Demokratie hat seine Mechanismen, solange diese walten und schalten können wir nicht aufrufen diese Mechanismen auszuschalten nach Bedarf.
Bitte geben Sie Beispiele fuer absurde Zwangsprivatisierungen
in Griechenland. Danke
Alle!
Man kann nicht unter Druck seine Unternehmen und Immobilien abstoßen und einen anständigen Gegenwert verlangen.
Wenn aber mit dem im Vorfeld gerechnet wird, dann ist das absurd.
Wer mit Putin kuschelt kann Gewalt nicht ganz schlecht finden
Die Linkspartei, bei den Demos in Frankfurt ganz vorne mit dabei, hat nichts dagegen, wenn ihre Mandatsträger den neuen Gewaltherrschern in der Ostukraine ihre Aufwartung machen. Und Putin ist für Linkspartei keinesfalls eine verurteilenswerte Person. In Bundestagsreden schimpft Frau Wagenknecht auf die demokratisch gewählten Regierungen der USA und Deutschlands, nicht aber auf die Russlands oder Venezuelas.
Die Gewaltherrschaft des linksnationalistischen Herrschers Chavez in Venezuela hat die Linkspartei nie kritisiert.
wenn das nur Chavez ist
"Die Gewaltherrschaft des linksnationalistischen Herrschers Chavez in Venezuela hat die Linkspartei nie kritisiert."
Die kritisieren nicht mal Pol-Pot/Kim/Mao oder Stalin.......sie erwarten zuviel wenn viel Harmloseren Populisten wie Chavez nicht kritisiert wird!^^
Anstatt den Blickwinkel auf die gesamte Debatte zu lenken
tritt man hier auf absehbaren Handlungen radikaler Randgruppen und weich formulierten Pressemitteilungen der Obrigkeit seitens Blockupy herum. Natürlich lehnt die Spitze und auch die breite Masse der Unterstützer Gewalt und Zerstörung als Kommunikations-, ja generell Ausdrucksmittel ab. Natürlich sind aber die entstandenen Szenen und Bilder vom heutigen Tag eine hervorragende Vorlage für die Gegner der Blockupy Bewegung.
Man karrikiert einfach und medienwirksam Schreckensbilder fanatischer, wütender Krawalltouristen und generalisiert sie im folgenden mit der gesamten Bewegung.
Und wo bleibt nun die Debatte um die eigentlichen Forderungen jener Bewegung? Die wurden weder in der ARD noch hier auf ZEITONLINE hinreichend mitgeteilt. Stattdessen das inzwischen auswendig gelernte und nicht überraschende Berichten aus dem stets sitzenden Blickwinkel der Deutungshoheit heraus.
ich bin gelangweilt.
Denken Sie nicht, dass es der Glaubwuerdigkeit
der "friedfertigen" Demonstraten zugute kaeme, wenn man sie "wenigen" Randalierer einfach isolieren wuerden. Sie vermissen eine Debatte ueber deren Forderungen? Die findet noch ueberall statt, zum Beispiel hier. Im uebrigen haben sie die Moeglichkeit, bei der naechsten Wahl Ihr Kreuzchen an der richtigen Stelle zu machen. Aber das hilft Ihnen sicher nicht weiter, weil sie genau wissen, dass Sie in der Minderheit sind und bleiben werden.
Kalinichta