Das Sozialstaatskonzept der SPD ist vom Koalitionspartner und der FDP kritisch aufgenommen worden. CDU-Vize Thomas Strobl mahnte in der Rhein-Neckar-Zeitung, es
gelte der Koalitionsvertrag. "Da ist wenig Platz für einen
gruppentherapeutischen Linksruck der SPD", sagte der Innenminister von
Baden-Württemberg.
Kritik kam auch von der FDP. "Anstatt neue milliardenschwere Wahlkampfgeschenke mit dem Gartenschlauch zu verteilen, sollte die SPD darüber nachdenken, wie wir zielgenauer gegen Altersarmut vorgehen können", sagte Parteichef Christian Lindner dem Handelsblatt. Insbesondere die Vorschläge zur Grundrente seien unfair: "Weil sie ignorieren, ob Menschen gearbeitet und selbst vorgesorgt haben oder nicht."
Am Sonntag hatte der SPD-Parteivorstand auf seiner Klausurtagung in Berlin einstimmig das von Parteichefin Andrea Nahles vorgelegte Konzept für eine Reform des Sozialstaats beschlossen. Dieses sieht unter anderem vor, Hartz IV durch ein neues Bürgergeld zu ersetzen – mit weniger Sanktionen und höheren Leistungen für ältere Arbeitslose. Wer lange eingezahlt hat, soll bis zu drei Jahre Arbeitslosengeld bekommen, statt heute nach 12 oder 24 Monaten in die Sozialhilfe zu fallen. Geplant ist unter anderem auch eine höhere Geringverdiener-Rente für Bürger, die 35 Jahre lang Beiträge gezahlt haben. Die Union fordert dabei allerdings eine Bedürftigkeitsprüfung, die von der SPD abgelehnt wird.
CDU-Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann erinnerte an die lange Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten. "Die SPD hat in den letzten 20 Jahren 16 Jahre mitregiert und viel Sozialpolitik durchgesetzt", sagte Linnemann ebenfalls dem Handelsblatt. Wenn sie jetzt den Eindruck vermittle, dass der deutsche Sozialstaat an allen Ecken und Enden nicht funktioniere, "macht sie sich kleiner, als sie ist". Dann brauche sich die SPD "über fehlende Zustimmungswerte nicht wundern". Bereits am Wochenende hatte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, wie Strobl CDU-Vize, der SPD vorgeworfen, sie wolle die "soziale Marktwirtschaft beerdigen".
"Suchen keinen Ärger mit der Union"
Gegen diese Kritik stellten sich mehrere SPD-Politiker. "Das ist sicher Quatsch", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Mit dem neuen Reformkonzept würden weder die soziale Marktwirtschaft noch andere Errungenschaften infrage gestellt. "Es ist eine sinnvolle Fortentwicklung." SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte der Augsburger Allgemeinen, es sei richtig, den Sozialstaat in diesen veränderten Zeiten neu aufzustellen. CDU und CSU warf er inhaltliche Leere vor: "Außer Steuersenkungen für Superreiche habe ich keine programmatischen Vorschläge gehört in den letzten Wochen."
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, Carsten Schneider, verneinte, dass seine Partei mit den Sozialstaatskonzept vor allem die Konfrontation mit dem Koalitionspartner suche. "Wir zeigen, dass es fundamentale Unterschiede zwischen uns und der Union gibt, aber das Konzept geht über die Arbeit in der Koalition hinaus", sagte er der Welt. "Die SPD markiert ihre inhaltliche Grundausrichtung für die nächsten fünf bis zehn Jahre."
Die Linke reagierte dagegen positiv. Parteichef Bernd Riexinger nannte die Vorschläge begrüßenswert, mahnte die SPD aber, nun konkreter zu werden. Um den "freien Fall" in den Umfragen aufzuhalten – "bevor sie einstellig wird" – müsse die SPD-Spitze "durchblicken lassen, wie sie das alles umsetzen will", sagte er den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung. Mit der Union gehe das sicher nicht.
