Was bringt einen Mann dazu, in einen Supermarkt zu gehen, um Toastbrot zu kaufen, dann zurückzukehren, sich ein Küchenmesser aus dem Regal zu schnappen und wahllos andere Kunden und Passanten vor dem Geschäft niederzustechen? Ist das die schreckliche Realität, mit der wir im Deutschland des Jahres 2017 jetzt immerzu, an jedem Ort rechnen und leben müssen? Ich fürchte: Ja.
Noch wissen wir nicht sehr viel über den Täter, der am Samstag in Hamburg-Barmbek einen Menschen ermordet und sechs andere schwer verletzt hat. Er ist Araber, wahrscheinlich Palästinenser, kam aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Er hat in Deutschland einen Asylantrag gestellt, der abgelehnt wurde, und war ausreisepflichtig, laut Hamburger Innensenator auch "ausreisewillig". Nur Ersatzpapiere fehlten noch, dann wäre sein Amoklauf womöglich nicht geschehen. Zumindest nicht in Hamburg. Und: Er war wahrscheinlich Einzeltäter. Wohl kein vom IS direkt angeleiteter, ausgebildeter Terrorist.
Messer statt Lkw
Was aber war sein Motiv? Wir wissen es nicht. Der Mann war den Behörden als Islamist bekannt. Er war in einer entsprechenden Datei verzeichnet. Die Behörden sahen aber, auch nachdem sie ihn angesprochen hatten, keine unmittelbar Gefahr durch ihn. Hinweise auf mögliches Versagen der Sicherheitsorgane gibt es bislang nicht.
Wurde der Mann wie andere solcher Alltagsterroristen im Internet radikalisiert? Besuchte er Moscheen, wo muslimische Hassprediger, wie es sie auch in Hamburg gibt, zu solchen Gewalttaten gegen "Ungläubige" anstacheln? Ermittler, Staatsanwälte und die übrigen Sicherheitsbehörden werden diesen Fragen nachgehen, wie schon nach dem Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt, das einem ähnlichen Muster folgte. Nur dass der Täter Anis Amri im Dezember einen Lkw benutzte, nicht ein Messer, und dass er mehr Menschen tötete.
Das ist diesmal zum Glück nicht geschehen, so schrecklich dieser Messerangriff war, wie ihn Palästinenser in Israel ständig verüben. Denn mutige Passanten – darunter auch mehrere Araber – haben sich dem Angreifer in den Weg gestellt, als er weitere Menschen abstechen wollte. Mit Stühlen oder was sie sonst greifen konnten. Auch das gehört zur deutschen Realität 2017: Zivilcourage, auch von Migranten, selbst im Angesicht der drohenden Gefahr.
Hamburg im Schock
Hamburg ist kurz nach den G20-Krawallen nun zum zweiten Mal im Schock. Auch ich bin entsetzt. Denn ich lebe in Hamburg, ich habe lange Zeit ganz in der Nähe des Tatorts gewohnt und gelegentlich in eben jenem Supermarkt eingekauft, mit meinen Kindern. Und ich lebe jetzt ebenfalls in einem Multikultiviertel, mit Arabern und vielen muslimischen Immigranten. In aller Regel nette, harmlose Menschen.
Trotz aller Verstörung, die ein solcher Angriff in einem Lebensmittelgeschäft an einem Sommerferientag auslösen muss, und trotz der Angst, die jetzt sicherlich wieder viele ergreift, sollten wir uns vor vorschnellen (Vor-)Urteilen hüten. Auch jetzt. Denn auch wenn es banal klingt, muss man es immer und immer wieder sagen und schreiben: Nur ein Bruchteil der Araber und Muslime sind Islamisten und potenzielle Terroristen. Nur wenige, die in unser Land kommen und sich als Flüchtlinge ausgeben oder es tatsächlich sind, werden zu Gewalttätern – aus welchen Gründen auch immer.
Terroristen wollen Angst verbreiten
Zu Hysterie oder einem geistigen oder tatsächlichen Ausnahmezustand, wie etwa im Nachbarland Frankreich, das schon einer ganzen Reihe ähnlicher und noch weit schlimmerer Terrorangriffe ausgesetzt war, besteht kein Anlass. Terroristen, ob organisiert oder nicht, wollen genau das erreichen.
Kommentare
Dann sind wir ja beruhigt und alles ist gut.
Entfernt. Bitte diskutieren Sie konstruktiv. Danke, die Redaktion/ms
Eigentlich ist es ziemlich klar, ob es ein Terrorakt war oder nicht.
