Als Uli Hoeneß noch etwas zu sagen hatte, im Herbst 2012, witzelte er über jene, die sein Portemonnaie nie füllten: "Ich habe noch keinen Vegetarier gesehen, der gelacht hat", sagte der Fleischfabrikant Hoeneß über den aufkommenden Trend, auf seine Würstchen zu verzichten. Was Hoeneß über Veganer denkt, die gar auf alle tierischen Produkte verzichten, ist nicht festgehalten. Man ahnt es.
Dabei ist vegan im Trend. In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der Veganer fast verzehnfacht. 900.000 Deutsche ernähren sich tierlos, so eine Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Botschafter der Szene, wie der Sänger Thomas D. von den Fantastischen
Vier oder der Koch Attila Hildmann wurden zu Stars, befreiten die
Veganer vom Ökofreak-Image und fahren heute mit dem Porsche zum
Bio-Supermarkt. Vegan ist vor allem in Großstädten längst Lifestyle. In Berlin-Friedrichshain gibt es das erste vegane
Fitnessstudio, jeder Supermarkt bietet regalweise Ersatzprodukte aus Soja oder Seitan.
Auch viele Profisportler interessieren sich für diese gesunde Art der Ernährung. Viele Experten zweifelten lange, ob man ohne Fleisch und die darin enthaltenen Eiweiße sportliche Höchstleistungen bringen könnte. Mindestens ein Bundesligaprofi kann das. Marco Sailer, heißt er, spielt für den SV Darmstadt und fällt nicht nur wegen seines Rauschebartes auf. Sailer ernährt sich seit einem Jahr vegan.
Reichen Quinoa-Samen, Hanf und Kürbiskerne?
Sportprofis leben die Selbstoptimierung, auch in der Ernährung. Sailer hatte oft muskuläre Probleme, er probierte ein wenig herum. Einmal hatte er Kohlenhydrate weggelassen, einmal nur Eiweiße gegessen oder abends gar nichts mehr zu sich genommen. "Das war alles kontraproduktiv ", sagt Sailer. Seine Verlobte war schon Veganerin, Sailer machte es ihr nach und nahm innerhalb weniger Wochen fünf Kilo ab. "Ich war mir sofort sicher, dass es mich weiterbringt", sagt er.
Die Liste der Produkte, die vegane Sportler nicht essen dürfen, ist lang. Nicht einmal Powerriegel sind erlaubt, meist steckt in ihnen Molkepulver. Doch reichen Quinoa-Samen, Hanf und Kürbiskerne für einen Berufssportler? "Es ist heute viel einfacher, auch veganen Fußballprofis alle wichtigen Nährstoffe bereitzustellen", sagt Dr. Klaus Pöttgen, der Mannschaftsarzt von Marco Sailer in Darmstadt. Pöttgen hat Sailer mit Messungen und Ratschlägen in den vergangenen Monaten begleitet und in der Sportärztezeitung dessen Werte veröffentlicht. Sein Urteil: "Wenn Profisportler professionell und mit Ergänzungsmitteln betreut werden, ist vegan eine gleichwertige Ernährungsart."
Um diesen Befund auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen, hat Pöttgen Sailer genau untersucht. "Meines Wissens hat bislang niemand zusammenhängend beschrieben, welche Laborparameter bei einem veganen Leistungssportler sinnvoll zu messen sind", sagt Pöttgen. Bei Sailer prüfte er unter anderem die Zink- und Eisen-Werte, entnahm Kalzium- und Vitamin-B12-Proben und beobachtete, wie sich die Werte verändert haben.
Keine muskulären Probleme mehr
Das machte Pöttgen mit einem speziellen Messverfahren zur Leistungsfähigkeit, der Bioelektischen Impendenzanalyse (BIA): "Die gute Nachricht: Die Werte haben sich nicht verschlechtert, manche wurden sogar besser", sagt Pöttgen. Keine Spur von befürchteten Mangelerscheinungen. Mehr noch: Sailer hat als Veganer keine Muskelverletzungen mehr, zuvor plagten ihn oft Faserrisse. Er sieht darin einen direkten Zusammenhang.
