SPD-Chefin Andrea Nahles hat ihre Vorstellungen für eine Ablösung des Hartz-IV-Systems konkretisiert. "Die neue Grundsicherung muss ein Bürgergeld sein", schreibt sie in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die Leistungen müssten klar und auskömmlich sein, Sanktionen müssten weitgehend entfallen. Das stärke den sozialen Zusammenhalt im Land.
Nahles hatte vor einer Woche bei einem Debattencamp ihrer Partei eine "Sozialstaatsreform 2025" angekündigt und betont: "Wir werden Hartz IV hinter uns lassen." Sie fordert, dass mit höheren Mindestlöhnen, Zuschüssen zu Sozialabgaben und Steuerboni viel weniger Menschen als heute auf Grundsicherung angewiesen sein sollen – es sei immer günstiger, Arbeit anstatt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.
Vor allem die Zahl von zwei Millionen Kindern, die in Hartz-IV-Haushalten leben, müsse verringert werden. "Diese Erfahrung, ein 'Hartz-IV-Kind' zu sein, prägt fürs Leben. Wir brauchen daher eine eigenständige Kindergrundsicherung, die Kinder aus der Sozialhilfe holt und Teilhabe schafft", schreibt Nahles. Ein besseres Wohngeld könne zudem verhindern, "dass Menschen angesichts explodierender Mieten in die Grundsicherung getrieben werden". Derzeit beträgt der Hartz-IV-Satz 416 Euro pro Monat.
Altmaier kritisiert Vorstoß
Nahles will weniger Bürokratie und Härte. "Zum Symbol für das Misstrauen des Staates gegenüber den Grundsicherungsbeziehern sind die Sanktionen geworden", kritisierte sie mit Blick auf das in der SPD-Kanzlerschaft von Gerhard Schröder eingeführte System mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. "Sie wirken, als würde den Leistungsbeziehern von vornherein unterstellt, betrügen zu wollen."
Konkrete finanzielle Ideen unterbreitet Nahles nicht. Grünen-Chef Robert Habeck hatte vor wenigen Tagen dagegen ein Konzept für eine 30 Milliarden Euro kostende "Garantiesicherung" mit einer Bündelung von Leistungen vorgestellt, ohne den Zwang, Arbeit aufnehmen zu müssen.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier wies die Forderungen von SPD und Grünen nach einer Hartz-IV-Abschaffung zurück. "Wir dürfen und werden Hartz IV nicht abschaffen", sagte der CDU-Politiker der Zeitung Die Welt. "Solche Vorschläge sind hochgefährlich und schaden der Zukunft unseres Landes." Die Hartz-IV-Reform von Gerhard Schröder sei richtig gewesen und habe wesentlich geholfen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. "Die SPD steht auch deshalb so schlecht da, weil sie sich immer wieder gegen besseres Wissen von ihrem eigenen Handeln, wie Agenda 2010 und Hartz IV, distanziert."
Kommentare
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Andrea verspricht den (potentiellen) Wählern also nun das Blaue vom Himmel, mag es noch so unrealistisch sein.
Nun gut, gibt sicher genügend, die das abkaufen.
"...es sei immer günstiger, Arbeit anstatt Arbeitslosigkeit zu finanzieren."
Soll Sie versprechen, ist modern.
Aber an der Stelle des Zitats liegt Sie total falsch. Es ist keineswegs IMMER günstiger: Einen Kohlarbeitsplatz zB zu "finanzieren", ist verschwendetes Geld, da solche Job keine Zukunft hat in DE.
In diesen Fällen (und vielen weiteren) ist es sogar günstiger, die Menschen zu Hause und/oder in Weiterbildung zu finanzieren!
Also dass der Herr Altmeier Hartz 4 verteiligt ist keine Nachricht wert, eigentlich. Altmeier und Kollegen sind sich sicher, dass schon viel passieren muesste damit jemand aus ihrem signfikanten sozialen Umfeld in eine Hartz 4 Situation kommen koennte. Und selbst wenn, wuerde das nicht unbedingt bedeuten, dass sie denselben Zwangsmechanismen unterworfen waeren. Was will ich damit sagen? Dass Gesetze die de fakto nur fuer Andere gelten und von denen gemacht werden, die zuRecht davon ausgehen duerfen, dass sie von den Auswirkungen dieser Gesetze nie beruehrt werden, in der Regel schlechte Gesetze sind, weil sie dem Gleichheitsgrundsatz des Rechts zuwiderlaufen. Um so mehr, als es Scharfmachern erlaubt gefahrlos und unter dem Deckmantel des Gesetzes bestimme Gruppen als potentielle 'Sozialbetrueger' zu stigmatisieren. Wie gefaehrlich das ist zeigt sich daran, dass waehrend Hartz 4 Bezieher unter einer Art Generalverdacht stehen, was wiederum bei systemtischen Steuerhinterziehern und Steuerhinterzieherfirmen nicht der Fall ist, wo eine Amnestie die andere jagt. Kein Wunder wenn man beruecksichtigt, dass ein Politiker aus einem renommierten "Steuerhinterziehungsland' EU Kommissionschef wurde. Was die SPD jetzt an Debaten starten moechte ueber die 'Reform der Reform des Sozialstaats, ist wichtig, kommt aber wohl Jahrzehnte zu spaet, und leidet am Glaubwuerdigkeits-verlust den die Partei seit Schroeder mit sich herumtraegt.
@ ParisMatch
Ich würde dem punktuell widersprechen. Die Angst "abzusteigen" ist heute deutlich ausgeprägter als noch vor der Agenda 2010. Das betrifft durchaus auch CDU & FDP Wähler.
Ansonsten...Besser zu spät als nie ;).
MfG
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Nicht jeder, nein.