Entfernt. Bitte werden Sie nicht persönlich. Die Redaktion/sg
danke für diesen vernünftigen Kommentar. Spricht mir aus der Seele.
Was denn im speziellen, wenn man fragen darf?
Es gilt jetzt vor allem, wieder zum Rechtsstaat zurückzukehren und ausreisepflichtige Islamisten in Abschiebehaft zu nehmen.
Welchen Grund hätte es denn bei diesem Täter dazu gegeben? Er war ausreisepflichtig und wollte sogar ausreisen. Lediglich fehlende Papiere haben es herausgezögert. Er lehnte die Westliche Lebensweise anscheinend ab und wollte deswegen zurück. Wo ist da ein Haftgrund? Oder sollen wir jetzt nach Gut Dünken inhaftieren?
Solange ein Mensch keine Gefahr darstellt kann der Staat nichts machen. Und so wie die Tat geschehen ist, sieht das eher nach einem spontanen Überschnappen aus. Das kann man nicht verhindern ohne die Freiheit zu opfern.
"Das kann man nicht verhindern ohne die Freiheit zu opfern."
Nur das es dieses mal die Freiheit der Opfer und derjenigen ist, die sich mehr und mehr dadurch einschränken.
Das finde ich unverhältnismäßig.
"Oder sollen wir jetzt nach Gut Dünken inhaftieren?"
Keine Angst. Ich bin sicher, daß sich am jetztigen Zustand nichts ändern wird.
Sie haben Recht, das ist ein grundlegendes Dilemma.
Konsequent weitergedacht heißt das also es gibt zwei Alternativen. Eine langweilige, homogene Gesellschaft ohne Reibungsflächen und ohne Attentate oder eine bunte, aufregende, multikulturelle, in der halt bedauerlicherweise ab und zu jemand ausflippt.
Womit sich die Frage stellt: welchen Preis sind wir bereit zu zahlen.
gibt es innerhalb homogener Gesellschaften niemanden, der je "ausflippt"?
Gibt es solche/ähnliche Geschehnisse zwangsweise und (nur?) in jeder nicht homogenen Gesellschaft? weshalb?
Es geht vielen hier zwar nicht darum die demokratie abzuschaffen aber mit Sicherheit darum die konservative Hoheit über die gesetzgebung zu erlangen.
Rechtsstaat heisst bei denen was in Ungarn und Polen vorgelebt wird, denn anders würden Sie eine gewisse Willkürlichkeit in Ihrer Law and Order Welt nicht erlangen ..
Leider gibt es keine zwei Möglichkeiten. Denn eine langweilige, homogene Gesellschaft ist ohne Diktatur und Gleichmachung (siehe Nordkorea) nicht möglich. In einer Gesellschaft gibt es immer Spannungskurven (Rechts vs Links, Tierschutz vs Wirtschaft, etc) und für jedes dieser Spannungsfelder lassen sich Extremisten erzeugen.
In meinen Augen brauchen wir eine offene Gesellschaft der Solidarität und gleichzeitig wehrhafte Möglichkeiten gegen gezielte Attentate. Dafür müsste aber der Sicherheitsapparat und Sozialapparat umstrukturiert werden. (z.B. für jeden Extremismus mehr Aufklärungs- und Ausstiegsmöglichkeiten)
Aber ganz los werden wir den Terror leider nie meiner Meinung nach.
"Aber ganz los werden wir den Terror leider nie meiner Meinung nach."
Wir hatten NSU und RAF, aber diesen Terror hatten wir bis vor ein paar Jahren nicht. Weshalb glauben Sie es ist unumkehrbar? Ja gar hinnehmbar?
Auch in einer homogenen Gesellschaft flippen Leute aus.
Und Sie sehen keinen Handlungsbedarf in der gegenwärtigen Praxis?
Manche muss es erst selbst erwischen, bevor sie aufwachen, bis dahin wird relativiert, beschwichtigt und wenn es paßt auf die Gesetze verwiesen, wenn jedoch Gesetze durchgesetzt werden sollen, darf plötzlich nicht mehr abgeschoben werden und "Menschenrechte" werden vorgeschoben.
