Schon einmal wurde ich als Sportler gnadenlos fallen gelassen. 1980 war ich 22 Jahre alt, Weitspringer und durfte wegen des Boykotts nicht zu den Olympischen Spielen in Moskau. Sportfunktionäre haben sich damals einer zweifelhaften politischen Linie unterworfen. Mir blieb nur eine Olympia-Urkunde. Auf der steht der Spruch: "Robustere Kräfte verhinderten die Teilnahme". Eine Farce.
Nun werde ich erneut von Politik und Sportfunktionären im Stich gelassen. Die aktuelle Dopingdiskussion stellt mich, völlig undifferenziert, unter Generalverdacht. Ich habe nicht gedopt. Dafür haben gedopte Sportler mich und viele andere ehemalige, saubere Athleten illegal in den Schatten gestellt. Und jetzt werden wir auch noch nachträglich in den Dopingsumpf gezogen.
Das ist unfair, indiskutabel und kaum auszuhalten.
Die Versuchung war damals
durchaus da. Aber ich habe mich gegen Doping entschieden, weil ich bereits
Zahnmedizin studiert hatte und daher um die gesundheitlichen Risiken wusste. Anhand
der Athleten aus dem Ostblock haben wir zudem die Auswirkungen des Dopings vor
Augen gehabt, Sportlerinnen mit Bärten und tiefen Stimmen. Das schreckte ab.
Die Praktiken in BRD und DDR gleichzusetzen, ist hanebüchen
Mit der Entscheidung gegen Doping hatte ich erhebliche Nachteile. Ich wusste, dass ich sonst 20 Zentimeter weiter gesprungen wäre. Damit hätte ich mich auf einem Niveau mit damaligen Weltstars wie Carl Lewis bewegt, eine Medaille bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen wäre durchaus realistisch gewesen.
Doch es waren die gefeierten (gedopten) Stars, die die Lorbeeren ernteten und immer noch ernten. Die sauberen Sportler dagegen werden für ihre "Schlechtleistung" kritisiert, nicht mehr nominiert, nicht mehr gefördert. So erfolgt gleichzeitig im Sinne des Dopings eine positive Auslese. Damals, als man das mitbekam, war es nicht einfach, sich dennoch zu motivieren. Unter anderem deshalb habe ich bereits mit 25 Jahren aufgehört.
In einem Interview hat Manfred Ommer, ein deutscher Sprinter der siebziger Jahre, offen über sein Doping gesprochen. Er dopte, weil er nicht einsah, es nicht zu tun. All seine Gegner haben doch mitgemacht. Ohne Doping, sagte er, hatte er keine Chance.
Dafür danke ich ihm und bewundere seinen Mut, seine Klarheit und Offenheit. Diese Offenheit und diesen Mut wünsche ich mir von anderen gedopten Sportlern. Dann wüsste jeder, was Sache ist. Und die Sauberen wären rehabilitiert.
Die Dopingpraktiken in der BRD jedoch mit dem systematischen Doping der ehemaligen DDR, in der Doping nachweislich 1974 staatlich angeordnet wurde, gleichzusetzen, ist hanebüchen!
Selbstverständlich wurde in der BRD in der Zeit des Kalten Krieges, an der Grenze der beiden Ideologien, auch über Doping geforscht. Das Ganze wurde staatlich unterstützt und war politisch gewollt.
Aber jeder Sportler im Westen hatte die freie Wahl. Ich konnte Nein sagen. Und ich sagte Nein.
Kommentare
Zweierlei Maß im Aufmacher
Ich übersetze mal den Aufmacher, wie ich ihn verstehe: 'Ich find das gemein, das man mich des Doping mitverdächtigt, verdächtige selbst aber pauschal alle, die an der Weltspitze mitspielen'.
Janeiskla.
Der Artikel geht durchaus interessant weiter, aber der Aufmacher vermiest einem einfach schon mal das Lesen.
mitgegangen, mitgefangen .....
Es reicht eben nicht, für sich allein "Nein" zu sagen und ansonsten zugeschaut zu haben.
Diese Mentalität des unschuldigen Mitläufers dann weiter zu pflegen bis zum "gleichzusetzen, ist hanebüchen!" ist bezeichnend genug. Da glaubt immer noch einer, eins sei besser gewesen als das andere, wegen der freien Wahl. Die Grenzen auch seiner Wahlfreiheit hat er doch selbst gezeigt bekommen, beim Olympiaboykott.
@ 2 simulator
Ihr Kommentar ist interessant und erinnert mich an die "falschen" Kritiker der DDR und der Sowjet Union im kalten Krieg. Wer sich beklagte war irgendwie immer selbst schuld und hatte gefälligst den Mund zu halten.
Dieses "Selbst schuld" Argument gibts jetzt bei der Bankenkrise und der Bealstung durch hohe Strom- udn ander Preise. Mal sehen, was noch draus wird. Da ich Sie nicht kenne, hoffe ich erstmal, dass es sich nicht mal zu Ihrem Nachteil gegen Sie selbst wendet.
Es ist zu spät
Ist jedenfalls mein Fazit sowohl als Sportler im allgemeinen und als Fußball Fan im speziellen.
Doping Kriegen sie nicht mehr weg.
Doping ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Kontrollen bei den Weltstars ? Fangen sie mal bei den Bundesjugendspielen an !
Bald interessiert es niemanden mehr
Die Olympischen Spiele waren eine Mode des 20. Jahrhunderts -- wie im Grunde der ganze Leistungssport. Im 18. Jh. hat sich kein Mensch dafür interessiert, und so langsam kommen wir wieder dahin.
Es ist ja auch nicht einzusehen, warum man anderen bei körperlichen Verrichtungen zusehen sollte.
Einfach ignorieren, dann hört vielleicht auch das Doping auf. Und wenn nicht, dann ist es auch egal.