Zagatta:
Nicht nur die USA setzen Bagdad immer mehr
unter Druck; auch die UNO-Waffeninspektoren schlagen jetzt
gegenüber den Irak härtere Töne an. Hans
Blix, der Chef der UNO-Mission, und Mohammed el Baradei,
der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde,
wollen ab dem Wochenende konkrete Antworten. Der Irak
müsse einen Gang zulegen und jetzt endlich auch aktiv
mit den Inspektoren zusammenarbeiten. So hat das el Baradei
gestern erklärt. Was das bedeutet, das erläutert
uns nun Melissa Fleming, die Sprecherin der Internationalen
Atomenergiebehörde. Für sie gehen die
Inspektionen jetzt in ihre entscheidende Phase.
Fleming:
Wir werden unsere Arbeit intensivieren.
Wir werden jetzt mehr investigativ vorgehen. Wir haben
bereits Informationen von Mitgliedsländern
bekommen, die uns helfen können, etwas schneller
und direkter voranzugehen.
Zagatta:
Sind das
Geheimdienstinformationen?
Fleming:
Ja.
Zagatta:
Haben Ihnen die schon geholfen? Die USA
haben ja vor Wochen schon mitgeteilt, sie hätten
Ihnen solche Geheimdienstinformationen zur
Verfügung gestellt. Hat das weitergeholfen?
Fleming:
Bis vor kurzem waren das keine
Informationen, die uns direkt geholfen haben. Wir
konnten eigentlich nicht irgendwo hingehen laut dieser
Informationen. Das war sehr generell. Jetzt könnte
es sein; wir müssen das aber natürlich vor
Ort testen.
Zagatta:
Es heißt auch, Ihre Behörde
wolle den Druck auf Bagdad jetzt noch erhöhen. Wie
soll oder wie kann das vor sich gehen?
Fleming:
Das erste wird am Wochenende
stattfinden. Ein Besuch von Herrn el Baradei und von
Herrn Blix ist für Sonntag und Montag in Bagdad
geplant. Sie werden auf jeden Fall mit einer Botschaft
kommen, dass sie vom Irak nun aktive Kooperation
erwarten und dass es eigentlich dem Irak sehr viel
helfen würde, wenn sie aktiv kooperieren, das
heißt Dokumente hergeben, ihre Wissenschaftler zu
Interviews freigeben und so weiter. Das wird dann eine
Demonstration für die internationale Gemeinschaft
für die Wochen nach dem 27. Januar, die eigentlich
sehr wichtig sind für die Weltmeinung, dass sie
dann demonstrativ vorgehen.
Zagatta:
Wenn Bagdad das nicht tut - bisher hat
es das offensichtlich ja nicht getan -, wenn Bagdad dem
nicht Folge leistet, wäre das ein
Kriegsgrund?
Fleming:
Das ist für uns nicht so
entscheidend. Wir können nur an den Sicherheitsrat
berichten. Am 27. Januar werden wir sehr detailliert,
Herrn el Baradei und Herrn Blix, an den Sicherheitsrat
berichten, was bis jetzt geschehen ist, wie sie
gearbeitet und was sie aufgedeckt haben, wenn sie etwas
aufgedeckt haben.
Zagatta:
Der Chef der UNO-Inspektoren Hans Blix
hat ja inzwischen auch mitgeteilt, dass die Inspektoren
einem Schmuggel von Rüstungsgütern schon ganz
konkret auf die Spur gekommen sind. Gilt das auch
für den atomaren Bereich?
Fleming:
Das kann ich nicht kommentieren. Das
war etwas von anderer Seite. Es hat sich wenig von dem
geändert, was Herr el Baradei bereits am 9. Januar
berichtet hat, dass wir nichts wesentliches gefunden
haben, also Zeichen, dass der Irak ein neues
Atomwaffenprogramm angefangen hat. Allerdings sind wir
noch ziemlich am Anfang und brauchen noch Zeit, um
sagen wir mehr definitiv zu sein, was die Wahrheit
ist.