Bis vor ein paar Jahren ist auch fast 20 Jahre mittlerweile schon her. Aber das ist nicht der Grund warum ich glaube das es unumkehrbar ist. Es ist deshalb unumkehrbar, weil je aggressiver gegen eine Glaubensgemeinschaft vorgegangen wird um so mehr Extremisten entwickeln sich. Selbst wenn Deutschland alle Rechte ignorieren würde und den Islam verbieten würde, würden sich noch Personen in Deutschland übers Internet radikalisieren und dann erst Recht angreifen. Aktio -> Reaktio
Aber das heißt nicht das wir ihn hinnehmen müssen. Als Zivilgesellschaft und auch der Staat kann viel machen. Oberste Premisse sollte dabei aber immer sein nicht auszugrenzen. Ausgrenzung und Verachtung führt zur Wut und Hass.
"Solange ein Mensch keine Gefahr darstellt kann der Staat nichts machen. Und so wie die Tat geschehen ist, sieht das eher nach einem spontanen Überschnappen aus. Das kann man nicht verhindern ohne die Freiheit zu opfern."
Die Frage ist: Wessen Freiheit auf Kosten wessen Freiheit wird opfern.
"Oberste Premisse sollte dabei aber immer sein nicht auszugrenzen."
Da muss ich lachen.
Wenn hier jemand Salafist ist, dann lehnt er das meiste von dem ab, was die meisten von uns für richtig halten. Die Freiheit das zu tun nimmt er aber gerne für sich in Anspruch.
Es gibt gar nichts Gemeinsames, von dem Sie ihn ausgrenzen könnten.
Wir opfern unsere Freiheit auf Kosten einer ungewissen Sicherheit, wenn wir anlasslos (d.h. ohne konkreten Strafbestand) Personen inhaftieren.
Das ist korrekt, aber der Salafismus ist eine extremistische Strömung im Islam. In meinen Augen verliert er immer mehr an Einfluss je normaler die Einbindung alle Muslime ist. Keine Sonderrechte oder so. Einfach nur normaler Umgang auch, wie mit jedem anderen Menschen in Deutschland.
"Wir opfern unsere Freiheit auf Kosten einer ungewissen Sicherheit, wenn wir anlasslos (d.h. ohne konkreten Strafbestand) Personen inhaftieren."
Der § 58a AufenthG sagt:
"Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen."
Und das BVerfG hat bestätigt, dass das verfassungskonform ist.
Ich will diese Menschen nicht inhaftieren. Ich will sie aus dem Land schaffen.
Wie definieren sie den Begriff der Gefahr, im Kontext zum von Ihnen angegebenen §58a AufenthG?
Bei Ausländern mag das noch klappen. Aber das hätte hier auch nichts gebracht, denn es gab keinen Grund dafür anzunehmen das er eine Gefahr darstellt.
Aber was machen sie mit Menschen wie Linda oder Safia? Also radikalisierte Deutsche. Auch die gibt es und auch sie können als Gefährder eingestuft werden.
Das ist Ihre Meinung bzw. eine These, die nicht haltbar ist und für die es keine Belege gibt.
Ihre Argumentation folge ich ein wenig. Insbesondere den fast 20Jahren. :-)
Nur haben wir dem Islam in Deutschland viel Freiraum gegeben, also eigentlich kein Grund aggressiv zu reagieren, möchte ich meinen.
Wenn jetzt also folgt, wir müssen noch offener werden für den Islam, damit dieser sich hier wohl fühlt. So wie z.B. die Gruppierung "Germans Muslim", die behaupten von Nichtgläubigen ausgegrenzt zu werden. Schießen wir ganz weit übers Ziel hinaus.
https://www.merkur.de/politi…
"Wenn jetzt also folgt, wir müssen noch offener werden für den Islam, damit dieser sich hier wohl fühlt. So wie z.B. die Gruppierung "Germans Muslim", die behaupten von Nichtgläubigen ausgegrenzt zu werden. Schießen wir ganz weit übers Ziel hinaus."
Nicht jeder vollkommen aus der Luft gegriffenen und gänzlich den Tatsachen entbehrenden Behauptungen einer jeden, beliebigen Gruppierung sollte man Gehör schenken.
Dass im Falle dieser Gruppierung sogar bereits der Staatsschutz ermittelt, ist für mich äußerst begrüßenswert.
