Der frühere Unionsfraktionsvorsitzende Friedrich Merz hat eine Minderheitsregierung ins Spiel gebracht, für den Fall, dass die künftigen SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert
Walter-Borjans den Austritt aus der Koalition beschließen.
"Der Bundeshaushalt ist beschlossen, eine Minderheitsregierung könnte im
Jahr 2020 regieren", sagte Merz der RND-Zeitungsgruppe. "Der
experimentelle Charakter und die veränderte Rolle des Parlaments haben
Charme."
Ähnlich äußerte sich der baden-württembergische Innenminister und CDU-Vize Thomas Strobl. Falls sich die SPD "im Selbstzerstörungsmodus aus der Verantwortung stehlen" wolle, müsse die Union Verantwortung für Deutschland übernehmen, sagte er der Funke Mediengruppe. "Dann wäre auch eine Minderheitsregierung eine Option, über die man nachdenken muss." Am Wochenende hatten sich führende CDU-Politiker noch mit Spekulationen für den Fall zurückgehalten, dass die SPD aus der Regierung ausscheiden will.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und CDU-Vize Armin Laschet widerspricht seinen Parteikollegen. "Deutschland braucht als führendes Land in der Europäischen Union eine stabile Regierung", sagte er. Eine Minderheitsregierung sei nur "für wenige Wochen denkbar", aber keine Dauerlösung. "Eine Regierung zu haben, die keine eigene Mehrheit hat, kann ich mir für Deutschland nicht vorstellen."
Zu den Forderungen der SPD nach Nachverhandlungen in der
großen Koalition wiederholte Laschet seine Äußerung, dass der Koalitionsvertrag
nicht nachverhandelt werden könne. Man könne aber darüber reden, "was
vielleicht an aktuellen Fragen neu aufgetaucht ist".
FDP signalisiert Gesprächsbereitschaft
Angesichts der Debatte um den Fortbestand der großen Koalition hat FDP-Chef Christian Lindner die Gesprächsbereitschaft seiner Partei betont. Die Liberalen seien schon jetzt bereit, "konstruktiv im Bundestag zu unterstützen, was wir richtig finden", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Lindner verwies darauf, dass die FDP die Bundeswehreinsätze mittrage. "Diese Bereitschaft bliebe auch bestehen, sollte die jetzige Koalition zerbrechen und eine Minderheitsregierung entstehen."
"Wir sind vor und nach Wahlen gesprächsbereit", sagte der FDP-Vorsitzende. Wer glaube, er könne "über die FDP als Machtreserve nach Belieben verfügen, der irrt sich", betonte er zugleich. Politik, die etwa gegen die Marktwirtschaft gerichtet wäre, würde die FDP nicht mitmachen.
Gespräche ja, Neuverhandlungen nein
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich offen für Gespräche mit der künftigen SPD-Führung, eine Neuverhandlung des Koalitionsvertrages lehnt auch sie ab. Merkel sei grundsätzlich zur Zusammenarbeit und zum Gespräch bereit, "wie es in einer Koalition üblich ist", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Aber: "Eine Neuverhandlung des Koalitionsvertrags steht nicht an". Die SPD bemühte sich am Montag, nach der Überraschung beim Mitgliedervotum über die neue Parteispitze und den Spekulationen um ein vorzeitiges Ende der großen Koalition die Lage zu beruhigen.
"Ich glaube, wir sollten etwas runterkochen, und wir sollten einfach zur Kenntnis nehmen, die Partei hat eine neue Führung gewählt, das ist der Punkt", sagte die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer im ZDF-Morgenmagazin. "Und natürlich wird sie auch ihre Akzente setzen bei der Frage, wie geht es weiter mit der großen Koalition."
Die Koalitionskritiker Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, die dem linken Parteiflügel der SPD zugerechnet werden, hatten sich in einer Mitgliederbefragung als neues SPD-Führungsduo durchgesetzt. Am Freitag sollen sie auf einem SPD-Parteitag formal gewählt werden. Der Parteitag soll außerdem – voraussichtlich am Samstag – darüber abstimmen, ob die SPD in der großen Koalition bleibt.
Kommentare
Merz weiß das bei Neuwahlen AFD und Grüne vermutlich Mandate dazugewinnen könnten. Reiner Opportunismus. Warum will die SPD eigentlich nicht mehr regieren? Ich meine, eine Partei sollte genau das doch anstreben. Es sei denn man hält die eigenen Konzepte für so grottenschlecht, dass die Leute bei deren Umsetzung rebellieren könnten. Fehlt es einfach nur an Ideen, was man mit der Regierungsverantwortung anfangen will?
"Warum will die SPD eigentlich nicht mehr regieren?"
Es könnte daran liegen dass die SPD nach jeder Groko noch weniger Wähler hatte.
Die SPD hat sich nie von der Schröder Agenda distanziert. Das nehmen ihr sehr viele übel. Diejenigen die der SPD noch die Treue halten mussten nie unter der Agenda 2010 leiden oder haben nie begriffen was die Agenda 2010 bedeutet. Es ging Schröder nicht nur um Sozialhilfeempänger und Langzeitarbeitslose. Ihm ging es um das Drücken von Löhnen. Das konnte man dank Hartz IV gleich mit erledigen. Schröder hätte nämlich sonst in der Agenda 2010 gleich den Mindestlohn festgehalten.
Zurück zur SPD: Sie braucht eine Agenda mit der sie wieder glaubwürdig wird. In der Opposition kann sie sich besinnen.
"Warum will die SPD eigentlich nicht mehr regieren? Ich meine, eine Partei sollte genau das doch anstreben."
Weil es den Wählern nicht mehr zu vermitteln ist, dass man für die Brosamen, die man gütigerweise für die komplette Arbeit in der Regierung von der Union zugesteckt bekommt, den ganzen Unsinn, den man als Gegenleistung druchschleppen muss, wert ist.
