Ist es eine Gefahr für unsere Gesellschaft, wenn die Alten die Wütenden sind? Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung stellte am Wochenende fest, dass die Bürgerproteste der vergangenen Jahre – wie Stuttgart 21 und die Pegida-Märsche – vornehmlich von älteren Bürgern getragen wurden. Was ist mit den Jungen? Protestieren die überhaupt noch?
Mit der tektonischen Verschiebung im demografischen Gleichgewicht wächst die Gefahr, dass die Alten durch ihr strukturelles Wählergewicht die politische Agenda diktieren. Gegen die Alten lässt sich keine Wahl gewinnen. Sie bestimmen, was hinten rauskommt – in den Parlamenten nicht anders als bei Volksentscheiden. Junge haben es schwer, sich durchzusetzen – sie können nur aufsteigen, wenn sie nichts machen, was der Mehrheit der Alten nicht passt.
Die Jungen werden zu einer Minderheit, die politisch praktisch irrelevant ist. Im Jahre 2030 werden die Alten endgültig das Sagen haben. Und zwar weil die Politiker in vorauseilendem Gehorsam genau das tun oder unterlassen, von dem sie glauben, dass die Mehrheit der Alten es möchte oder eben nicht möchte.
Auch wenn das Paradigma des eigensüchtigen Homo Oeconomicus schon immer falsch war und auch für die Alten nicht stimmt: Alte und Junge haben unterschiedliche Werte und Wünsche, Prioritäten und Interessen. Das ist normal, aber das führt auch zu ganz normalen Konflikten, etwa in der Schulpolitik, Medienpolitik oder Umweltpolitik. Die Wünsche und Interessen der Jungen fallen von der Tagesordnung.
Die Alten können nicht nur ihr schier riesiges Wählergewicht ausspielen. Die Ruheständler haben auch wesentlich mehr Zeit und Geld als Studierende oder Berufseinsteiger, um etwa in Parteigremien zu sitzen oder Bürgerbegehren ins Rollen zu bringen. Eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin über die Bürgerproteste gegen den Bahnhof Stuttgart 21 hat festgestellt, dass die meisten Demonstranten entweder im späten Berufsleben, im Vorruhestand oder in Rente sind. Jugendliche waren kaum zu finden.
Mehr Geld, mehr Zeit
Das schlägt sich auch in Volksentscheiden nieder. Für die Schweiz haben zwei Professoren das Abstimmungsverhalten bei 22 Volksentscheiden zu Arbeitsmarktpolitik, Rentenpolitik und Familienpolitik untersucht und in fast allen Fällen das Lebensalter als prägenden Faktor identifiziert. So votierten die Alten signifikant häufiger gegen Arbeitszeitverkürzungen, gegen Reformen in der Rentenversicherung und gegen Entlastungen für Familien. In einer Volksabstimmung in Österreich im Januar 2013 über die Wehrpflicht stimmten 63 Prozent der unter 30-Jährigen für die Abschaffung, aber 71 Prozent der über 60-Jährigen für die Beibehaltung. Damit ist die Abschaffung der Wehrpflicht am Nein der Alten gescheitert. In einer Volksabstimmung in der Schweiz im März 2013 über die Förderung öffentlicher Kinderbetreuung (dem so genannten Familienartikel) stimmte die Mehrheit der Jüngeren dafür, aber die Mehrheit der Alten dagegen.
Mit anderen Worten: Die Alten wollten in ihrer Mehrheit nicht, dass der Staat den jungen Familien mehr öffentliche Kinderbetreuung bietet. Wenn auch in Deutschland künftig auf Bundesebene per Volksentscheid abgestimmt werden soll, wird die Alten-Lobby die Themen dekretieren und die Politik vor sich hertreiben. Die Interessen von Minderheiten – und damit in einer alternden Gesellschaft auch der Jungen – werden in einer Referendumsrepublik der Greise leicht untergebuttert.
Der demografische Wandel verändert das kulturelle Leitmotiv des Landes. Immer mehr Menschen haben den größeren Teil ihrer Lebenszeit bereits hinter sich gebracht. Sie haben kein Interesse mehr an der Zukunft, sondern richten sich in der Gegenwart ein und konzentrieren sich auf die Sicherung des Erreichten.