Wenn man derzeit sich etwas umschaut, sieht man schon eine Gratwanderung in Deutschland. Klar werden die Muslime nicht aktiv ausgegrenzt in den meisten Fällen, aber als normal gelten sie auch nicht. :-)
Das Problem ist leider, das wir eine globalisierte Welt haben. Die Aggressiven Strömungen des Islams haben ihren Ursprung ja auch nicht in Deutschland sondern im Mittleren und Nahen Osten. In den Krisengebieten dort, verursacht durch verschiedene Weltmächte, hat sich die Ablehnung der westlichen Lebensweise entwickelt. Einzelne Strömungen tragen diese nun in den Westen. Das ist ein Dilemma, was wir als Gesellschaft nicht ändern können ohne eine ganze Religion zu diskriminieren. Und das ist keine Lösung.
"Wie definieren sie den Begriff der Gefahr, im Kontext zum von Ihnen angegebenen §58a AufenthG?"
Der Begriff der "besonderen Gefahr" ist breit angelegt. Jemand, der mit einer terroristischen Vereinigung sympathisiert erfüllt die Voraussetzungen aus meiner Sicht. Und alle Salafisten.
"Aber was machen sie mit Menschen wie Linda oder Safia? Also radikalisierte Deutsche. Auch die gibt es und auch sie können als Gefährder eingestuft werden."
Lösen wir im ersten Schritt das vorliegende Problem.
Überlegen wir im zweiten Schritt, wie wir restriktiver einbürgern können.
Und dann können wir über das besondere Problem radikalisierter Deutscher sprechen.
Fragen Sie mal die Angehörigen des Todesopfers.
Man muss noch früher ansetzen, und nicht jeden ins Land lassen, wenn man solche Gefährder gar nicht erst hier herumlaufen hat, dann muss man sich auch nicht überlegen, ob man sie vorsorglich einsperrt oder lieber abwartet, ob sie vielleicht doch nicht amoklaufen.
Das vorliegende Problem ist doch gelöst, wenn ich ihren Argumenten folge. Sobald durch einen Ausländer die Gefahr einer Straftat besteht, wird er inhaftiert und dann ausgewiesen. Problematisch ist das halt bei spontanen Straftaten, wie jetzt in Hamburg. Aber das können wir nicht lösen ohne zu einen Willkürstaat zu werden.
Ich verstehe nicht was die Einbürgerung grade mit dieser Situation zu tun hat. Wonach möchten sie dort sortieren?
Leider ist das Problem in Deutschland eines der dringensten, denn deutsche Konvertiten haben ein hohes Gewaltpotential, wenn ich den letzten Verfassungsschutzbericht richtig im Kopf habe.
"Ich verstehe nicht was die Einbürgerung grade mit dieser Situation zu tun hat. Wonach möchten sie dort sortieren?"
Ich würde zum Beispiel keine Salafisten einbürgern. Und die Rechtsgrundlage ist auch vorhanden.
Der Begriff der Gefahr an für sich ist, um ehrlich zu sein, ziemlich präzise formuliert:
"Gefahr ist eine Sachlage, in der bei ungehindertem Ablauf des zu erwartenden Geschehens in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für eines der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung eintreten wird."
zu finden beispielsweise im Bremer (§ 2 Nr. 3a BremPolG) Polizeigesetz in ich glaube exakt dieser Wortwahl; identisch verwandt in eigtl allen anderen Bundesländern...
So beschrieben auch in jeder Fachlektüre zu diesem Thema; meines Wissens durch Richterrecht auch identisch definiert.
eine "besondere Gefahr" ist dabei gleichbedeutend mit "erhebliche Gefahr"; eine Steigerungsform der "normalen" Gefahr.
Gut, da kenne ich jetzt die Statistiken nicht und auch die Rechtslage nicht. Vom Gefühl her gebe ich ihnen dabei Recht, das es keine Einbürgerung geben sollte, wenn man die Lebensweise ablehnt.
"Solange ein Mensch keine Gefahr darstellt kann der Staat nichts machen."
Er könnte schon, die Frage ist nur wie viele Menschen bis zu einer Lösung noch sterben müssen.
Was könnte der Staat den machen?
Inwiefern "könnte er schon"?
ich bitte um Lieferung sowohl von Tatbestandvoraussetzungen als auch Angabe gesetzlicher Legitimationen..
"Der Begriff der Gefahr an für sich ist, um ehrlich zu sein, ziemlich präzise formuliert:"
Das ist aber nicht der Punkt beim §58a AufenthG. Anders als in PolG oder GefAbwG, wo eine Gefahr vorliegen muss, genügt beim §58a die Prognose einer (besonderen) Gefahr.
Das macht seine Wirksamkeit aus. Und da seine Verfassungsmäßigkeit vor kurzem bestätigt wurde, kann er diese Wirksamkeit nun endlich voll entfalten.
