Wer kennt den Braunschweiger Gymnasiallehrer Konrad Koch? Fast niemand. Das wird sich nun hierzulande ändern, denn am Donnerstag kommt der Spielfilm Der ganz große Traum in die Kinos. Er erzählt die Geschichte des Mannes, der den Deutschen den Fußball brachte.
In den 1870er Jahren, der Blüte der Kaiserzeit, vollzog man in Deutschlands Vereinen, Hallen und Schulen die Leibesübungen an Reck und Ringen. Turnen war kein Selbstzweck, sondern sollte der Jugend Gehorsam und Wehrhaftigkeit beibringen. Die Nähe zum Militärischen war offensichtlich und gewollt, mit Drill ging man Pferd und Barren an. Erst in den 1920er Jahren gab es reformpädagogische Bewegungen, das Natürliche Turnen etwa rückte das Individuum in den Vordergrund.
Als Koch den Fußball, seine Regeln und das Gerät, aus England importierte und eine Schulmannschaft gründete, galten Ballspiele als undeutsch verpönt. Koch musste seinen Sport gegen großen Widerstand durchsetzen. Seine Kritiker warnten vor Anarchie und blauen Schienbeinen. Noch 1912 wurden in Bayern Lehrer der Schule verwiesen, die ihre Zöglinge mit der "englischen Krankheit" infizierten. Fußball fördere Sozialverhalten, Teamgeist, Fairness und Mut, das galt den Kaisertreuen als Gefahr.
Im Film Der ganz große Traum hangelt sich der Regisseur Sebastian Grobler an Kochs Pioniergeschichte entlang. Die Konflikte zwischen dem Pädagogen und seinen Schülern, seinen Kollegen, auch zwischen Eltern und Kindern fängt er gut ein.
Sein Konrad Koch gewinnt selbst die faulsten Schüler für den Englischunterricht, indem er sie derweil Fußballspielen lässt. " I shoot the ball into the goal ", heißt es, während die Jungen aufs Tor schießen. Damit zieht der Lehrer den Zorn des Kollegiums und der Eltern auf sich. Mehrmals steht er vor dem Schulverweis, verabredet schließlich heimliche Fußballtreffen im Park. Bei Gefahr vollziehen sie auf ein Geheimsignal hin kaiserkompatible Kniebeugen.
All die Widerstände gegen modernere Erziehungsmethoden erinnern doch sehr an einen anderen, weltbekannten Schulfilm, den Club der toten Dichter . Der ganz große Traum kommt allerdings weniger tragisch, eher rührend daher. Am Ende feiert Deutschland sogar einen Sieg gegen England, freilich in einem inoffiziellen Länderspiel.
Kommentare
Was ein Einzelner doch an Schaden anrichten kann
Schlimm, was dieser Mann angerichtet hat. Andauernd wird man nun mit Fußball genervt. "Danke", Herr Koch!
2020?
In den 1870er Jahren, der Blüte der Kaiserzeit, vollzog man in Deutschlands Vereinen, Hallen und Schulen die Leibesübungen an Reck und Ringen. [...].
Erst 150 Jahre später bewegte man sich in Richtung Reformpädagogik: Das Natürliche Turnen etwa rückte das Individuum in den Vordergrund.
Wie geht das?
Korrektur
Danke, da hatte sich in der Tat der Fehlerteufel eingeschlichen. Gemeint sind natürlich die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts. Wir haben es korrigiert.
Keine Klischees bitte...
"Führt man sich vor Augen, wie sich manch männliche Reisegruppe auf Auswärtsfahrten verhält und mit welchen Mitteln manch heutiger Fußballstar um Millionenverträge pokert, müsste man manchmal gar Kochs Gegnern Recht geben, die eine Verrohung der Sitten durch die "Fusslümmelei" befürchteten."
Ebensolches gilt auch für manch männliche Reisegruppe in Sachen Kegeln oder Tennis, bzw. für Spitzensportler anderer Sportarten, wohlgemerkt.
Diese Klischees des Fußballs bieten nur solchen Menschen wie Herrn Sanddorn weiter oben Nahrung, die im Zusammenhang mit Fußball Vokabeln wie "schlimm", "angerichtet" und "genervt" gebrauchen.
Danke, Konrad Koch!