Wenn Angela Merkel nach Sachsen kommt, ist klar: Es wird nicht nur ein lauschiger Sommertag. Das weiß auch die Kanzlerin. Oder wie sie es sagt: "Ich bin sehr gern hergekommen, auch wenn mir schon klar war, dass es hier auch kontroverse Punkte gibt." Entsprechend formulieren ihre Gastgeber der sächsischen CDU ihre Erwartungen. "Uns war wichtig, dass wir gemeinsam ins Gespräch kommen, um Ihnen die besondere Situation in Sachsen und die besonderen Befindlichkeiten, die die Menschen in Sachsen haben, auch mal näherzubringen", entgegnet Frank Kupfer, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Ein Tag also, um einander zuzuhören.
Besuche von Angela Merkel in Sachsen gelten als heikel. Auf mehreren Ebenen. Da sind zum einen die Proteste, die sich zuverlässig und lautstark formieren, sobald die Kanzlerin erscheint. Mit solch rohen Tönen hat das Verhältnis mit der sächsischen Politik nichts zu tun. Und dennoch gilt auch das mitunter als angespannt. In Sachsen wird 2019 ein neuer Landtag gewählt und die einst übermächtige CDU steht unter Druck von ganz rechts: Bei der Bundestagswahl wurde die AfD stärkste Kraft, in der jüngsten Umfrage liegt sie auch auf Landesebene nur ein paar Prozentpunkte hinter der CDU. Die Angst, die Rechtspopulisten könnten 2019 die Wahl gewinnen, bestimmt die Gefühlslage im Land. Wohl auch deshalb ist die sächsische CDU in öffentlichen Debatten eher an der Seite der CSU zu finden als an der der Kanzlerin.
Merkels Besuchstag sieht trotzdem nach freundlicher Zugewandtheit aus. Die Kanzlerin sei stets willkommen, sagt der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer. Man ist sichtlich stolz darauf, sie herumführen zu dürfen.
Der erste Termin ist eine Visite im kleinen Ort Neukirch in der Oberlausitz. Beim Werkzeugmaschinenhersteller Trumpf, mit über 450 Mitarbeitern einer der größten regionalen Arbeitgeber, nicht in einer Großstadt, sondern in der Provinz, die als politisch schwierig gilt. Allerdings lebt jeder zweite Sachse auf dem Land, und so hat sich Kretschmer, seit etwas mehr als einem halben Jahr im Amt, der Provinz besonders verschrieben – gerade mit Blick auf die Landtagswahl im kommenden Jahr. Am Mittwoch hatte Kretschmer seine Strategie für den ländlichen Raum vorgestellt. In einer dicken Hochglanzbroschüre ist seine Agenda zusammengefasst. Einige Neuerungen seiner Amtszeit stecken darin – 1.000 neue Polizisten, höhere Finanzhilfen für Kommunen, mehr Investitionen für den Breitbandausbau – und viele andere, teils schon länger geplante Projekte und Förderungen, die er weiterführen will. Seine Kampagne ist ein Ausrufezeichen: Seht her, wir haben die Provinz im Blick!
Merkel bremst beim Braunkohleausstieg
Die Kanzlerin reagiert merkelhaft verständnisvoll. "Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land ist hier in Sachsen ein zentrales Thema, das ist mir heute noch einmal klargeworden." Das wird der Ministerpräsident gerne hören. Denn nicht alle Themen kann Kretschmer allein umsetzen, er braucht die Unterstützung vom Bund, die Lobby der Kanzlerin. Etwa bei Entscheidungen in der Energiepolitik, die in Sachsen die riesigen Braunkohlegebiete in der Lausitz und den anstehenden Strukturwandel dieser Region betreffen. Merkel stellt sich bei ihrem Besuch entsprechend gegen einen schnellen Ausstieg aus der Kohle: "Erst Zukunftschancen, dann die Frage, wann wird ausgestiegen aus der Braunkohle." Es geht weiter bei Problemen im Gesundheitswesen, ein Thema, das in ländlichen, demografisch besonders ausgedünnten Gebieten eine immer größere Rolle spielt. Weiter unten im Katalog: Wölfe. Die leben hier in immer größeren Rudeln, als ständige Streitobjekte zwischen Bauern, Umweltschützern und Politikern. Sie kenne das Thema aus ihrer Heimat Mecklenburg-Vorpommern, sagt Merkel, und ringt sich zu einem bemerkenswerten Zugeständnis durch. "Wir müssen schauen, dass die Jagdbarkeit des Wolfs, da wo sie notwendig ist, realisiert werden kann."