Es gibt keine homogenen Gesellschaften. Zumindest nicht auf nationaler Ebene.
doch, das ist tatsächlich relevant, hinsichtlich der Anwendung des AufenthG.
Die Gefahr muss begründet sein.
"das könnte theoretisch ja möglich sein...." reicht nicht, das Prinzip der Unschuldsvermutung ist Bestandteil unseres Rechtsstaates und schützt Unschuldige, die bislang keine Tat begangen haben.
Was Gefahr beinhaltet, ist ausreichend definiert, das haben Sie ja offenkundig zuvor gelesen.
Wie ich zuvor (Ihrerseits unbeantwortet) in #4.64 schrieb:
"Gemäß meines Kenntnisstandes waren die zur Ausreise/Abschiebung erforderlichen Dokumente bereits angefordert, wären demnächst eingetroffen.
Haben sie andere Erkenntnisse?"
die Frage wäre Ihrerseits noch offen...
der Begriff "homogene Gesellschaft" ist aus dem Kommentar, auf den ich mich mit meiner in #4.14 geschriebenen Antwort beziehe, entnommen.
"Die Gefahr muss begründet sein.
"das könnte theoretisch ja möglich sein...." reicht nicht, das Prinzip der Unschuldsvermutung ist Bestandteil unseres Rechtsstaates und schützt Unschuldige, die bislang keine Tat begangen haben."
Lesen Sie sich nochmal in die Thematik ein.
Der §58a AufenthG greift gerade bei Menschen, die noch keine Tat begangen haben, wenn Tatsachen die Prognose einer Gefährdung zulassen. Die Unschuldsvermutung gilt hier nicht.
Und nein, ich habe keine anderen Erkenntnisse zur Frage der Papiere. Aus meiner Sicht hätte er aber zum Tatzeitpunkt kein freier Mann mehr sein dürfen.
Ich nehme an, dass die Mehrheit der Bürger gerne auf diese Art von Aufregung verzichtet und Attentate auch nicht als kulturelle Bereicherung ansieht. Es ist im Übrigen zynisch und rassistisch solche als zwingende Begleiterscheinung einer Einwanderungsgesellschaft anzusehen.
In vielen Fällen der letzten Monate fällt mir auf, dass in der Presse die Täter als "polizeilich bekannt" bezeichnet wurden.
Da scheint mir ein Ursprung zu liegen - Personen sind aufgefallen, festgenommen, aber wieder freigelassen worden. Und das eben nicht nur ein Mal, sondern mehrfach. Aber eben mit Kleinvieh.
Hier liegt die Krux: Personen aus anderen Kulturkreisen machen mit unserer Polizei die Erfahrung, dass ihnen nichts passiert. Da auch keine Familie da ist, die reagieren könnte und Bußgelder nicht bezahlt werden können, hält man die Polizei für einen zahnlosen Tiger - man kann sich in Deutschland alles erlauben, es gibt keine Schranken. So zumindest muss sich das für junge Männer aus muslimisch geprägten Kulturkreisen anfühlen.
Der Staat müsste sich hier stärker an die Kulturkreise anpassen, aus denen die Migranten kommen, um einen Erziehungseffekt zu erzielen. So wird ein Tatverdächtiger eben nicht nach der Vernehmung einfach entlassen, sondern bleibt in U-Haft.
wir haben im §58a I AufenthG den Passus "eine auf Tatsachen gestützte Prognose"; Sie verbinden das mit dem gesetzlich nicht gefestigten Begriff des Gefährders - verstehe ich Sie da richtig?
Wo ist Ihrerseits die Unterscheidung auf dem exzessiv schmalen Grat im Bereich aller Gefährder zwischen "es ist bei Person A nicht (vollkommen) auszuschließen" und "Person B wird das ziemlich sicher vollziehen"?
wie gestaltet sich die sowohl rechtliche als auch tatsächliche Auslegung einer Prognose, worauf kann/darf/soll/muss diese gestützt sein?
Inwieweit zählen sämtliche Variationen des Ermessens zurecht hier mit hinein?
An solcher Stelle betreten wir den weit fortgeschrittenen Bereich des Gefahrenabwehrrechts (GAR), für den ich wahrlich kein explizit ausgeschriebener Fachmann bin (denen überlasse ich solche Entscheidungen aufgrund vorherig geschehener Spezialisierung im Alltag auch gerne...).
Sie etwa?