Zeit, dass die Jugend wieder auf die Straße geht?
Doch der aktuelle Wohlstand ist trügerisch. Die bedrückende Liste unserer ungedeckten Schecks auf die Zukunft: Klimakatastrophe, Ausbeutung der Rohstoffe, Übersäuerung und Vermüllung der Ozeane, Investitionslücken, anschwellende Staatsverschuldung und gigantische Haftungsrisiken, sich auftürmende Pensionslawinen, Kinderarmut, steigende soziale Immobilität, Stillstand im Bildungssystem, Widerstand gegen den digitalen Wandel.
Angela Merkel thront als Garantin des Status quo über einem eingeschlafenen Land. Die CDU als größte Regierungspartei ist ausgebrannt und verheddert sich im Klein-Klein. Selbst das einzig große Zukunftsprojekt, die Energiewende, droht am Trippelschrittprinzip zu scheitern.
Es wäre an der Zeit, dass die Jugend wieder auf die Straße geht. Die heutigen Studenten seien so unpolitisch wie nie zuvor, titelten die Qualitätsmedien, als der neueste Studierendensurvey – eine Langzeitstudie der Universität Konstanz, die regelmäßig bundesweit repräsentative Befragungen erhebt – mal wieder einen Erdrutsch an politischem Interesse diagnostizierte. Im Jahr 2013 beurteilten demnach nur noch 71 Prozent der Studierenden Politik als "sehr wichtig" oder "eher wichtig", während es 20 Jahre zuvor noch 77 Prozent gewesen waren – zu einer Zeit, als die Jugend nicht minder als politikverdrossen gescholten wurde.
Kommentare
Was machen die Jungen?
Selfies
Arbeiten. An ihren Promotionen schreiben. Kinder großziehen. Steuern zahlen, um ehemaligen Post- und Bahnbeamten nach sehr überschaubarer Lebensarbeitszeit komfortable Renten zu auszuschütten.
Ist doch alles Bestens für Mutti...
...denn die Älteren werden hübsch artig CDU und CSU wählen, denn es ist normal, dass sich Menschen mit zunehmendem Alter mit Veränderungen schwer tun.
Die nachwachsende Generation hat man komplett entpolitisiert, sie sind bestenfalls als Konsumenten für die Vertriebsprofis in den Unternehmen interessant. Und um dafür zu sorgen, dass sie marktkonform bleiben, hat man mal ordentlich das Bildungssystem mit G8 und Bologna kaputt reformiert. Nicht dass die Nachwachsenden auf die Idee kommen, irgendwas am Wirtschaftssystem zu ändern oder feststellen, dass in den Vorstandsetagen auch nur mit Wasser gekocht wird.
Sie haben zum Teil sicherlich Recht
dennoch sollten sie auch nie unterschätzen was ihrem Focus entgeht und wievieles in den Medien einfach untergeht oder keinen Anklang findet.
"Es ist nur eine Minderheit von uns, die sich anschickt, die Welt zu verändern – aber diese Minderheit ist hochaktiv. Wir gründen soziale Unternehmen... Wir schreiben Blogs, starten Onlinepetitionen. Wir machen mit schicken Glas-Wasserflaschen das Trinken von Leitungswasser wieder cool und bekämpfen damit Plastikmüll.Wir klagen vor dem Verfassungsgericht für das Wahlrecht für Jugendliche und schreiben Parteitagsanträge gegen Vorratsdatenspeicherung. Wir erarbeiten Konzepte für zukunftsfähige Weltklimaverträge...