Kommentare
"CDU-Vize Thomas Strobl mahnte in der Rhein-Neckar-Zeitung, es gelte der Koalitionsvertrag"
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Genau Herr Strobl, dann lesen Sie den doch mal; 2 Jahre sind (endlich) fast um.
Ja endlich die Möglichkeit für Neuwahlen. Die SPD wird zur absoluten Lachnummer, hinter oder gleichauf der AFD, pulverisiert. Die CDU holt sich die Grünen und wenn nötig eine dann geläuterte FDP mit in die Regierung und sichert sich die politische Macht auf Jahrzehnte. Vorbild sollten die östlichen Bundesländer sein, in denen die SPD sowieso schon mausetot ist. Dann kann endlich auch der ganze sozialistische Klamauck, den die SPD in den letzten Tagen verzapft, hat in die Ablage M.
Wenn die SPD jetzt ihre Karten richtig ausspielt, dann könnte sie sich tatsächlich noch retten vor dem Untergang.
Bei der Union zeichnet ja gerade ab, was uns nach der Ära Merkel erwartet, nämlich der Rückfall in marktliberale Industriepolitik-Anachronismen vergangener Zeiten.
Das kann ja nun niemand bei Verstand ernsthaft wollen, das wäre jetzt die Chance für die SPD, dem Wähler ein Gegenangebot zu machen.
Womit ein Problem aber noch nicht gelöst wäre: Es gibt in der ersten Reihe der SPD keinen einzigen Funktionär, der wirklich Führungsqualitäten hat und die Leute begeistern kann.
Ein Grund mehr, CDU und FDP zu wählen ...
Nette Idee der SPD, Wohltaten für einen Teil der Gesellschaft, zahlen dürfen alle, vielleicht fällt ja die eine oder andere Wählerstimme dabei ab.
Was hätten wie da sonst noch, Rechtsanspruch für Home-Office (für Handwerker?), Mindestrente für alle, egal, was sie eingezahlt haben? vielleicht noch ein BGE?
Es erinnerst etwas an die kostenlosen Kitaplätze in Berlin - hört sich schön sozial an, aber zahlen dürfen ... andere.
".... Wohltaten für einen Teil der Gesellschaft..."
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Die Aussage für sich ist völlig richtig, Ihr diskreditierender Kontext hingegen Blödsinn.
Wenn eine Gesellschaft - für alle ihre Teile, sowohl am unteren als auch am oberen Ende - funktioniert und der Zusammenhalt wird dadurch gestärkt, ist das in der Tat nicht mehr und nicht weniger als eine Wohltat!
"Geplant ist unter anderem auch eine höhere Geringverdiener-Rente für Bürger, die 35 Jahre lang Beiträge gezahlt haben."
Und was ist, wenn man nur 34 Jahre gearbeitet hat? Kann man die Pläne irgendwo im Detail nachlesen? Wäre eine lineare Berücksichtigung der Zuschläge nach Arbeitsjahren nicht fairer? Ansonsten finde ich es gut, dass gerade Geringverdiener besser unterstützt werden sollen!
Eine Erhöhung des Mindestlohns fände ich jedoch noch besser, da hätten Geringverdiener schon vor der Rente etwas davon und auch die Beitragsjahre würden für due Rente berücksichtigt werden!
Ja, der Mindestlohn gehört entschieden erhöht.
Und dann hören wir das Heulen und Zetern der geschundenen Wirtschaftverbände, denen eine Subvention wegzunehmen ist sehr schwierig.
Nach 35 Jahren Arbeit nur so wenig Rente zu bekommen, sollte nicht durch andere Arbeitnehmer aufgefangen werden, sondern durch die Arbeitgeber, die vorher 35 Jahre lang so beschissene Löhne bezahlt haben.
