Ein Fußballprofi hat sich geoutet, ein ehemaliger. Sehr gut. Für einen Aktiven wäre ein solcher Schritt aber sehr schwierig. Fußball ist eine nahezu reine Männergesellschaft, eine noch immer archaische.
Bei den Mitspielern fängt das Problem an. Eine Fußballelf besteht aus Männern verschiedener Nationalität, aus Männern mit verschiedenen kulturellen Hintergründen. Und manch Kroate oder Serbe sieht das mit der Homosexualität nun mal anders als der liberale Westeuropäer. Auch manch Russe, selbst wenn er nicht so reaktionär wie Putin ist. Ich will das Phänomen aber nicht auf Osteuropa beschränken.
Als Schwuler gilt man in einer Fußballmannschaft als merkwürdig. Ich kenne einige schwule Spieler im deutschen Fußball. Viele haben eine hysterische Angst davor, an Kleinigkeiten erkannt zu werden, daher geben sie sich extrem heterosexuell, härter als die Kollegen. Ich sage immer: Wer wissen will, wer schwul ist, sollte auf die Spieler schauen, die die meisten Gelben Karten kriegen. Ist natürlich übertrieben und kein völlig zuverlässiges Indiz.
Aber Schwulsein im Fußball heißt: 24 Stunden am Tag verstecken, 24 Stunden am Tag Habachtstellung. Was das für eine Energie kostet! Und diese Selbstleugnung: Bei frauenfeindlichen Witzen in der Kabine muss der Schwule als Erster und am lautesten lachen, am besten sollte er selbst welche drauf haben. In einer Fußballmannschaft sind Spielsüchtige "normaler" als Schwule.
Hilfe müsste der Trainer leisten. Doch die Wenigsten scheinen mir so vertrauensvoll, dass sich ein schwuler Spieler an ihn wenden würde. Doch an wen sonst? An die Vorstände und Präsidenten? Auch viele von denen sind mit dem Problem überfordert. Ich sage nicht, dass die meisten homophob sind. Aber sie haben vom Leben der Schwulen keine Ahnung. Und keine Ahnung heißt im Härtefall: kein Verständnis.
Sicher, man hört jetzt viele wohlklingende Aussagen aus der Fußballszene. Doch ich fürchte, die Toleranz hat Grenzen. Nach dem Motto: Ich hab nichts gegen Schwule, aber der eigene Sohn sollte es nicht sein und auch nicht der Mittelstürmer, der Kapitän oder sonst ein Spieler – zumal wenn er durch sein Coming-out Schwierigkeiten macht und den Klassenerhalt gefährdet.
Das geringste Problem erkenne ich unter Fans. Mag sein, dass ich aus St. Pauli verwöhnt bin, aber auch in fast allen anderen Stadien habe ich Respekt erlebt. Eine Ausnahme war Rostock, da gab es regelmäßig homophobe Schmähgesänge. Vermutlich kein Einzelfall im Osten.
Dass die Presse nun so viel über das Thema berichtet, ist gut. Diese Überdosis an Medienaufmerksamkeit hilft, zumal das Echo fast ausschließlich zustimmend ist. Darüber hinaus wünsche ich mir, dass sich die Journalisten intensiver und dauerhaft damit befassen. Sie sollten den Versuch unternehmen, uns Schwule besser kennenzulernen, sie sollten nach Lebenswegen fragen, auch mal Schwulenbars besuchen. Homosexualität fällt nicht vom Himmel. Manch Schwuler braucht viele Jahre, bis er seine sexuelle Identität gefunden hat.
Was das alles für Thomas Hitzlsperger bedeutet, kann ich mir denken. Er wird nun ausgequetscht, auf sein Schwulsein reduziert. Das Etikett "erster schwuler Fußballpromi" wird er nicht mehr los. Das könnte ihn belasten. Jedenfalls hat er eine Tür aufgestoßen, das wird eine positive Wirkung haben. Die Homosexuellen werden es ihm danken.
Aufgezeichnet von Oliver Fritsch
Kommentare
Der Mann
... weiß offensichtlich, wovon er spricht. Guter Beitrag!
Homosexuelles Leben?
Was soll das sein? Ist das anders als heterosexuelles Leben? Und wenn ja, warum wird dann verlangt beides gleichzubehandeln?
Anmerkung: Bitte bemühen Sie sich um einen differenzierteren Kommentarstil. Die Redaktion/mak
@2 Vielleicht ist es anders herum?
Vielleicht ist es ja so dass ein homosexuelles Leben anders ist als ein heterosexuelles weil man in der Gesellschaft anders, also nicht gleich, betrachtet wird?
Es braucht einen schwulen Starspieler
Gäbe es einen schwulen Starspieler in der Nationalmannschaft, einer der über jeden Verdacht erhaben und von allen Seiten respektiert ist und würde sich dieser hinstellen und sagen: "ich bin schwul und das ist normal so", dann wäre das der erste Schritt zur Normalität und breiten Akzeptanz. In dessen Windschatten könnten sich weitere Schwule outen und das Thema wäre endlich gegessen.
Was wäre dann bitte das Langfristziel?
Eine eigene Fussballliga für Schwule?
Oder halt nur so viele wie möglich in der "normalen" Liga; zwecks Netzwerk und so?
hach ...
wieder so ein schönes thema, um von den wirklichen problemen abzulenken irgendwie. aber nun ... es ist ein wm-jahr, da ist so was wohl wichtig.
ich pers. denke ja die problematik was schwule fussballer geht ehr in richtung fans und in dingen "wert" eines fussballers - z.b. bzgl. markting ... mit einem schwulen fussballer wird sich weniger geld verdienen lassen - gerade wenn man mal über den relativ aufgeschlossenen deutschen tellerrand hinausschaut.
Geld lässt sich damit verdienen...
...sieht man ja in der Musikbranche.
Jeder Superstar hofft dort das er unter den Homosexuellen Erfolg hat weil die in der Regel loyale und kaufkräftige Fans sind.