Sei es die Unionsministerriege mit all den Koryphäen wie Scheuer, Karliczek, Glöckner oder unserer Mobilmachungsministerin mit einem Hang zu Soldatenaufmärschen in jeder Stadt.
All diesen groben Unsinn erkauft man sich dann mit "Gute-Kita-Gesetz" oder Rentenleistungen, die nichts anderes sind als eine umgelabelte Sozialhilfe.
Eine Unions-Minderheitsregierung ist eine Drohung. Allerdings nicht gegenüber der SPD sondern dem Land. Das ist so, als würde eine alte gehbehinderte Frau die Krücke wegwerfen und es noch mal allen zeigen möchte...
"Warum will die SPD eigentlich nicht mehr regieren?"
Weil man nicht das Richtige im Falschen tun kann.
Eine Groko sollte immer nur eine Übergangslösung, ein Zwischenspiel sein. Merkel hat derer aber mittlerweile schon dreie verschlissen. Mit den Konsequenzen des Aufstiegs der AfD, der Spaltung Deutschlands und des weitesgehenden politischen Stillstands. Dazu ein Koalitionsvertrag, der so dogmatisch ist, dass er die Parlamentarier für vier Jahre in Ketten legt und allein auf schlechte Kompromisse baut - und zwar in allen Feldern - dass eben oben Erwähntes dabei herauskommt.
Wer schon bei der ersten Groko dachte, es geht nicht schlimmer, wurde bei jeder weiteren eines besseren belehrt.
Wer die Politik dr letzten Jahre verfolgt hat weiß dass der Abstieg der SPD eben auch dem ständigen Geschacher in der GroKo geschuldet war. Schon nach der letzten Wahl wurde von vielen Seiten darauf hingewiesen dass die Wähler (insbesondere der SPD) eine weitere GroKo übel nehmen würden, dass hinterher dann alle überrascht waren, dass die SPD weiter Stimmen verliert ist das für mich unverständliche.
Da spielt es dann auch kaum eine Rolle, dass einige SPD-Themen ja tatsächlich gut bei ihrer Stammwählerschaft ankommen würden, der GroKO Schatten überdeckt das immer wieder aufs Neue.
Die meisten SPD Punkte sind bereits umgesetzt und trotzdem ist man noch im Umfrage-Tief. Aller Voraussicht nach, wird das zur nächsten Wahl nicht besser sein, von daher könnte ein vorzeitiger Ausstieg der SPD mittelfristig tatsächlich helfen.
So sehe ich das auch. Im Übrigen buhlt die CDU schon offen heimlich um die FDP. Ein Bruch täte allen gut, dem Land, den Wählern und den Parteien. Dem Land, weil die merkelsche Politik des als Weiterso deklarierten Stillstandes endlich ein Ende hätte ( auffällig war, dass gleich mit der EU Ratspräsidentschaft argumentiert wurde, wobei so getan wurde, als erfreue sich die Merkel-Regierung hemmungsloser Beliebtheit in Europa. Das Gegenteil dürfte aber der Fall sein.). Auch den Wählern und den Parteien würde der Bruch gut tun, denn diese beiden Parteien müssten sich wieder klarer profilieren und von einander abgrenzen, statt sich wie schon seit Jahren asymptotisch einander anzunähern. Und das gäbe letztlich den Wählern wiederum das Gefühl von Wahlmöglichkeit und Wirksamkeit. Dass die Genossen Funktionäre jetzt nicht nur um ihre Posten, sondern auch den Absturz in die vielleicht lang dauernde politische Bedeutungslosigkeit fürchten, dürfte sich jetzt als die Nagelprobe auf ihr selbst inszeniertes basisdemokratische Experiment erweisen.
Sehr gut.
Eine Regierung müsste zu einem Gesetzesvorhaben eine Mehrheit im Parlament zusammenbringen.
Das wäre ja etwas vollkommen neues?!?!
Das kommt auf die Platzierung von Lobbyisten an, gerade große Konzerne haben sie auf beiden Seiten sitzen. Und so gut wie jeder ist käuflich, komm nur auf den Preis an.
Vielleicht weiß Merz da mehr als andere und will gleichzeitig Tatendrang gegnüber den LameDucks in der CDU vortäuschen.
AKK hat sich ja nun erst einmal mit der Aufspürung und dem Rauswurf aller Nazis aus der BW verschrieben, das kann wie mit den Kindergärten bei der BW einige Zeit dauern ...
Frage an ZON: Warum wird irgendeinem unbedeutendem einfachen Parteimitglied einer abgehalfterten Partei eigentlich überhaupt - und dann noch soviel Plattform gegeben?
Weil dieses "unbedeutende, einfache Parteimitglied" nach 15 Jahren politischer Abstinenz den Kampf um die Parteispitze nur durch einen Deal der Jungen Union verpasst hat, den diese ein Jahr später wahrscheinlich ziemlich sicher bereut. Dazu kommt noch die Tatsache das dieses "unbedeutende, einfache Parteimitglied" im Moment die höchsten Zustimmungswerte für potentielle Kanzlerkanidaten der Union hat.
Aber diese Dinge kann ja sicher jeder. Merz ist ja schließlich nur ein "unbedeutendes, einfaches Parteimitglied"...
Gut so dann kann man mit den Stimmen der FDP und der AFD endlich wirtschafts-freundliche Politik machen. Statt Geld für eine Grundrente rauszuschmeißen könnte man die Unternehmenssteuern senken, wie das auch unsere Konkurrenzländer machen.
Man könnte auch gleich alle deutschen Armutsrentner nach Afghanistan schicken, bevor die den Unternehmen hier auf der Tasche liegen.