"Und dann hören wir das Heulen und Zetern der geschundenen Wirtschaftverbände, denen eine Subvention wegzunehmen ist sehr schwierig."
Wenn ich Kanzler wär, dann wäre das nicht sehr schwer. Aber mir geht das Gelaber von Lobbyisten auch am Allerwertesten vorbei.
Wenn es nur das Gelaber der Lobbyisten wäre, es sind dann doch eher die Verlockungen eines bequemen Aufsichtsratpöstchens oder die Erlaubnis für hunderttausende Euro Aufwandsentschädigung Vorträge vor Banker und Versicherungsmanagern halten zu dürfen, natürlich erst nach Beendigung der Politikkariere.
Das ist alles natürlich keine Bestechung oder Korruption, das ist Politische Landschaftspflege. Was ich damit sagen möchte ist, wäre schön wenn es nur Lobbyisten Gelaber wäre :(
Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro steht im SPD-Papier, wird aber in dem Artikel nicht erwähnt.
Das Lineare ist absolut sinnvoll. Auch über 100% hinweg, wenn man mehr arbeitet. Da wir immer älter werden, wird das vielleicht indirekt auch ein Anreiz für diejenigen, die fit sind und länger arbeiten möchten, vielleicht dann auch in Alters-Teilzeit.
Sie haben das Problem von Heils unausgegorenem Vorschlag in der Tat erkannt.
Die bessere Lösung hat Herr Diekmann im SPIEGEL bereits skizziert (ein paar Tage, nachdem ich sie hier im Forum schon mal erwähnt hatte... ^_^ hüstel), nämlich: Bei der Grundsicherung im Alter, auf die viele Rentner mit zu geringen Renten angewiesen sein werden, wird die gesetzliche Rente nicht mehr voll abgezogen, sondern analog zur Riester-Rente nur anteilig mit einem Freibetrag von 100 Euro.
So hat jeder arme Rentner, der irgend welche Rentenansprüche hat, mehr auf dem Konto; es geht gerecht zu, weil sich die zusätzlichen Einkommen nach dem Gesamtrentenanspruch richten; es wird den Ärmsten geholfen; und die Kosten laufen nicht aus dem Ruder.
Aber Herr Heil faselt dann, dass eine Bedürftigkeitsprüfung (die bei diesem System erhalten bliebe) "würdelos" sei und sagt lieber "Was, nur 34 Jahre und 11 Monate gearbeitet? Dann schauen Sie mal würdevoll in die Röhre, haha!"
Das primäre Problem der SPD ist nicht mal mehr, dass sie ihre soziale Seele eingebüßt hat, sondern dass ihre Führungsriege nur noch aus unfähigen Pfuschern besteht.
"...Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro steht im SPD-Papier, .."
Man kann nur froh sein, dass die Parteien den Mindeslohn nicht festlegen können, sondern dass dies eine Kommission macht. Sonst würden sich Linke und SPD vor jeder Wahl mit Ankündigungen zu Erhöhung übertreffen.
"Das primäre Problem der SPD ist nicht mal mehr, dass sie ihre soziale Seele eingebüßt hat, sondern dass ihre Führungsriege nur noch aus unfähigen Pfuschern besteht."
Leider wahr. Abnehmende Professionalität erscheint mir allerdings ein generelles Problem bei den Parteien zu sein. Entweder hat man keine echten Spezialisten mehr oder aber es wird Ihnen nicht zugehört, bzw. die werden gar nicht erst gefragt. Es werden Programme unter Zeitdruck zusammengepfuscht und das bei Problemen die wahrlich nicht erst seit Gestern bekannt sind. Es wird nur reagiert statt regiert. Für letzteres braucht man Weisheit und Weitsicht, für ersteres nur einen starken Kaffee.
ruhig brauner... kannst ja deine Aktien verkaufen und privat vor Rentenantritt nachzahlen... und schwupps bist du dabei...
??