Katharina Schulze, 34, ist seit 2017 eine von zwei Fraktionsvorsitzenden der Grünen im bayerischen Landtag. Bei der bayerischen Landtagswahl im vergangenen Herbst, bei der die Grünen ein Rekordergebnis erzielten, war sie Spitzenkandidatin.
ZEIT ONLINE: Frau Schulze, derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem der bayerische Ministerpräsident Markus Söder nicht mit einer neuen Ökoidee um die Ecke kommt. Jetzt will er Plastiktüten verbieten. Wie gefällt Ihnen der ergrünte Söder?
Katharina Schulze: Die Bekämpfung der Klimakrise ist eine generationsübergreifende Aufgabe, eine riesige Herausforderung, die wir alle gemeinsam zu bewältigen haben. Da hilft jeder kleine Baustein. Deswegen freue ich mich über alle, die ernsthaft an dem Thema mitarbeiten. Es ist schön, dass Markus Söder zumindest gedanklich und verbal jetzt den Pfad der Erkenntnis beschritten hat, nun kommt es auf die konkrete Umsetzung an. Daran werden wir ihn messen. Markus Söder ist gut im Verkaufen, jetzt muss er zeigen, ob er auch gut im Machen ist.
ZEIT ONLINE: Gestern noch Vorkämpfer für eine harte Flüchtlingspolitik, heute oberster Klimaschützer: Halten Sie seinen Politikwechsel für glaubwürdig?
Schulze: Söder ergrünt, ohne rot zu werden. Aber gerade weil mir die Bekämpfung der Klimakrise so wichtig ist, werde ich sehr genau hinsehen, was er tatsächlich für den Klimaschutz tut.
ZEIT ONLINE: Reden wir über die einzelnen Maßnahmen. Gegen ein Verbot von Plastiktüten, die Aufforstung von Wäldern oder niedrigere Steuersätze fürs Bahnfahren können die Grünen doch nichts haben, oder?
Schulze: Es ist viel Sinnvolles dabei, auch viel Klein-Klein. Wenn man sich seine Vorschläge genauer ansieht, fällt auf, dass Markus Söder sich um die großen Maßnahmen drückt. Er will Bahnfahren billiger machen, aber keine Kerosinsteuer, die das Fliegen verteuern würde. Anderes Beispiel: Er will keine CO2-Bepreisung. Dabei gibt es mittlerweile sogar Stimmen aus der Wirtschaft, die sich für einen CO2-Preis einsetzen, weil er alle Sektoren umfasst und klimaschädliches Verhalten teurer und damit unattraktiver macht. Wir Grüne denken zudem soziale Gerechtigkeit mit, indem wir die CO2-Steuer über ein Energiegeld an die Menschen zurückgeben. Dazu höre ich von Söder nichts.
ZEIT ONLINE: Auch Markus Söder und die Union wollen CO2 teurer machen, allerdings über einen Zertifikatshandel, nicht über eine Steuer. Was spricht dagegen?
Schulze: Beim Zertifikatshandel sind die Bereiche Wärme und Verkehr bisher ausgenommen. Und die Preisbildung funktioniert wie an der Börse: Mal wäre es teurer, mal billiger, CO2 zu produzieren, je nach Angebot und Nachfrage. Wir wollen den CO2-Ausstoß generell bepreisen, damit klimafreundliches Verhalten unterstützt und klimaschädliches Verhalten reduziert wird. Da ist eine CO2-Bepreisung das fairste, schnellste und umfassendste Mittel – aber natürlich mit einem sozialen Ausgleich.
Kommentare
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>Es ist schön, dass Markus Söder zumindest gedanklich und verbal jetzt den Pfad der Erkenntnis beschritten hat,<
Söder ist eben, wie übrigens die gesamte CSU, sehr populistisch. Es geht halt um den Machterhalt. Was sind da schon Überzeugungen!
Nennen Sie eine Partei, der es nicht um die Macht geht.
