Die Grünen haben im Oktober erstmals in ihrer Parteigeschichte die Marke von 70.000 Mitgliedern überschritten. Das erfuhr ZEIT ONLINE am Donnerstag aus der Bundesgeschäftsstelle in Berlin. "Wir sind so viele wie noch nie, die für Klimaschutz, eine offene
Gesellschaft und gegen Ungleichheit eintreten", sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Angesichts der großen politischen Herausforderungen seien die Grünen allerdings immer noch viel zu wenige, sagte Kellner.
Seit Anfang 2018 bis etwa heute sei die Zahl der Mitglieder um circa 5.000 gestiegen. 2017 stieg die Zahl der Grünen insgesamt dagegen nur um etwa 3.500 Mitglieder. "Das ist ein großer Erfolg – gerade außerhalb von Bundestagswahlkämpfen", sagte Kellner. Den Grund sieht er auch in der Neuaufstellung der Partei zu Jahresbeginn. "Uns ist Anfang des Jahres ein gut gelaunter Aufbruch gelungen, der uns zu neuer Stärke verholfen und mehr Gehör verschafft hat", sagte er. Im Januar hatten Robert Habeck und Annalena Baerbock die bisherigen Parteivorsitzenden Cem Özdemir und Simone Peter abgelöst.
Es gebe Zuwachs in allen Landesverbänden. Überdurchschnittlich stark wachse die Partei im Osten, beispielsweise in Brandenburg und Sachsen. Dort lägen die Zuwächse im zweistelligen Prozentbereich, hieß es aus der Parteizentrale. In beiden Bundesländern wird im kommenden Jahr ein neuer Landtag gewählt. In beiden Ländern waren die Grünen bisher eher schwach.
In der Bundespartei sei auch der Frauenanteil leicht gestiegen, teilte der Bundesgeschäftsführer mit. Genaue Zahlen dazu werden allerdings erst zum Jahresende veröffentlicht. Derzeit liegt der Anteil der Frauen bei den Grünen bei 39 Prozent.
Prominente Ex-Piratin unter den Neuen
Unter den Neuzugängen ist mit Marina Weisband auch eine prominente ehemalige Piratin. Weisband war von 2011 bis 2012 politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschlands, die sie 2015 verließ, weil sie ihr zu konservativ geworden war. "Ich kann nicht tatenlos zusehen. Ich möchte die Politik in Deutschland mitgestalten und in dieser Partei finde ich die meisten Gleichgesinnten", sagte sie nun über die Grünen.
Das Mitgliederwachstum war bei den Grünen in der Vergangenheit immer wieder Schwankungen ausgesetzt. So ging die Zahl in den Jahren der grünen Regierungsbeteiligung im Bund deutlich zurück. Seit 2007 stieg sie wieder an. 1993, dem Jahr, in dem sich die westdeutschen Grünen mit der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung Bündnis 90 zusammenschlossen, hatte die Partei knapp 40.000 Mitglieder.
Verglichen mit SPD und CDU sind die Grünen immer noch eine kleine Partei. Die SPD hatte Ende vergangenen Jahres 443.000 Mitglieder, die CDU 427.173. Selbst die nur in Bayern antretende CSU ist mit 141.000 Mitgliedern (Stand Ende 2017) noch doppelt so groß wie die Grünen. Linke und FDP hatten Ende 2017 rund 62.000 beziehungsweise 63.000 Mitglieder. Deutlich dahinter liegt die AfD mit 29.000 Mitgliedern. Auffällig an der Entwicklung des vergangenen Jahres war, dass alle Parteien mit Ausnahme der Unionsparteien ihre Mitgliederzahlen steigern konnten.
Hinweis: Wir haben im zweiten Absatz die Entwicklung der Mitgliederzahl präzisiert. Es handelt sich um Saldo-Veränderungen, also Differenzen zwischen Zu- und Abgängen. (mbr)
Kommentare
Die Groko ist ja auch beste Mitglieder Werbung für die Grünen.
Erstaunlich.
Ein Zeichen der Hoffnung für die Demokratie.
Schade, dass die SPD seit einiger Zeit kontinuirlich enttäuscht.
Naja, vielleicht wird sie ja von einer grünen Partei abgelöst, die aus deren Fehlern lernt.
Was soll man denn wählen?
CDU etwa?
SPD etwa?
FDP etwa?
Erst recht doch wohl nicht die AfD !!
Das ist ein großes Dilemma derzeit. Man entscheidet sich bei der Wahl nicht FÜR die bevorzugte Partei, sondern GEGEN die am wenigsten sympathischen Parteien. Das ist ein echtes Demokratiedefizit
Sie können Die Partei wählen oder Piraten, die haben jede Stimme nötig.
Und das scheint lagerübergreifend so zu sein.
Was ist mit der Linken?
"Das ist ein großes Dilemma derzeit. Man entscheidet sich bei der Wahl nicht FÜR die bevorzugte Partei, sondern GEGEN ..."
Vielleicht ja hilfreich, sich mit Parteiprogrammen auseinander zusetzen? Sollte, wenn man wählen will, ja Bürgerpflicht sein.
Protest- oder Ausheulwähler zu sein, wie bei den Afdler Fanclub, ist auf Dauer auch nicht spassig, oder?
Na, in einem Land, wo es vorrangig um Selbstdarstellung geht statt um Stellungnahmen, könnte der Ottonormalmichel, besonders der mit Wertevorstellungen, zur Abwechslung mal froh sein, das er in der Politik eine Zukunftsvariante vorgelegt bekommt, statt den weinerlichen Dauerrückblick.
Die Grünen erfüllen ihre Aufgaben besonders gut in dem Moment, wo die Gesellschaft rückwärts in Koma fallen will.
Glückwunsch für die 70000.
@postloewen
"Vielleicht ja hilfreich, sich mit Parteiprogrammen auseinander zusetzen? Sollte, wenn man wählen will, ja Bürgerpflicht sein."
Hilft leider auch nicht mehr. Ich als alter CDUler tendiere laut Parteiprogramm zur CDU und tatsächlich auch zur AFD. Aber Parteien mit Merkel, AKK & Co und Höcke & Co halten mich trotz Übereinstimmung mit dem Parteiprogramm von diesen Parteien ab. Man darf eben nicht nur nach Parteiprogramm wählen. Es ist auch wichtig, wer dieses Programm umsetzt. Heute wichtiger, denn je.
Wen Sie die AfD nicht wählen wollen, ist es doch egal, was Sie wählen. Alle aufgezählten Parteien machen doch eine identische Politik. CDUCSUFDPSPDGrüne sozusagen.