Nach der Niederlage von Hamburg fragen sich viele: Hat der Sport in Deutschland eine Zukunft? Die Enttäuschung vieler Athleten ist verständlich, doch die Frage ist überflüssig. Sport hat in Deutschland eine große Tradition, die Vereinskultur ist einmalig in der Welt und der Staat fördert den Sport mit Steuergeld wie kaum woanders. Natürlich hat der Sport in Deutschland eine Zukunft. Bloß welche?
Reformen sind längst notwendig, nicht nur weil deutsche Athleten immer weniger Medaillen holen. Die Hamburger Bewerbung hat über Sport nicht viele Worte verloren, mehr über Standortmarketing und Stadtentwicklung. Ein Grund mehr, über neue Ideen zu sprechen. Zumal sie nach Niederlagen besser gehört werden. Hier sind zehn:
1. Schulsport aufwerten
Sport ist ein Kulturgut wie Malen und Singen, gerade für Kinder sind Bewegung und Motorik besonders wichtig. Doch der Schulsport ist in Deutschland ein Mauerblümchen. Gesetzlich vorgeschrieben sind drei Stunden in der Woche, in der Realität sind es in den meisten Schulen höchstens zwei. Die neuen Möglichkeiten der Ganztagsschulen werden kaum genutzt, mit Vereinen könnte gezielter kooperiert werden, auch in Schulen ließen sich Talente sichten. In keinem anderen Fach unterrichten so oft Fachfremde. Es hilft aber, wenn der Lehrer den Handstand vormachen kann. Eine Schule mit modernem Sportunterricht, der Spaß macht, könnte auch der Monokultur Fußball entgegenwirken.
Der DOSB verweist in solchen Debatten gerne auf die 23 Sportgymnasien und 43 Eliteschulen des Sports. Die haben allerdings mäßigen Erfolg im Medaillenranking. Nicht nur deshalb sollte man es mal anders probieren und den Sport in allen Schulen aufwerten. Eine bessere Förderung in der Breite bedeutet auch eine bessere Förderung in der Spitze. Guter Schulsport hätte also einen positiven Effekt auf den Medaillenspiegel, wenn man Geduld hat. Aus der empirischen Bildungsforschung weiß man: Mit Spezialschulen hebt man weder das allgemeine Niveau noch das der Elite. Sie helfen nur dann, wenn sie auf breiter Allgemeinbildung aufbauen. Für den Sport gelten keine anderen Gesetze als in Mathe und Englisch. Die Frage, ob wir Breitensport oder Leistungssport wollen, ist falsch gestellt. Es gibt kein Entweder-Oder.
2. Besseres Kindertraining in Vereinen
Der Osten hat zwar historisch bedingt noch Rückstand, doch in Deutschland gilt die Regel: kein Dorf ohne Sportverein. Der DOSB zählt 29 Millionen Mitglieder. Ungebrochen treten Kinder in Vereine ein. Ihre Trainer werden meist am schlechtesten oder gar nicht bezahlt. Dabei sind sie prägend und entscheidend. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Vereine, die lizenzierte und honorierte Trainer einsetzen, müssten mehr Förderung durch ihren Landessportbund erhalten. Weil Qualifizierung Geld und Zeit kostet.
Ideal wäre ein staatlich geförderter hauptamtlicher Trainer, der sich täglich mit den Kleinsten befassen kann. Sowie mit den Eltern und allen anderen Aufgaben, die ein Trainerjob so mit sich bringt. Man könnte auch mit 450-Euro-Stellen anfangen. Wenigstens sollte der Staat den Übungsleitern, wenn schon kein Honorar, so doch eine Steuerpauschale zugestehen. Das Ehrenamt wird in Deutschland leider nur rhetorisch hochgeschätzt.