"Das Völlegefühl, dass ich früher öfter mal hatte, ist komplett verschwunden", sagt Sailer, "mein Körper ist athletischer geworden." Auch Extremsportler wie der Triathlet Brendan Brazier oder der Eishockeyspieler Sebastian Osterloh von den Straubing Tigers ernähren sich vegan. Die Tennisspielerin Venus Williams schwört drauf, Dirk Nowitzki lässt fast alle Milchprodukte weg, Dortmunds Mats Hummels trinkt Soja- statt normaler Milch. Vegan und Profisport, das schließt sich nicht aus. Allerdings sagt Marco Sailer auch: "Für mich ist es das Richtige. Ob das auch für andere stimmt, muss jeder selbst herausfinden."
Kommentare
Eine kleine Geschichte dazu: Ich bin selbst Sportler und vor ca. 7 Jahren zu einer veganen Ernährung übergegangen, u.a. weil ich mich beruflich und auch persönlich intensiv mit Ernährung und Lebensmittelproduktion beschäftigt habe. Ich hatte also den vollen Einblick in die Dinge und habe Konsequenzen für mich gezogen. Mir käme nicht auch nur im Entferntesten die Idee, deshalb mit meinem Finger auf andere Leute zu zeigen. Soviel dazu.
Nun zur Geschichte: Als ich mich sozusagen "geoutet" habe, wurde meine neue Einstellung als Krankheit (kein Scherz) abgetan und mit äußerster Skepsis betrachtet. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Die Gründe dafür sind vielfältig, von Unwissen bis zu bloßer Engstirnigkeit ist alles dabei. Gerade in Sportlerkreisen halten sich diverse Dogmen mitunter sehr lange, so auch wenn es um Ernährung geht.
Wie geht man damit um? Einfach durchziehen. Akzeptanz lässt sich nicht erzwingen. Man muss bzw. darf seine alten Kreise auch nicht meiden, solange es nur das ist. Es herrscht eine allgemeine Verunsicherung bzgl. der veganen Ernährung, die sich oft aus Unkenntnis speist. Das Interesse daran war noch vor ein paar Jahren konservativerweise verpönt, ist heute aber voll gesellschaftsfähig.
Auch wenn vegane Ernährung weder Hexenwerk noch Religion ist und der Vergleich zu pompös ausfällt, erinnert mich die Ablehnung der veganen Lebensweise an den Glauben der Scheibenartigkeit der Erde im Mittelalter. Dann kam Galilei. Und die Einsicht erst später.
Soweit mir bekannt, ist Herr Seiler i.M. nur Ergänzungsspieler. Inwieweit da ein Zusammenhang mit seiner Ernährung besteht, wäre interessant herauszufinden.
Bezugnehmend auf den Artikel ganz vorne meine Meinung:
Ohne Steaks mag es gehen, ohne Eier sollte man besser vom Fußball zum Sopran in einem Chor wechseln.
Ich mein ja nur, wie ist das überhaut geregelt, muss derjenige dann bei den Frauen mitkicken?
Was mich bei dem Artikel stört, ist, dass er diese Ernährungsweise per se mit dem Prädikat "gesund" versieht. Diese Ansicht breitet sich zwar momentan, vorwiegend in esoterischen Kreisen, aus (und führt dazu, dass sich Gläubige kurze Zeit später wesentlich mehr Pillen einschmeißen als bei der Schulmedizin, von deren "Chemie" sie loskommen wollten), entspricht jedoch nicht dem Stand der Ernährungswissenschaft.
Ob es gesund ist, auf Fleisch- und/oder Milchprodukte zu verzichten, hängt demnach einzig davon ob, wodurch man diese ersetzt und es gilt, dass die Menge das Gift macht.