Zagatta:
Was bedeutet in diesem Zusammenhang der
27. Januar? Gehen Sie davon aus, dass Sie bis dorthin
schon einen aussagekräftigen Bericht vorlegen
können?
Fleming:
Nein. Das ist ein Statusbericht, und
das haben wir ganz klar gesagt. Das steht auch in
unserem Mandat der Sicherheitsresolution 1441 ganz
deutlich drin. Das soll einfach ein Statusbericht nach
zwei Monaten sein, was haben sie gefunden, wie
kooperativ ist der Irak, wie können sie das
qualifizieren. Das ist eigentlich eine Sache der
Mitgliedsländer, wie sie das interpretieren
wollen.
Zagatta:
Vor allem in Washington, Frau Fleming,
ist ja bisher kritisiert worden, dass die Inspektoren
bisher keinen Gebrauch machen würden von der
Möglichkeit, irakische Experten außer Landes
zu bringen und sie dort zu befragen. Warum machen Sie
das nicht?
Fleming:
Wir haben nicht gesagt, dass wir das
nicht machen. Wir haben nur gesagt, dass einige
drastische Dinge geklärt werden müssen, bevor
wir das machen können. Zum einen muss es ganz
deutlich ein Land geben, das diesen Leuten Asyl
garantieren kann. Zweitens müssen wir
wahrscheinlich als allererstes ganz sicher sein, dass
wir die richtigen Leute identifiziert haben. Sehr, sehr
wichtig ist, dass diese Leute willig sind. Wir wollen
keine Leute gegen ihren Willen aus diesem Land nehmen.
Das ist nicht unsere Aufgabe.
Zagatta:
Frau Fleming, die USA üben ja
erheblichen Druck auf Bagdad durch ihren
Truppenaufmarsch aus. Setzt das Ihre Inspektoren auch
unter Druck? Ist das eine Belastung oder vielleicht
sogar hilfreich, weil es den Irak ja fast zur
Zusammenarbeit zwingt?
Fleming:
Das ist schwer zu sagen. Es gibt
verschiedene Interpretationen, aber unsere Inspektoren
wollen natürlich sehr professionell arbeiten und
in der Lage sein, ihre Arbeit auszuführen. Auf der
anderen Seite hat unser Generaldirektor schon gesagt,
es kann sein, dass das eine Auswirkung hat, dass wir
bessere Kooperation bekommen und dass der Irak
vielleicht und hoffentlich mit uns zusammenarbeitet und
aktiver mit uns zusammenarbeitet, dass sie die
Möglichkeit haben, einen Krieg zu
verhindern.
Zagatta:
Über den Irak dürfen wir ja
auch die Entwicklung in Nordkorea nicht ganz vergessen.
Was macht Ihnen denn im Moment mehr Sorge, Nordkorea
oder der Irak?
Fleming:
Beides sind ganz, ganz schwierige
Themen für uns. Sie okkupieren die meiste Zeit
unserer Mitarbeiter. Das sind beides Hauptthemen
für diese Organisation.
Zagatta:
Sehen Sie denn noch Möglichkeiten,
Nordkorea wieder zum Einlenken zu bewegen,
beziehungsweise wer ist am Zug? Muss die UNO dort Druck
ausüben?
Fleming:
Alle wollen natürlich unsere
Meinung hören, also von der Internationalen
Atomenergiebehörde, wie man vorgehen soll, aber es
gibt auch von den einzelnen Ländern sehr
konstruktive diplomatische Initiativen, die jetzt
laufen. Konsens ist aber, dass das ein internationales
Problem ist und dass es ein internationales Problem
bleiben soll.
Zagatta:
Melissa Fleming, die Sprecherin der
Internationalen Atomenergiebehörde. - Frau
Fleming, ich bedanke mich für das Gespräch!
© Deutschlandfunk 2003
Interview: 'Der Druck auf Bagdad muss erhöht werden'
Martin Zagatta im Gespräch mit Melissa Fleming, Sprecherin der IAEO in Wien / Deutschlandfunk-Interview am Morgen, 16. Januar 2003