Barrikaden brennen, schwarz Vermummte graben Gehwegplatten aus, um sie zu verkleinern und später Richtung Polizei zu werfen. Anwohner und Aktivisten versuchen gemeinsam, Vermummte von der sinnlosen Gewalt abzuhalten, doch das gelingt nur vereinzelt.
Um Politik ging es bei den Krawallen im Hamburger Schanzenviertel nicht. Demonstriert wurden nur die eigene Selbstgefälligkeit und die niederen Instinkte der zumeist jungen Gewalttäter. Ihnen ging es nicht um den Traum von einer besseren Welt, es war ein reiner autoritärer Rausch von Gewalt. Damit haben die Randalierer die Bilder erzeugt, die vom G20-Gipfel in Hamburg bleiben werden. Da halfen auch Hunderttausende auf friedlichen Protestmärschen nicht mehr.
Die Gewalttäter haben keine Solidarität verdient, sondern Gegenprotest
und Strafen. Wer versucht, diese Gewalt politisch zu begründen oder gar
zu rechtfertigen, kämpft mit ihnen. Doch dass es nicht gelungen ist, die
Gewalt frühzeitig einzudämmen, ist nicht
nur ein Armutszeugnis für den G20-Protest, sondern auch für den
Rechtsstaat.
Vielen wunderten sich am Freitagabend, warum die Polizei nicht früher
eingeschritten ist. Während am Donnerstag viele von einer aggressiven
Polizeitaktik auch gegen friedliche Demonstrationsteilnehmer berichten,
agierte die Polizei nun zurückhaltend, vielleicht
zu zurückhaltend – keine nachvollziehbare Strategie.
Darunter litten neben den Anwohnern vor allem die eingesetzten
Polizisten vor Ort, die über Stunden mit Flaschen und Steinen beworfen
wurden. Am späteren Abend lagen auch bei vielen Polizisten die Nerven
blank. Trotz Presseakkreditierung wurde man in eigentlich
ruhigen Situationen angeschrien und getreten. Eine Berichterstattung
war nur noch möglich, wenn man die Gefahr in Kauf nahm, angegriffen zu
werden.
Von Tritten der Polizei gegen Journalisten zu berichten, führte bei
Twitter zu empörten Reaktionen etwa von FDP-Politiker Alexander Lambsdorff oder
Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt.
Der Tenor: Man wolle der Polizei nun noch die Schuld an den Krawallen
geben.
Nichts gelernt: @Die_Gruenen und @dieLinke beschimpfen @PolizeiHamburg in ihrem Einsatz gegen brutale Gewalt. 👎🏻 #G20 #Schanze #Pressekodex https://t.co/c9ldhCzRm1
— Alexander Lambsdorff (@Lambsdorff) 8. Juli 2017
Doch der Rechtsstaat ist kein Spielball für Wahlkampfgeplänkel. Man muss
der Gewalt entschieden entgegentreten und trotzdem einfordern, dass in
einer europäischen Großstadt die Grundrechte gewahrt bleiben. Wer sich
an friedlichen Protesten beteiligt, muss
geschützt werden. Wer berichten will, muss berichten können. Wer zum
Randalieren nach Hamburg kam, wer plünderte und brandschatzte, der muss
als Straftäter verfolgt und bestraft werden. Und wer im Nachhinein
glaubt, dass die Gewalt dem eigenen Weltbild oder
Wahlergebnis dient, hat den Ernst der Lage nicht verstanden.
Fragen müssen erlaubt sein. Nicht um der Polizei zu schaden, sondern um allen Beteiligten in Zukunft solche Situationen zu ersparen. Ist es zu viel erwartet, dass Polizeiführung, Innenbehörde und Bundesregierung gemeinsam mit über 20.000 Einsatzkräften sicherstellen, dass die Hamburger Innenstadt vor einigen Hundert Randalierern geschützt wird? Wie geht man mit denen um, die friedlichen Protest in einen Topf mit den Gewalttätern werfen? Wie schaffen es die friedlichen Demonstranten zu verhindern, dass in ihren Reihen auch Chaoten mitlaufen, die den Protest diskreditieren?
Die linke und linksliberale Protestbewegung hat ein Problem, dem sie sich stellen muss. Immer wieder prägen einige Gewalttäter das Bild von großen Protesten. Dadurch wächst die Gefahr, politisch bedeutungslos zu werden. Wenn man etwas erreichen will, um Tausende tote Flüchtlinge im Mittelmeer zu verhindern, den Klimawandel aufzuhalten oder den Trumps, Putins und Erdoğans die Stirn zu bieten, muss sich etwas ändern. Das ist nicht nur eine Aufgabe für die politisch Verantwortlichen, sondern auch für die Protestbewegung aus Parteien, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft.
