ZEIT ONLINE: Herr Asamoah, was kann man gegen Rassismus tun?
Gerald Asamoah: Offensiv mit dem Thema umgehen, drüber reden, Bücher schreiben.
ZEIT ONLINE: Wie Sie. Dieser Weg wird kein leichter sein ... ist in der vergangenen Woche erschienen. Darin schildern Sie offen unter anderem Ihre Erfahrung mit Rassismus in Deutschland.
Asamoah: Ich lebe seit 1990 in Deutschland, ich habe viele gute Erfahrungen gemacht, etwa mein erstes Länderspiel in Bremen im Jahr 2001. Aber leider auch immer wieder Rassismus erlebt, das war zum Teil sehr schmerzhaft und hat mein Leben und meine Karriere geprägt. Aber ich kann auch sagen, dass sich in diesem Land viel verbessert hat. Mein Vorbild Anthony Yeboah musste sich in den Neunzigern noch oft "Husch, husch, husch, Neger in den Busch!" anhören.
ZEIT ONLINE: Ihr schlimmstes Erlebnis war, das schreiben Sie in dem Buch, Cottbus 1997. Sie und Otto Addo wurden das ganze Spiel über diffamiert.
Asamoah: Ich war jung und auf so viel Hass unvorbereitet. Ständig flogen Bananen auf den Platz, wir beide wurden gezielt ausgebuht und geschmäht. Das war eine Extremerfahrung, unter der ich sehr und lange litt. Aber auch Rostock 2006 tat weh, das war nur wenige Wochen nach der Euphorie des Sommermärchens, von dem ich ein Teil war, auch wenn ich nur ein Mal gespielt habe. Und dann kamen wenige Wochen später Fans ins Stadion, um den Asa fertig zu machen.
ZEIT ONLINE: Im Buch heißt es: "Hallo, liebe Rostocker, ich habe für Deutschland gespielt, bin Dritter der WM. Wir haben doch zusammen gefeiert, ich bin Deutscher, ist das denn alles schon vergessen?" Haben Sie nie Zwiespalt empfunden, für ein Land zu spielen, in dem Sie wegen Ihrer Hautfarbe ausgepfiffen wurden?
Asamoah: Nach Rostock habe ich tatsächlich überlegt, ob ich noch mal für Deutschland spielen soll. Aber meine Karriere dort war ohnehin vorbei. Ich bereue es aber keineswegs. Deutschland ist das Land, das ich liebe. Mich beruhigt, dass ich weiß: Die Mehrheit denkt anders.
ZEIT ONLINE: Sie kritisieren Michael Ballack, von dem Sie sich damals ein öffentliches Wort der Solidarität erhofft hätten.
Asamoah: Ich wünschte mir damals ein Zeichen aus der Mannschaft, und Michael Ballack war unser Kopf, ein Held in der Öffentlichkeit. Er hatte Wirkung auf junge Leute. Das hätte mir damals sehr gut getan.
ZEIT ONLINE: Kevin-Prince Boateng hat kürzlich das Spielfeld verlassen, weil er von italienischen Fans verunglimpft wurde.
Asamoah: Dass das im Jahr 2013 noch passiert, ist traurig und beschämend.
ZEIT ONLINE: Er ging einfach vom Platz. Sie schossen damals in Rostock zwei Tore, gewannen 9:1.
Kommentare
Herr Asamoah,
Ich schäme mich für meine "Mitmenschen"! Bitte seien Sie versichert, dass nur ein sehr kleiner, aber leider lauter Anteil Deutscher solch verabscheuungswürdiges Verhalten an den Tag legt.
Schämen allein nützt nichts
Ihre Scham alleine nützt niemandem etwas. Nutzen Sie Ihren Einfluss auf Bekannte, Verwandte, Freunde oder auch Fremde. Schreiten Sie ein, wenn jemand in der U-Bahn ein kleines schwarzes Mädchen beleidigt. Setzen Sie sich ein für den Schwarzen, der im Club hinter ihnen ohne ersichtlichen Grund abgewiesen wird. Weisen Sie Verallgemeinerungen und Pauschalisierungen auf rassistischer Basis stets entschieden zurück (nicht alle Schwarzen sind super Tänzer, nicht alle Muslime unterdrücken ihre Frau). Man wird auf Sie als Weiße(n) einfach wesentlich eher hören als auf Schwarze. Nutzen Sie das!
