Bis Samstagabend, 18 Uhr, waren Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans im Angriffsmodus. Die SPD-Basis kürte sie nicht zuletzt deshalb zu ihrem neuen Vorsitzendenduo, weil die beiden die bisherige Führung der SPD und deren Arbeit in der großen Koalition kritisiert und hinterfragt haben.
Seit Samstagabend werden sie selbst angegriffen, und zwar von vielen Seiten. Der Ton der politischen Konkurrenz ist scharf, ebenso das Presseecho ("Die SPD schafft sich ab", titelte etwa die FAS). Esken und Walter-Borjans werden nun aufgefordert, ihren Plan vorzulegen. Die beiden vormaligen Angreifer müssen sich nun erst mal verteidigen und ihrerseits um Verständnis werben.
So schnell ändern sich die Rollen. Zu beobachten war das am Sonntagabend in der ARD-Talkrunde von Anne Will. Da saßen sie also, die beiden designierten, bislang eher unbekannten Parteichefs, um sie herum Gesprächspartner, die schon seit Jahren zum gewohnten Setting solcher Talkshows zählen. Und sie alle stellten dieselbe "Kernfrage", wie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet es nannte, bevor er sie selbst noch einmal stellte: "Wollen Sie drinbleiben? Oder wollen Sie raus?" Gemeint war natürlich: raus aus der großen Koalition.
Dass Laschet als stellvertretender CDU-Chef von seinem Koalitionspartner wissen möchte, wie es weitergeht, ist nachvollziehbar. Eskens Satz "die Groko ist Mist", den sie noch am Samstagabend wiederholte, lässt nicht unbedingt auf gedeihliche Zusammenarbeit schließen. Dabei stünden "Riesenaufgaben" an, so Laschet, etwa der Kohleausstieg oder die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nächstes Jahr. Da wüsste man schon gern, ob die SPD noch dabei ist.
Aber so oft die Frage auch gestellt wurde, eine eindeutige Antwort gab es nicht. Esken und Walter-Borjans war es, im Gegenteil, wichtig, sich nicht festzulegen oder sich zu unbedachten Äußerungen hinreißen zu lassen. Stattdessen sandten sie drei andere Botschaften aus, die sie an diesem Tag mehrfach, auch in anderen Interviews, wiederholten.
Die erste Botschaft richtet sich an die eigene Partei. Esken und Walter-Borjans werben um Geschlossenheit. Sie wollen das Lager derer, die sie nicht gewählt haben, nicht weiter verschrecken oder gar vergraulen, sondern, wie sie es nennen, die SPD wieder "zusammenführen". Sie wollen also nicht mehr innerparteilich polarisieren, was ihre bisherige Strategie war, sondern integrieren.
Kommentare
Wie viel Verzweiflung muss der gemeine SPD-Wähler fühlen, dass er ein Trainee-Duo, das solche Aussagen loslässt, wählt? Denn wenn ich die Vitae der beiden sehe, wird mir angst und bange. Und ich beginne am politischen Verstand der SPD-Mitglieder zu zweifeln. Aber die Zeit wird kommen, wo auch dem letzten Rot-Grün-Linken klar wird, dass Geld zwar aus dem Geldautomaten kommt, aber dass es erstaunlicherweise vorher erst jemand hineinstecken muss. Nur ist es dann schon lange zu spät und Deutschland läuft wirtschaftlich in der Kreisliga. Bestenfalls. Das wird spannend, also Avanti Dilentanti !
Es geht um vorausschauendes Denken und um die Themen, die jetzt aktuell sind und nicht noch 2 Jahre Zeit haben.
Das neue SPD-Duo sind zwar zwei nette Leute, aber an echter Ausstrahlung, vor allem für die Wähler, fehlt es wahrlich.
Auf dem kommenden Parteitag könnte die SPD dazu noch etwas richten. Gelingt es dort, den im Moment einzigen imposanten Kopf dieser Partei in entsprechende Position zu bringen, könnte diese Partei wieder in besseres Fahrwasser kommen.
Ich weiß ja nicht, woher Sie heute schon beurteilen können, wie die "echte Ausstrahlung" dieser neuen Köpfe zu beurteilen ist. Den "einzigen imposanten Kopf" aber hier zur Stütze der Veränderung der SPD machen zu wollen, hieße keine Veränderung zu wollen.
Warum schreiben Sie das nicht gleich so?
Seit Samstag schöpfe ich zumindest wieder Hoffnung für die Partei, die ich seit Willy Brandt immer gewählt habe und nie mehr wählen wollte. Man darf meiner Meinung nach soziales Denken und Handeln nicht ausschließlich am wirtschaftlichen Erfolg ausrichten, wenn man zu einem der reichsten Länder der Erde zählt. Hat die SPD mehr Mut, so kehre ich gern zu ihrer Wählerschaft zurück.
Geht mir genau so!
Borjans/Esken liegen völlig richtig.
Einen Koalitionsvertrag abzuarbeiten ( was die Groko mit viel Energie auch macht) ist das Eine.
Das andere ist, die Themen, die in diesen 4 Jahren aber an Wichtigkeit gewinnen, aufzugreifen und mit dem Koalitionspartner zu regeln.
Ich verstehe nur nicht, dass die SPD den Mund so voll nimmt als Junior Partner, die mit ihrem viel kleineren Stimmenanteil jetzt das Sagen haben will. Wenn die CDU da mitmacht, wird sie schwer Federn lassen und das zu recht! Aber leider gibt es ja
keine echten politischen Schwergewichte mehr in der CDU, alle weggebissen von der Übermutter!Laschet taugt mehr für einen Elferrat, wird nur giftig gegen andere Parteien aber sehr devot zu seiner Kanzlerin, ein Abnickkandiat!