Bayern war schon grün, als es noch keine Grünen gab.
Eben. Der Freistaat ist der beste Ort der Welt. Gleich nach dem Paradies.
"Der Freistaat ist der beste Ort der Welt. Gleich nach dem Paradies."
Ich straffe das mal:
Der Freistaat ist das Paradies.
Sorry, ich wohne in Bayern.
Die CSU tut alles um den Freistaat zuzubetonieren.
Den Rest der Zeit verbringt sie mit der Agrarlobby.
Zustimmung. Wohne auch in Bayern
Dito und volle Zustimmung!
>Bayern war schon grün, als es noch keine Grünen gab.<
Grün war und ist in Bayern nur die Natur, und auch nur dort, wo sie nicht zubetoniert wurde.
"Bayern war schon grün, als es noch keine Grünen gab."
Ja - und katholisch lang vor Christi Geburt...
Wenn Sie mal einen bayrischen Förster fragen, wird der Ihnen möglicherweise zustimmen, aber zu bedenken geben, dass es so recht eigentlich um das grüne Bayern von Morgen und weniger um das von Gestern geht.
"Gleich nach dem Paradies."
Naja, sagen wir abwägend zumindest noch vor Berlin ;-)
"Bayern war schon grün, als es noch keine Grünen gab."
.. und als es dann die Grünen gab, sprach FJS (Friede seiner Seele) 1987 den folgenden denkwürdigen Satz: "Grüne Ideen gedeihen nicht in den Quartieren der Arbeiter. Sie gedeihen in den Luxusvillen der Schickeria."
Und da hatte er wie so oft Recht.
Wenn nicht, warum wollen dann alle zu uns?
Sicherlich nicht wegen der vorgeblich grünen Politik. Und was heißt schon ALLE? Sehen Sie den Rest der Republik etwa entvölkert?
Verstehe die Kritik nicht. Wo die Natur zubetoniert ist, lässt sich ohne Tempolimit Auto (oder E-Roller oder Flugtaxi) fahren.
Hätten da nicht die Schwarzen alles Grün verdunkelt zur Nacht, dann wäre das schon ganz gut gewesen. Den ersten Umweltminister gehabt zu haben, bringt nicht automatisch Umwelt und Klimaschutz von alleine...
Ja, fürs "Zubetonieren" hätte die CSU viel zu tun in einem Flächenstaat mit 70550 Quadratkilometern, von denen ca. 4200 qkm "versiegelt" (bebaut, asphaltiert, gepflastert etc.) sind. Richtig ist: Bayern ist nicht mehr das Agrarland der 1950er Jahre. Und weil es so attaktiv ist, müssen ständig neue Unternehmen angesiedelt und Wohnraum und Infrastruktur geschaffen werden. Das geschieht übrigens meist in den Städten, wo fast überall SPD-Oberbürgermeister amtieren und das sehr häufig in "Koalitionen" mit Grünen. Die Stimmenverluste der CSU sind die Folge der Attraktivität des Freistaates für Zuzügler aus anderen Bundesländern, die sich mit der CSU als der Mutter des Erfolgs nicht identifizieren können.
Warum auch. Wenn die Grünen es ehrlich meinen mit dem Umweltschutz, dann sollte es ihnen ja egal sein, ob sie es sind, oder die CSU, die die Veränderungen auf den Weg bringen.
Sicherlich kann Söder ein paar CSU-Wähler zurückholen, die momentan wanken oder bei der letzten Wahl schon "abtrünnig" waren.
Die Grünen können sich dann nach diesem Erfolg Stück für Stück aus der Politik zurückziehen.
Den Grünen ist es zwar egal, wer Veränderungen auf den Weg bringt, es ist Ihnen aber nicht egal, welche Veränderungen auf den Weg gebracht werden.
Ergo dürfen sich die Grünen, wenn man mal den letzten Absatz des Interviews über die "Erfolge" der CSU liest, auf keinen Fall zurückziehen.