Nun, der gestrige Täter war nach Berichten zur Ausreise verpflichtet und ausreisewillig und sogar bei der Beschaffung der Papiere behilflich.
Er ist ohne Waffe aus dem Haus gegangen und hat Brot gekauft, war aus dem Laden schon draußen und ist dann wieder umgekehrt.
Was genau ihn dazu gebracht hat, auszurasten, wird die Polizei sicher noch untersuchen.
Ein geplanter islamistischer Anschlag sieht in meinen Augen anders aus. Und Vorstrafen, die auf eine terroristische Gefahr hindeuteten, hatte er auch nicht.
Diese junge Frau, Linda, da deutete auch nichts darauf hin, daß sie sich dem IS anschließen würde - jedenfalls gibt es dazu keine offiziellen Aussagen, die diese Entwicklung belegen könnten. (Ich weiß natürlich nicht, was die Ermittlungsbehörden internetmäßig vielleicht festgestellt haben).
Insofern ist es mehr als schwierig, vorher Aussagen darüber zu treffen, wie sich jemand entwickeln wird bzw. was für Taten er vielleicht begehen könnte.
Nein aber die gesellschaftlichen Reibungsflächen sind in einer homogenen Gesellschaft logischerweise deutlich geringer. Japan und Island sind z.B. kulturell sehr homogene Gesellschaften die mit die niedrigsten Kriminalitäts- und Gewaltraten aufweisen. Man kann vieles an zu homogenen Gesellschaften kritisieren aber eine gewisse Korrelation zwischen Homogenität und gesellschaftlichem Frieden/Kriminalität /Gewalt ist nicht zu leugnen.
Und was machen Sie dann mit den Deutschen, die zum Islam konvertieren und da besonders aggressive Strömungen unterstützen bzw. zum IS gehen? Wo bitte soll man denn da ansetzen, damit man das verhindern kann?
"Wo ist Ihrerseits die Unterscheidung auf dem exzessiv schmalen Grat im Bereich aller Gefährder zwischen "es ist bei Person A nicht (vollkommen) auszuschließen" und "Person B wird das ziemlich sicher vollziehen"?"
Das BVerfG hat entschieden, dass der § 58a hinreichend genau ist. Mehr brauche ich nicht.
Ich bin kein Experte für das Gefahrenabwehrrecht. Aber ich habe früher Verfassungsrecht unterrichtet.
Und ein scharfes Schwert, vom BVerfG als verfassungskonform bestätigt, das scheint mir ein ganz wichtiges Instrument zu sein.
Wo gehobelt wird, da fallen Späne.
Attentate gabs auch schon unter Biodeutschen, haben Sie das vergessen? Ich erinnere an den Anschlag aufs Oktoberfest, an die RAF und an den NSU.
"Ein geplanter islamistischer Anschlag sieht in meinen Augen anders aus. Und Vorstrafen, die auf eine terroristische Gefahr hindeuteten, hatte er auch nicht."
Richtig. Wobei die Vorstrafe ja kein Tatbestandsmerkmal für §58a AufenthG ist.
Ich sehe das ganz lakonisch so: wer sich in relativ kurzer Zeit einem starken Sinneswandel hin zu einer Form des Islam unterzieht, der ist gefährlich.
Und das sage ich schon seit zwei Jahren, als die umliegenden Flüchtlingsheime verstärkt von Salafisten besucht wurden.
Ich gehe davon aus, dass meine Ansicht früher oder später zum Mainstream wird, weil wir das Problem anderweitig nicht in den Griff bekommen.
Salafisten und ähnliche Gruppen haben ihr Aufenthaltsrecht aus meiner Sicht verwirkt. Ebenso jeder, der starke Anzeichen einer Radikalisierung zeigt.
"Ich sehe das ganz lakonisch so: wer sich in relativ kurzer Zeit einem starken Sinneswandel hin zu einer Form des Islam unterzieht, der ist gefährlich."
sollte heißen: "einer EXTREMEN Form des Islam"
"Rechtsstaat heisst bei denen was in Ungarn und Polen vorgelebt wird.. "
Nein. Rechtsstaat heißt bei denen, dass niemand, der aus Norwegen nach Deutschland einreisen möchte, dies aufgrund von persönlicher Verfolgung (oder einem anderen Asylgrund) tun kann. Sondern dass er an der Grenze zur EU abgewiesen wird.
Ich bin auch sehr dafür, daß in diesem Bereich genauer hingeschaut wird, allerdings ist das natürlich auch nicht hundertprozentig sicher.