Kommentare
Danke für den Kommentar!
Bitte!
Danke. Die Ausschreitungen der Chaoten und Randalierer (die mit legitimen und notwendigen Protest absolut nichts zu tun haben) entbinden die Polizei in keiner Weise davon, sich an Recht und Gesetz zu halten.
Haben Sie die Bilder von der Zerstörung gesehen? Wäre ich ein Anwohner, oder einer der betroffenen Ladenbesitzer, wäre ich mehr als enttäuscht, dass die Polizei das nicht mit allen Mitteln versucht hat zu unterbinden. Plünderung und Verwüstung sind ja jetzt nicht gerade Teil des allgemeinen Lebensrisikos, welches man nun einmal hinzunehmen hat. So gesehen ist der Einsatzleiter eigentlich ein Anwärter auf den Friedensnobelpreis; bei mir wäre das anders abgelaufen.
Die Aktionen der militanten G20 waren ohne jeden Zweifel vollkommen inakzeptabel und klar strafrechtlich relevant. Nur sollte man sich weder der Illusion hingeben, dass mit dem Verweis auf "militante Chaoten" irgendetwas erklärt wäre noch dass man nichts erklären muss. Niemand wird oder braucht Verständnis für die Militanz haben, aber wer nicht nachvollziehen will, wie es zu Ereignissen gekommen ist und welche Hintergründe die Gewalttaten haben, hat nichts in der Hand, um ähnliche Vorkommen zu verhindern, denn wenn man eines aus der Eskalation lernen.kann, dann ist die Tatsache, dass weder die "Knüppel aus dem Sack" Taktik funktioniert noch ein angestrengtes Wegschauen.
Klingt ein bisschen wie: "Ich bin kein Nazi, aber..."
Jeder der sich die von Ihnen aufgezählten Fragen stellt, sollte zunächst mal darüber nachdenken, aus welchen Grund ein solches Polizeiaufgebot überhaupt von Nöten gewesen ist und sich vorherige Vorfälle zuschauen.
Von da muss das Pferd aufgezäumt werden, denn die Initiatoren hatten schon im Frühjahr angekündigt, den Gipfel stürmen zu wollen.
Und da wundert man sich nun? Ernsthaft?
Die SZ hat sich mehr Mühe gegeben, über die Hamburger Polizei zu informieren.
Dudde, der Gesamteinsatzführer der Hamburger Polizei hat schon mehrmals rechtswidrige Einsätze durchführen lassen. Fragt sich, ob ein Mann, der es mit der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen nicht so genau nimmt, geeignet ist für die Position die er hat.
"Als der Rechtspopulist und frühere "Richter Gnadenlos" Ronald Schill Innensenator war, wurde Dudde zum Leiter der Bereitschaftspolizei berufen, nach Ansicht vieler Kritiker hat das den Weg vorgegeben. Mehrfach wurden Einsätze unter der Leitung Duddes im Nachhinein von Gerichten kritisiert oder gar als rechtswidrig eingestuft. "
http://www.sueddeutsche.d...
"Damit haben die Randalierer die Bilder erzeugt, die vom G20-Gipfel in Hamburg bleiben werden" - das ist weder eine Entscheidung von Merkel noch von den protestierenden sondern der Jounalisten, die ausschließlich über die Gewalt berichten und nicht über die Intentionen der meisten friedlichen Demonstranten berichten oder disqutieren. Die Vielzahl der Demonstranten einfach zu ignorieren in der Berichterstattung gefährdet in meinen Augen unsere Demokratie und Futter für alle, die sagen die da oben machen ja eh was sie wollen und uns hört eh keiner.
das nächste ist, das es nicht in meiner Verantwortung liegt, wenn neben mir ein Spinner oder ein Verbrecher demonstriert. Ich sehe für mich auch weder das Recht noch eine realistische Möglichkeit das zu verhindern. Bleibt lediglich die Möglichkeit mich von der Demo zurückzuziehen - aber dann würde ich wegen eines Spinners auf mein Recht - und an der Stelle wohl sogar Pflicht zur freien Meinungsäußerung verzichten.
Das nächste Problem an der ganze Geschichte ist, dass soweit ich das verfolgt habe die ersten Rechtsbrüche auf das Konto der Polizei gingen. Damit verspielt die Polizei in meinen Augen das Recht von anderen rechtskonformes Verhalten einzufordern und wird zu einen legitimen Ziel. (die geplünderten Geschäfte sind selbstverständlich kein legitimes Ziel).