Wer saß im Germanwings-Flug von Barcelona nach Düsseldorf? Die wahre Identität der 150 getöteten Passagiere und Besatzungsmitglieder war für die Ermittler gar nicht so einfach festzustellen – obwohl es eine Passagierliste gab. Denn die allermeisten Fluggäste kaufen ihre Tickets online. Wenn sie per Flugzeug nur im Schengen-Raum unterwegs sind, müssen sie sich beim Checkin und Boarden nicht mehr ausweisen.
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) überlegt nun, eine Ausweispflicht für Fluggäste einzuführen. "Meines Erachtens müssen wir aus Sicherheitsgründen wissen, wer tatsächlich an Bord eines Flugzeugs ist", sagte er der Bild-Zeitung. Nach dem Germanwings-Absturz hätten die Sicherheitsbehörden nach Hinweisen auf einen Terroranschlag gesucht – und die Passagierliste auch nach Namen von sogenannten Gefährdern durchforstet. Doch für Terroristen sei es im Schengen-Raum sehr einfach, unter falschem Namen zu fliegen. Der Minister beklagt "ein riesiges Sicherheitsproblem" und erhält wohlwollende Zustimmung auch vom Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).
Im Schengen-Abkommen haben sich 22 der 27 EU-Länder sowie Norwegen, Island, Liechtenstein
auf einen Wegfall der Grenzkontrollen geeinigt.
Sukzessive wurden damit in den vergangenen Jahren auch die
Ausweisüberprüfungen am Gate eingestellt, sagt ein Sprecher des Bundesverbandes der
deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), der viele Fluggesellschaften vertritt. Seit
2008 ist kein Flughafenbetreiber und keine Airline mehr dazu verpflichtet, meist wird nur das Ticket kurz maschinell erfasst. Grundsätzlich muss sich ein Fluggast stets ausweisen
können, Stichprobenkontrollen sind möglich.
De Maizière will die Stichprobe nun durch eine generelle Kontrolle ersetzen. Werden so die Errungenschaften von Schengen aufgeweicht? Kehren Grenzkontrollen an Flughäfen zurück? Das fragt der grüne Innenpolitiker Konstantin von Notz. Seine Kollegin von der Linkspartei, Ulla Jelpke, formuliert es weniger diplomatisch: Thomas de Maizière betreibe seine "Überwachungspläne auf dem Rücken der getöteten Passagiere und Crewmitglieder".
Wer soll überprüfen?
Eine Sprecherin des Ministers widerspricht dieser Darstellung, die sich am Donnerstag schnell über die sozialen Netzwerke verbreitete, vehement. "Wir wollen in keinster Weise Grenzkontrollen wieder einführen." Ausweiskontrollen im Schengen-Raum solle es auch künftig nur anlassbezogen geben – etwa bei Fußballspielen, zu denen Randalierer anreisen könnten oder wie in Frankreich direkt nach den islamistischen Attentaten im Januar, als nach möglichen Unterstützern gesucht wurde.
Dem Minister gehe es vor allem darum, die Identität der Reisenden vor Abflug noch einmal mit der Passagierliste abzugleichen, sagt die Sprecherin. Noch sei nicht entschieden, wer solche Kontrollen machen soll. Diese Aufgabe könnten Bundespolizisten übernehmen, oder auch Flughafen- oder Airline-Mitarbeiter – also Personal, das keinen Zugriff auf polizeiliche Datenbanken hat, sondern nur den Namen auf Ausweis und Boardingpass abgleicht.
Letzteres wäre tatsächlich keine Grenzkontrolle. Doch wäre es ein Gewinn an Sicherheit? Welcher Mitarbeiter einer privaten Firma weiß schon, ob er einen sogenannten Gefährder oder einen gefälschten Pass vor sich hat? Hinzu kommt: Auch eine korrekte Passagierliste kann leider keinen Terroranschlag verhindern – das geht nur, wenn man gefährliche Menschen nicht ins Flugzeug lässt. Dafür aber müsste jeder Fluggast von Sicherheitsexperten durchleuchtet werden. Allein in der EU waren es 2013 über 800 Millionen. Ist die vorgeschlagene Maßnahme also die Richtige, um das "riesige Sicherheitsproblem" zu beheben, das de Maizière ausgemacht hat?
Kommentare
Traurig, aber wahr
Dieses tragische Unglück wird (wieder einmal) zum Anlaß für weitere Datensammlungen genommen.
Und gerade in diesem Fall: In Spanien ist beim Boarding der Personalausweis vorzulegen.
Und wenn ich, meist von Düsseldorf losfliege, kann ich dies auch nicht ohne Personalausweis.
Es geht doch nicht um die Sichtung von Dokumenten, es geht wieder nur um Speicherung von Daten.
In Kopenhagen
wird auch, wenigstens, einen Personalausweis verlangt.
Evolution
Früher hat man nach Terroranschlägen (noch) härtere Einschränkungen gefordert.
Dann gab es die Forderung schon nach Anschlägen, die mit den vorhandenen Einschränkungen verhindert werden konnten.
Jetzt wird der Ruf schon bei tragischen Ereignissen, ohne Bezug zu irgendeiner Form von Terror laut.
De Maizières verwirrende Ideen
Solcher Aktionismus ist dafür verantwortlich, dass Europa immer weiter an Zuspruch verliert und dies ist eigentlich die richtig schlechte Nachricht. De Maizières könnte seine Ideen auch mal eine Nacht überschlafen, bevor er sie in die Welt hinaus posaunt. Irgendwann werden die Bürger sich nämlich fragen: wozu brauche ich dieses Europa dann überhaupt noch? Wenn Europa nicht mehr offen ist, kann man es auch ganz abschaffen!
Schengen abschaffen
Das muß man sich mal vorstellen:
Keiner weiß, wer im Flieger sitzt, und die Cockpit-Türe kann so verrammelt werden, daß der diensthabende Pilot nicht mehr reinkommt.
Wir haben es tatsächlich jetzt geschafft, daß in Deutschland mehr Menschen wegen Anti-Terror-Maßnahmen gestorben sind als bei tatsächlichen Terroranschlägen. Was für ein Irrsinn. Und natürlich muß es wieder Passkontrollen geben. Übrigens auch an den Grenzen beim Autofahren.
Pietätslose Profilneurose
De Maizière prescht mit großer Zuverlässigkeit nach jeder Katastrophe mit Vorschlägen zu Überwachung und Kontrolle vor. Zuletzt rund um Charlie Hebdo. Ich weiß nur nicht, ob man laut aufschreien oder ihn ignorieren sollte.