Für Cem Özdemir ist die Kür zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl ein wichtiger persönlicher Erfolg. Der 51-Jährige steht zwar seit mehr als acht Jahren an der Spitze der Partei, aber er war immer ein Einzelkämpfer, der wenig politische Förderer und Freunde hatte. Jetzt hat er sich in einer Urwahl gegen Fraktionschef Anton Hofreiter und den schleswig-holsteinischen Umweltminister Robert Habeck durchgesetzt. Es war knapp. Aber er wird das grüne Gesicht im Wahlkampf sein. Özdemir ist am Ziel.
Gemeinsam mit Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, die als einzige weibliche Bewerberin gesetzt war, wird er die Partei in einem schwierigen Richtungswahlkampf führen müssen. Grünen-Sympathisanten mögen Merkel, das haben Umfragen gezeigt, und das ist einerseits ein Problem: Im September könnten bürgerliche Anhänger nicht die eigene Partei, sondern die Kanzlerin wählen, und so die Grünen schwächen.
Andererseits: Mit Özdemir und Göring-Eckardt hat sich die Parteibasis für einen klaren schwarz-grünen Kurs entschieden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Parteichef klar auf eine solche Koalition hinarbeitet, auch wenn die Grünen offiziell ohne Koalitionsaussage wahlkämpfen wollen.
Jeder weiß, wie freundlich die Union und auch FDP-Chef Christian Lindner über Özdemir und die Baden-Württemberger Grünen denken. Über eine besonders innige Beziehung zwischen Sahra Wagenknecht und dem Schwaben hingegen ist nichts überliefert.
Der Grünen-Chef wirbt dafür, die Partei für breite gesellschaftliche Schichten zu öffnen. Ökologie ist für ihn eher ein Seitenthema, Özdemir geht es um die großen Fragen: um Integration, deren Wichtigkeit er als Sohn eines türkischen Gastarbeiterehepaars immer wieder betont. Um den Kampf gegen den "Islamischen Staat" und darum, dem türkischen Präsidenten Erdoğan die Stirn zu bieten. Damit hat er sich auch im parteiinternen Wahlkampf profitiert und sich als möglicher Außenminister einer schwarz-grünen Koalition ins Gespräch gebracht.
Keine Frage, die Grünen-Basis hat sich für die telegene Variante des Spitzenkandidaten-Duos entschieden: Auch Göring-Eckardt gilt als ministrabel. Die Thüringerin ist bewusst omnikompatibel, mit ihr können sich viele Wähler identifizieren: Sie ist mit der evangelischen Kirche eng verbunden, kann öffentlich genauso gut Kuchen backen wie über Feminismus referieren, sie ist Ostdeutsche, Wende-Zeugin.
Göring-Eckardt ist zudem Profi darin, sich politisch nicht festzulegen. In der rot-grünen Regierung setzte sie die Hartz-IV-Reform mit um, im Wahlkampf 2013 kämpfte sie als Spitzenkandidatin an der Seite des Linken Jürgen Trittin für die Abwicklung derselben. Zuletzt schaffte sie es in einem Satz zugleich die Polizei für ihren Silvestereinsatz in Köln zu loben und Racial Profiling zu kritisieren.
Kommentare
Die soziale Frage war noch nie das Thema der Grünen. Wozu auch? Schließlich gehören die Wähler der Grünen nach denen der FDP zu jenen mit den höchsten Einkommen.
Die Grünen liegen momentan sogar vor der FDP aber das war entgegen ihrer aussage nicht immer so
'Ökologie ist für ihn eher ein Seitenthema, ...'
'Göring-Eckardt ist zudem Profi darin, sich politisch nicht festzulegen.'
Definiere: "grün"...
Ich weiss nicht... wofür stehen die eigentlich?
Ich könnte es Ihnen sagen, aber vor der Antwort wird mir nach dem Herbst 2015 selbst Angst und Bange.
diese 2 grünen Kandidaten sind ein schwaches Angebot der Grünen für die Wähler..
Bei denen weiß man wirklich nicht,wo man dran ist,da diese ihr Fähnchen stets nach dem Wind drehen!
Das trifft doch in vollem Umfang den Tenor der Partei. Passt!
Schauen wir einmal. Eines der Probleme der GRÜNEN ist, dass sie eigentlich zumindest aus zwei Parteien bestehen, die immer weniger miteinander zu tun haben. Da sind die pragmatischen GRÜNEN vor allem im SÜDWESTEN, wo sie auch das sagen, d.h Regierungsverantwortung haben und zum anderen die Linksgrünen vor allem in Berlin und dann gibt es noch einige Ur-GRÜNE, da ist nicht klar zu welcher FRaktion sie zählen.
Aber wen von diesen Parteien wählt der Wähler, wenn er die GRÜNEN wählt?
Ich sehe das eher so: In Baden-Württemberg haben wir Karrieristen, die erkannt haben, dass man bei den Grünen was werden kann. Die sind so geil auf Stimmen, dass ihnen egal ist woher diese kommen. Nachdem die CDU die Baden-Württemberger lange genug verarscht haben, haben diese Karrieristen erkannt, dass dort die meisten Stimmen zu holen sind. In der restlichen Republik gibt es dann noch Realos und Linke. Die linken werden nun verdrängt, d.h. die Grünen gehen den selben Weg wie die SPD (nur auf niedrigerem Niveau).