Auch die Versicherung, dass die Zahl harter Rassisten in Deutschland sehr klein sein soll, ist etwas unangebracht, wenn es um Alltagsrassismus geht. Denn da geht es eben nicht um die ganz ganz bösen Rassisten. "Nicht alle Rassisten werfen mit Bananen".
Zum Beitrag:
"Manche bevorzugen Farbiger. Aber Sie können mich einen Schwarzen nennen. Wir nennen Euch ja auch Weiße, obwohl Ihr nicht weiß seid."
Gerald, mein Bruder, ich kenne keinen einzigen schwarzen Deutschen, der sich gerne "Farbiger" nennen lässt. Du wärst der erste. Und im Übrigen haben Weiße sich ihre Bezeichnung als "Weiße" selbst ausgesucht, sich selbst so genannt. Diese Selbstbenennung ist uns ja bekanntlich versagt geblieben.
Eigentlich sind Weiße die Farbigen:
http://www.youtube.com/wa...
Dein Buch muss ich unbedigt lesen! Es gibt viel zu wenig von Schwarzen und PoC deutschsprachige Literatur zu dem Thema!
Entfernt. Bitte verzichten Sie auf Relativierungen. Danke, die Redaktion/jp
Völlig richtig
was Sie schreiben, und ich freue mich auch über das sehr differenzierte Urteil des Herrn Asamoah. Wenn der Erstkommentator "versichert, dass nur ein sehr kleiner, aber leider lauter Anteil Deutscher solch verabscheuungswürdiges Verhalten an den Tag legt", dann ist dies schlicht falsch, zumal es den alltäglichen und subtilen Rassismus relativiert, der eben nicht in den Fußballstadien stattfindet, sondern auf der Straße, in den Kneipen, Kinos, Schwimmbädern und und und...
Man sollte dabei auch berücksichtigen, dass wir uns vieler (kleiner) rassistischer Vorurteile, die auch über andere kulturelle Phänomene wie Xenophobie, Patriotismus, Chauvinismus, Sexismus und dergleichen Einzug ins Denken erhalten, schlicht nicht immer bewusst sind. Der eine ist in dieser Thematik mehr sensibilisiert als der andere.
Rassismus ist keine Erscheinungsform der äußersten Rechten, auch wenn man dieses als Alibi für einen selbst leider oft genug gelten lassen möchte. Schön ist auch die im Interview aufgeführte positiver-Rassismus-Problematik. Dieser wird von den meisten nicht als solcher erkannt: Viele geben sich im Umgang mit farbigen Mitmenschen jenen gegenüber äußerst jovial und zuvorkommend, wobei diese bevorzugte Aufmerksamkeit einzig und allein der Tatsache geschuldet ist, dass das Gegenüber anderer Hautfarbe ist.
Was bleibt ist der Appell an alle Relativierer, den Rassismus als durchaus konsensfähiges Gesellschaftsprodukt nachhaltig zu bekämpfen!
DNA..
Erst kürzlich sah ich auf ZDF-Neo (oder ZDF-Info) eine Sendung über das Genographic Projekt von National-Geographic. Es war schon erstaunlich, wo unsere Ursprünge liegen. Ganz am Anfang stammen wir alle vom gleichen Vorfahren ab und nur, weil unsere Hautfarbe weiß oder schwarz ist, heißt das noch lange nicht, dass Schwarze ihren Ursprung in Afrika und Weiße ihren Ursprung in Europa haben. Wir sind bunter als wir denken. Dass an die Dummbeutel, die einen Menschen anhand ihrer Hautfarbe beurteilen wollen. In so manchem Ghanaer steckt mehr Europa als in manchem Deutschen.
Die reine Rasse gibt es nicht und hat es nie gegeben.
https://genographic.natio...
Der Rassimus wird schlimmer in Deutschland.
Ich selbst habe mir das Ausmaß des Alltagsrassismus leider nicht vorstellen können, ehe ich eine dunkelhäutige Freundin hatte, die mindestens einmal pro Woche en passant irgendwelche Gemeinheiten reingedrückt bekommt. Übrigens eher in Ostdeutschland, aber das ist nochmal ein anderes großes Thema. Da finde ich den selbstbewußten, ernsthaften aber nicht hysterischen Umgang Asamoahs mit dem Thema bewundernswert. Gerade wenn man selbst Zielscheibe wird, ist das nicht selbstverständlich.