Wenn jemand sich im stillen Kämmerlein radikalisiert, wird man da schwer etwas gegen machen können.
Und hundertprozentige Sicherheit gibt es nie - wir hatten vor ca. 2 Jahren einen Mord eines Jungen an seiner Schwester; er war internetsüchtig und sie hatte ihm das Internet abgestellt, woraufhin er ausrastete und sie tötete. Sowas kann man nicht voraussehen.
"Wenn jemand sich im stillen Kämmerlein radikalisiert, wird man da schwer etwas gegen machen können."
Ein anderer Flüchtling hat ihn der Polizei gemeldet.
http://www.n-tv.de/politik/B…
"Und hundertprozentige Sicherheit gibt es nie"
Das ist so richtig wie trivial.
Wir müssen die Maßnahmen, die uns zur Verfügung stehen, konsequent anwenden.
Und wir müssen das Kind mal beim Namen nennen. Hier ging es nicht um Internetsucht, hier geht es um eine Ideologie, die Ungläubigen ganz offen ans Leben will.
Sie behaupten, dass er ausreisen wollte. Warum hat er dann Ihrer Meinung nach dann die Tat begangen? Hier im Gefängnis zu sitzen, dürfte wohl ein größeres Ausreisehindernis darstellen. Im Übrigen frage ich mich wirklich, aus welchem Grund man so verzweifelt versucht, die Motivationslage dieses Killers zu eruieren.
Ich bin für langweilig. Ich habe Kinder, über deren Zukunft ich mich sorge.
§58a ist aber nur anwendbar, wenn es keine dauerhaften Abschiebehindernisse gibt. Und auch nur dann ist Abschiebehaft möglich.
Da ein Ausländer kein Grundrecht auf Aufenthalt hat, ist eine Abschiebung möglich, wenn es dafür sachliche Gründe (das müssen keine Straftaten sein) gibt.
Einer dauerhaften Haft stehen Grundrechte entgehen. Wenn Sie das unterrichtet haben, sollte Ihnen das eigentlich klar sein.
"Ich bin kein Experte für das Gefahrenabwehrrecht. Aber ich habe früher Verfassungsrecht unterrichtet."
Wir befinden uns leider hier in einem Umfeld, welches auf allseits nachvollziehbaren Nachweise einer jeweiligen Aussage fußt.
"ich habe einmal XY gemacht" ich ohne im Internet für jedermann einsehbare Nachweise natürlich dabei schwerlich als gewichtig anzuerkennen.
Ich persönlich habe jahrelange Erfahrungen in den Bereichen des Humanitären Völkerrechts, ds AVR als auch den Anfangsstufen des GAR.
Repetitiver Bezug auf immer wieder ein- und dasselbe Urteil des BVerfwG hilft dann zur Untermauerung eigener Thesen dabei vielleicht allerhöchstens sehr bedingt...
Aber man sollte ihn nicht extra zu sich einladen.
Schutz ist das, wozu wir den Staat brauchen. Wir brauchen keinen Staat, der uns nicht schützen kann. Flüchtlingsaufnahme ist keine Kernaufgabe eines Staates, Schutz der eigenen Bürger dagegen schon.
"Repetitiver Bezug auf immer wieder ein- und dasselbe Urteil des BVerfwG hilft dann zur Untermauerung eigener Thesen dabei vielleicht allerhöchstens sehr bedingt..."
Der neue Beschluss des BVerfG ist erst wenige Tage alt (24.7.). Ich bringe den hier mehrfach, weil er mehrfach ignoriert wird.
Sie und andere schreiben, dass die Voraussetzungen einer Inhaftierung abzuschiebender Ausländer unklar oder unbestimmt seien.
Das ist aber nicht der Fall. Die Verwaltung übt ihr Ermessen aus und legt unbestimmte Rechtsbegriffe aus, Gerichte können die Auslegung in vollem Umfang überprüfen, die Ermessensausübung eingeschränkt.
Im vorliegenden Fall hätte man m.E. nach Bekanntwerden der Radikalisierung die Abschiebung mit sofortiger Haft vorbereiten und bei Erhalt der Papiere vollenden müssen.
Dann wäre heute ein Mensch mehr am Leben...
ich schrieb an keiner Stelle, dass die Voraussetzungen unklar oder unbestimmt seien (sonst zeigen Sie mir gerne, wo ich das geschrieben haben soll), im Gegenteil:
Sie sind ganz klar definiert.