Dass der Ministerpräsident mit Angela Merkel ausgerechnet durch die Oberlausitz reist, darin kann man ein Zeichen für zweierlei sehen: Kretschmer selbst stammt von hier, es ist seine Heimat, die er liebt. Und zugleich eine Region, in der die AfD besonders stark ist. In der auch er als CDU-Kandidat gescheitert ist. Bei der Bundestagswahl verlor Kretschmer sein Direktmandat in Görlitz überraschend gegen einen AfD-Kontrahenten. Lange wurde spekuliert, wie er mit dieser Niederlage bei der Landtagswahl 2019 umgehen wird. Theoretisch müsste Kretschmer sich nicht noch einmal stellen. Gerade verkündete er jedoch, dass er genau das vorhat. In welchem Wahlkreis im Landkreis Görlitz er antreten wird, steht noch nicht fest. Aber klar ist: Es gibt ein Rückspiel auf dem Land. Er kämpft, auch gegen die AfD. Und in diesem Kampf braucht er die Unterstützung aus Berlin.
Kommentare
Das Liebesbekenntnis dürfte - spätestens nach dem Flirt ihrer Gefolgsleute mit der SED-Nachfolgepartei „Die Linke“, der die Wahlchancen der CDU in Sachsen regelrecht sabotiert, nicht auf Gegenseitigkeit beruhen. Manchmal sieht das wie Vorsatz aus.
Entfernt. Bitte verzichten Sie auf überzogene Polemik. Danke, die Redaktion/mf
„Ich liebe euch doch alle“ Zitat Mielke in der ddr Volkskammer. Auf viel Gegenliebe stieß er dabei nicht. Geht es Frau Merkel in Sachsen genauso?
Mielke hat niemals "Ich liebe euch doch alle" gesagt.
Die CDU in Sachsen hat ein nahezu unlösbares Problem vor der Landtagswahl: Das ist die CDU-Vorsitzende und amtierende Bundeskanzlerin ...
Auch wenn Kretschmer seit seinem Amtsantritt Boden gut gemacht hat, wird die AfD vermutlich um die 25 % Wählerstimmen bekommen.
Merkel hat indessen gestern versprochen, "die Jagdbarkeit des Wolfes" zu prüfen.
Doch so gewinnt man in Sachsen keine Wahlen, - der Schuh drückt dort an anderen Stellen.
Hatte sie nicht auch versprochen, Abschiebungen zu einer "nationalen Kraftanstrengung" machen zu wollen ...?!
Und hat sie dieses Versprechen gehalten?
Entfernt. Bitte formulieren Sie Kritik sachlich und differenziert. Danke, die Redaktion/ts
Die Mehrzahl der Sachsen hat seit der Wende CDU gewählt. Die CDU ist seit diesem Zeitpunkt ununterbrochen an der Macht.
Wenn sich die Sachsen jetzt von dieser Partei abwenden sollten, hat es die CDU ganz allein verbockt, das hat weder mit den Linken, noch mit der AFD zu tun.
Bei der Radikalisierung die man in Sachsen beobachten kann und den völligen Mangel an Gegenwehr in Bezug auf Rechtsradikale...liefern Sie nur ein weiteres Beispiel rechter Rhetorik aus Sachsen.
Nämlich: Die anderen sind schuld.