Statt sich in Manifesten und Gegenmanifesten zu verrennen und in Trillerpfeifen zu pusten, machen wir die Welt ganz handfest und konkret ein klein wenig besser – Stück für Stück, Projekt um Projekt. Alte Schablonen passen nicht zu den neuen Formen des Engagements, das zu oft scheinbar unsichtbar unter der Oberfläche verläuft. Der Aufstand der Jungen ist schon längst da. Die Alten merken es nur nicht. "
Das ist der Punkt. In den Medien wird ein verzerrtes Bild vermittelt wie es wirklich aussieht. Es geht nicht mehr um Demos sondern um die eigene Veränderung. Von Unternehmen zu kaufen die sich sauber Verhalten und diese Marken zu pushen damit diese erfolgreich werden und den öffentlichen Diskurs mitbestimmen. Es gibt viele Wege aber es passiert viel auch wenn es noch in den "alten Medien" teilweise untergeht.
Toller Artikel!
Das Schlimmste ist, dass die paar jungen Menschen,
die es in dem hoffnungslos überalterten Deutschland überhaupt noch gibt, zum größten Teil ohne Aussicht auf Besserung von unseren Schulen und Universitäten linksextrem indoktriniert wurden und ihnen somit nicht mal im Traum einfallen würde, etwas für ihr eigenes Land zu tun. Auf diese Weise wird Deutschland untergehen und von unserem Land und unserem Volk bald gar nichts mehr übrig sein.
»linksextrem indoktriniert«?????
Geht's noch? Wo wird denn »linksextrem indoktriniert«? Welche Schulen und Unis kennen Sie denn bitte? Offenkundig keine aus dieser Bundesrepublik unter Angela Merkel und Joachim Gauck.
Was dort indoktriniert wird, ist neoliberale Lehre in Reinform. Die künftige Generation soll schließlich bitteschön *funktionieren*.
Aha...
...jetzt würde mich schon interessieren was sie über ihre Pflichten hinaus für "Ihr Land" tun?
So ein Blödsinn!
Meine 4 Kinder im Alter von 27-34 Jahren sind alles, nur nicht linksextrem, und ihre gesammelten Freunde/Bekannte auch nicht - in deren Augen sind das eher wir Eltern.
Ich finde diese ständige Rumhackerei auf "der Jugend" oder "den jungen Leuten" heute noch so abstoßend wie vor 40 Jahren.
Das ist egal, wie gedacht wird,
wem es nicht passt, was andere meinen, der weiß ganz sicher, dass er sich über einen "Linksextremen" aufregen muss!
Das ist schon eine kommodifierte Meinung! Nicht wahr?
Das nennt sich
-> Kausalität.
Aus einem mehr an wissen resultiert zwangsläufig ein mehr an Verständnis für komplexe zusammenhänge.
Jeder der ansatzweise Grips in der Birne hat weiß, dass aus Nationaldenken schnell Nationalkonflikte resultieren, Kriege.
Das Ausbeutung zu Rebellionen führt.
Unterdrückung zu Aufständen.
Ressourcenverschwendung zu Existenzbedrohung.
All diese Weisheiten (o.a. logische Konsequenzen) führen dazu das ein Mensch "links" wird, da niemand ein ernsthaftes Interesse an solchen Konflikten haben kann, es sei denn man ist Psychisch gestört und will daraus Profit schlagen.
Das einzige womit man "indoktriniert" wird ist Wissen.
Wie ging es nochmal aus einer Studie hervor:
"Denn Tradition kommt ohne denken aus."
@ #5... Geht's noch?
Kann da "Jaba" nur zustimmen....
Und wenn etwas dieses Land kaputt macht, dann sind es die alten wo oft jede Lüge der Politik und Presse glauben und Unterstützen...
Beispiel das Märchen vom Fachkräftemangel!
Es gibt tatsächlich gar keinen, das Problem ist vielmehr, dass die Unternehmen billige zugewanderte fachkräfte gegenüber den Deutschen bevorzugen... da Sie nicht so viel Gehalt erwarten, wie die Deutschen und auch nicht so wirklich Ihre Rechte kennen.
Aber die alten glauben ja an den Fachkräftemangel und sind der Meinung die Jungen wären nur zu Faul um zu arbeiten. Das Sie im Gegensatz zu Ihnen, jedoch nicht mehr von dem was Sie verdienen Leben können (bei gleicher arbeit, also 8 Std/Tag)
Anderst gesagt die alten durchschauen die Spielchen von Politik und Wirtschaft schon lange nicht mehr, nehmen sich jedoch das Recht heraus darüber zu entscheiden obwohl Sie nichtmal davon betroffen sind und schon gar nicht kapieren worum es eigentlich geht!