3. Bildungsoffensive Sport
Man muss Kinder und Jugendliche, die meist in der Klasse hocken, nicht noch mit Sporttheorie quälen. Doch Sport ist Bildungsgut, ist Kopfsache, auch ein Transmitter. Durch ihn lässt sich viel vermitteln, etwa über den Kalten Krieg oder den Nationalsozialismus. Manch einen mathemüden Schüler macht man mit der Aufgabe munter, die Bundesliga-Statistik auszuwerten. Vor allem sollten Jugendliche, die eine Sportkarriere anstreben, in der Schule die Möglichkeit bekommen, ihr Tun zu reflektieren: Wie kommt Höchstleistung zustande? Welche Schäden verursacht der Leistungssport? Welche Opfer fordert er mir ab? Wie stehen überhaupt meine Chancen, nach oben zu kommen?
4. Trainer spezialisieren
Derzeit läuft ein Sportstudium in Deutschland auf ein allgemeines Lehramtsstudium hinaus. Das mag für die Schule, also den Breitensport, ausreichend sein. Für die Leistungsspitze gelten andere Regeln: Handball und Schwimmen etwa sind so verschieden, die Trainer dieser beiden Sportarten sollte man im Studium ab einem gewissen Zeitpunkt sportartspezifisch ausbilden.
5. Sportstätten sanieren
Der Staat gibt viel Geld aus für den Sport, aber viele Hallen und Sportplätze veralten und verrotten. Eine marode Infrastruktur sollte sich der deutsche Sport nicht leisten.
Kommentare
"aber viele Hallen und Sportplätze veralten und verrotten"
Viele Hallen müssen zu Unterkünften umfunktioniert werden. Da ist nicht mal der geforderte Schulsport machbar, geschweige denn der normale Sportbetrieb. Nach meiner Wahrnehmung lag die negative Abstimmung, für mich absolut nicht überraschend, an den viel zu hohen Kosten. Bürgerabstimmungen sind für die Regierenden einfach nicht beeinflussbar und daher ein viel zu hohes Risiko. So können die Bürger ja ihre eigene Meinung durch setzen. Die Konsequenz aus dem Abstimmungsergebnis kann nur lauten: nie wieder Bürgerbefragung/Abstimmung. Wie kann man nur so vermessen sein zu glauben, man hätte die Beute schon im Sack? Das Volk folgt der Politik nicht mehr.
...also irgendwie ein wenig realitätsfremd kommt mir das schon vor?!
Fußball, Fußball, Fußball ...
und wenn man dann noch ein bißchen Interesse und Geld übrig bleibt, dann gibt's da halt noch ein jede Menge sportlicher Events für eine kleine, werbetechnisch jedoch uninteressante Menge.
So ist das Leben und man fragt sich: warum darben die meisten anderen Sportarten so vor sich hin?
"Damit klappt's vielleicht auch bei der nächsten Abstimmung. "
Oder auch nicht.
Ein Punkt, der m.E. bisher zu wenig Beachtung fand - zB. bei der Leichtathletik, beim Schwimmen oder Skifahren - ist, dass das Maximum, die physikalische Grenze weitgehend ausgereizt ist und damit die ganze Spannung.
Wenn da statt 9.84992 nur 9,84991 gelaufen wird - was solls? Das ist akademisches Herumgeschraube an nicht vorstellbaren Zeitwerten. Und 100 Meter in 0 Sekunden schafft man nicht mal bei Einsteins Theorie.
Fazit: Aufhören damit.
Stimme Ihnen zu, dass ist wirklich ein Problem. Das "Höher, schneller, weiter" wird nicht nur skeptischer betrachtet, es spiegelt ja den Fortschrittsglauben des 19. Jahrhunderts wieder, es ist auch objektiv ausgereizt. Wenn die entsprechenden Sportarten sich nicht neue be"gründen" können, werden sie marginalisiert. Meiner Meinung nach hat diese Entwicklung schon begonnen.
Ich würde mich auch nicht gern mit Doping-Mittel vollfüllen lassen...schon allein aus gesundheitlichen & ethnischen Gründen.