- es muss eine Gefahr vorliegen, deutlich ausgehend von der betreffenden Person.
- es muss eine auf Tatsachen gestützte Prognose vorliegen (aus §58 I AufenthG), dass diese Person Tat X begehen (kann und) wird. Da kommt dann das Ermessen der Behörde ins Spiel: Fußfessel, Haft, o.ä.?
- DANN kommt besagtes BVerfG-Urteil zum Tragen.
Das funktioniert nur in dieser Reihenfolge.
Im Nachhinein ist es selbstverständlich deutlich leichter zu sagen "das hätte man so machen müssen!"; aufgrund sämtlicher Einzelfallentscheidungen nun jedoch jeden einzelnen auch nur möglichen Gefährder aus dem Verkehr zu ziehen, wäre ja eine ziemlich deutliche Ermessensüberschreitung ;)
"ohne im Internet für jedermann einsehbare Nachweise natürlich dabei schwerlich als gewichtig anzuerkennen."
Deshalb habe ich das Thema auch gar nicht aufgebracht, sondern dies nur auf Ihre Rückfrage hin getan.
"§58a ist aber nur anwendbar, wenn es keine dauerhaften Abschiebehindernisse gibt"
Habe ich auch nicht behauptet.
" nun jedoch jeden einzelnen auch nur möglichen Gefährder aus dem Verkehr zu ziehen, wäre ja eine ziemlich deutliche Ermessensüberschreitung ;)"
Habe ich so auch nicht gefordert. Allerdings sollte nun viel extensiver vom 58a Gebrauch gemacht werden.
Und viel wichtiger ist die Frage, wie man überhaupt mit islamischer Radikalisierung umgeht. Das ist aber eine politische Frage und nicht so sehr eine juristische.
“Und viel wichtiger ist die Frage, wie man überhaupt mit islamischer Radikalisierung umgeht. Das ist aber eine politische Frage und nicht so sehr eine juristische.“
Das ist schon richtig. Nur wie? Da ist es viel einfacher nach neuen Gesetzen (CSU) oder der konsequenteren Anwendung der bestehenden (SPD und Sie) zu rufen.
Es ist immer dasselbe Ritual nach jedem schlimmen Vorkommnis. Nach einem (möglicherweise) islamistischen Anschlag müssen mehr sogenannte Gefährder weggesperrt werden, nach der Tat eines Rückfälligen muss häufiger Sicherungsverwahrung angeordnet werden, nach dem Ausrasten eines (vermutlich) psychisch Kranken wird nach mehr Zwangseinweisungen gerufen.
Dabei geht schnell vergessen, dass es sich in all diesen Fällen von präventivem Freiheitsentzug um rechtsstaatlich heikle Maßnahmen handelt, die möglicherweise zwar nötig und vertretbar sind, aber möglichst gut definierten Regeln und Kontrollen unterliegen müssen. Sonst haben wir hier irgendwann Verhältnisse wie in Staaten, wo regelmäßig die notorischen „üblichen Verdächtigen“ verhaftet werden. Das kann bei aller Besorgnis um die Sicherheit niemand wollen.
Der Staat hat alles rechtlich mögliche getan in diesem Fall. Eine kurzfristige Radikalisierung ist nun mal kein Strafbestand solange keine Straftaten vorbereitet werden. Denn erst einmal ist Extremismus eine Geisteshaltung. Natürlich muss die Polizei bei so etwas genau hinsehen, aber eine anlasslose Haft gibt es zum Glück nicht.
wie ich zuvor schrieb, gibt es da dreierlei Voraussetzungen:
1) Gefahr muss bestehen
2) auf Tatsachen gestützte Prognose (§58a AufenthG)
3) DANN die Durchführung respektive Würdigung des BVerfG-Urteils
Nur dann und nur so, in dieser Reihenfolge.
Sie haben doch Ihrer eigenen Aussage nach Erfahrungen im Verfassungsrecht.....weshalb muss dann über solche Kleinigkeiten diskutiert werden? :D
Und von wem diese Art von Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht, dessen Recht auf Asyl oder dauerhaften Aufenthalt in der Bundesrepublik kann nicht über dem Recht der deutschen Gesellschaft stehen, vor solchen Gefahren geschützt zu werden. Denn wer angibt, vor Verfolgung oder Krieg geflohen zu sein, aber selbst zur Gefahrenquelle wird, hat sein Recht auf Asyl definitiv verwirkt.
Nein Rechtsstaat heißt ohne Papiere eine Einreise.