Und übrigens: Ich zähle mich zu den Jungen... da ich erst Anfang 30 bin.
Linksextrem
Das einzige was extrem ist ist Ihr Weltbild.
Keine Ahnung wo diese ganzen Linksextremen sein sollen, bei der Jugend eher nicht. Die scheint mir eher unpolitisch.
Aha, und die rechtsextrem indoktrinierten Jugendlichen ...
... haben vor 70 Jahren ein Land in Schutt- und Asche zurückgelassen, um sich anschliessend damit zu rühmen, was Sie während des "Wirtschaftswunders" alles aufgebaut haben.
Entfernt. Bitte Verzichten Sie auf das Austragen von Privatfehden. Danke, die Redaktion/ch
Entfernt. Bitte verzichten Sie auf das Austragen von Privatfehden. Die Redaktion/ch
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Was hat den jetzt bitte Ortografie mit dem Thema zu tun?
1.
Wenn Sie schon auf der Rechtschreibung herumreiten wollen, dann sollten Sie wissen, dass es "Ortografie" statt "Orthografie"!
Und was hat das bitte mit dem Thema zu tun?
2.
Wenn ich mich dazu entscheide mal ein Kommentar vom Büro aus zu schreiben, dann mach ich das schnell.
Da ist für mich die Rechtschreibung 2. rangig solang man versteht was ich sagen will. (So wie jetzt auch)
3.
Ich sei Ahnungslos und kenne keine Fakten?
Von welchen Fakten reden Sie bitte?
Über die Lüge des Fachkräftemangels?
hier mal kurz 'ne Sendung vom ARD zu dem Thema:
https://www.youtube.com/watc…
Noch mehr Wirtschaftliche Fakten? Bitte:
sofern Sie die Vorlesung eines Hochschulprofessors der Volkswirtschaft nicht überfordert:
https://www.youtube.com/watc…
Auf Wunsch entfernt. Die Redaktion/ges
Entfernt. Bitte benutzen Sie die Bedenklichmelden-Funktion und äußern sich ansonsten zum Thema. Die Redaktion/dj
"Sie haben kein Interesse mehr an der Zukunft"
In dieser Pauschalisierung eine Unverschämtheit. Meinen Sie nicht, dass nicht der ein oder andere Alte sich auch aus Sorge um seine Kinder und Enkel Gedanken macht und dann ggf. aus diesem Antrieb heraus auf die Straße geht?
Ältere nicht über ein Kamm scheren
Jeder Ältere, der etwas Intellekt hat, weiss, dass sein Lebensstandard im Alter durch nur die Arbeit der Jüngeren erhalten werden kann - Geld arbeitet nicht. Und wer dann noch Kinder und vielleicht auch Enkel hat, sieht tagtäglich, dass die Jungen mit vielfältigen Problemen zu kämpfen haben, die sie zu großen Teil voll auslasten. Und als Folge verlieren die Jüngeren die Überzeugung, dass die Gestaltung ihrer eigenen Zukunft durch ihr politisches Handeln erfolgt.
Ich kenne viele Ältere, und ich zähle mich auch dazu, die einen großen Teil ihrer Anstrengungen darin investieren, die nachfolgenden Generationen in der Bewältigung ihrer Probleme auch im eigenen Interesse tatkräftig zu unterstützen. Jedoch muss man sich eingestehen, dass dies immer aus der eigenen Sicht erfolgt und nicht das eigenverantwortliche Handeln der Jüngeren ersetzen kann.
Wenn dies schon für Ältere gilt, die selbst Kinder und Enkel haben, wie sieht dann das Engagement derjenigen aus, die ohne eigene Nachkommen sind? Das Hemd bleibt immer noch näher als der Rock. Daher wäre es durchaus angebracht, dieser Frage und den Folgen durch belastbare Fakten auf den Grund zu gehen - findet sich dazu vielleicht ein ZEIT-Redakteur?