Die Website des Ministeriums sieht täuschend echt aus: ein leicht modifizierter Bundesadler, Nationalflagge, gedeckte Farben. Aber hoppla! "Ministerium für Glück und Wohlbefinden" steht über alledem. Nie gehört. Gibt es das wirklich?
Nein, gibt es nicht – noch nicht. Wenn es nach Daniel Clarens und Gina Schöler geht, soll sich das irgendwann ändern. Die beiden Mannheimer Studenten sind die Urheber der Website. Im Rahmen ihres Kommunikationsdesign-Studiums haben sie eine Kampagne entworfen, die Teil ihrer Masterarbeit wird: Ihr Ziel ist ein Paradigmenwechsel in der deutschen Politik. Weg vom grenzenlosen Wirtschaftswachstum und der Selbstausbeutung. Hin zu einem System, in dem das Glück der Menschen zählt.
Im Moment, so sagen sie, orientiere sich die Politik vor allem an einem Faktor: dem Bruttoinlandsprodukt (BIP). "Das finden wir nicht ausreichend", sagt Clarens. Tatsächlich sagt das BIP zwar viel über die Wirtschaftsleistung aus – aber ein höheres BIP steht nicht zwangsläufig für mehr Wohlbefinden. "Durch die Flutkatastrophe wird das BIP zum Beispiel ansteigen", sagt Schöler. Berufsgruppen wie Maler und Installateure verdienen am Wiederaufbau. "Aber das Befinden der Menschen wird doch dadurch nicht besser. Darüber muss man diskutieren."
Um ebendiese Diskussion anzuregen, "besetzten" Clarens und Schöler bei einem Aktionstag den Alexanderplatz in Berlin. Um die Mittagszeit packten sie Decken, Kuchen und Obst aus und veranstalteten ein öffentliches Picknick. "Wir wollten die Passanten daran erinnern, sich auf das Wichtige zu besinnen", sagt Clarens. Viele Menschen nähmen sich ja kaum mehr Zeit für ein gutes Essen oder einen Moment der Ruhe.
Vorbild Bhutan
Das Picknick war nicht die einzige Aktion der beiden Studenten. Auf ihrer Facebook-Seite sammeln sie zum Beispiel "Glücksgeschichten", und sie haben ein "Glücksspiel" entwickelt: In 50 Schritten kann so jeder sein Umfeld "beglücken". Außerdem veranstalten sie an Mannheimer Gymnasien Workshops und fragen die Schüler: Was ist für euch Glück?
Aus den Antworten erhoffen Clarens und Schöler sich Aufschluss über eine Frage: Was macht die Menschen zufrieden? Und wie könnte die Politik ihnen dabei helfen?
Die Idee, Glück als Politikziel zu verankern, ist nicht neu. In Bhutan etwa wird die Politik nach dem "Bruttonationalglück" ausgerichtet. Das Himalaya-Land fragt seine Bürger regelmäßig nach ihrem Wohlbefinden, eine Kommission unterzieht wirtschaftliche Projekte einem "Glückscheck". Schadet ein Bauvorhaben beispielsweise zu sehr der Umwelt, wird es verworfen – wirtschaftlicher Nutzen hin oder her.
Kommentare
Franz Joseph Strauß
sorgte dafür, dass es in Bayern schon 1986 ein Ministerium für Glück gab. Behandelt wurden darin vorwiegend Fragen zu Landesentwicklung und Umwelt ;)
Ein weiteres Pöstchen
Brauchen wir wirklich einen weiteren Minister der 4 Jahre mist baut und dafür auch noch Geld kassiert?
@DerSchläfer
Das Amt kann nichts dafür. Es kommt immer nur darauf an, wer die Regierung stellt...
Glück als eines der schwierigsten Themen
Das Glück wurde in der Philosophie stark in der Antike behandelt. Danach wurde das Thema eher abseitig gelegt, bis dann erst wieder seit jüngerer Zeit das Ganze erneut aufgegriffen würde. Wenn man weiß was für diverse Glückskonzepte es gibt - nicht nur allein in der Antike, sondern auch in späteren Konzeptionen, wovon uns wahrscheinlich das Utilitarismus am ehesten geprägt hat im Zeitalter des Kapitalismus - wenn man das also weiß, ist man auch sehr vorsichtig was die diversen Bewertungen und Vergleiche von Glück angeht.
So wie der Artikel hier zurecht die Umfragen der Studenten kritisiert bspw. Ein iPhone mag tatsächlich für einen einkommensschwachen Jugendlichen eine Menge bedeuten. Gibt es aber nicht ohnehin wesentlich breitere Vorstellungen von Glück? Und was, wenn man tatsächlich dem Befund folgt ein wenig glücklicher "Großbürger" kann sich nicht mehr am Konsum erfreuen und würde stattdessen sich vor allen Dingen klügere Mitmenschen wünschen? Oder was ist mit jemandem der kein Glück in der Liebe hat: Soll dieser sich klügere Frauen wünschen?
Man ahnt da schon in welche Hinsicht das alles gehen kann. Ein Staat müsste für solche Leute ja dann diverse "Glücksmöglichkeiten" bereitststellen, wenn er seine Sache ernst nimmt.
Schließlich ist die Idee eines Glücksministeriums auch an sich doch irreführend. Wenn es um ein Bruttonationalglück geht, dann braucht es kein neues Ministerium, sonden vor allen Dingen eine grundlegende Riesenreform des gesamten Staates.
Eine aussagekräftige Überschrift
In Bhutan funktioniert es ja scheinbar auch. Und ich denke, dass die Leute da auch nicht so weltfremd sind und nicht wissen würden, was ein iPhone ist. Vielleicht sind die Leute dort einfach schlau genug zu wissen, dass ein iPhone nicht alles ist. Aber solange den Leuten hier gezeigt wird, dass Konsum Glück bedeutet, wird sich auch nichts ändern.
Mensch bin ich froh, dass ich glücklich bin, wenn ich etwas wertvolles mit meinen Händen schaffe und nicht durch Kaufen mit Geld, dass ich mit irgendnem Mist verdient habe.
An sich nicht blöd,
wenn 1. Glück - und die Wege dahin - quantifizierbar und für jeden gleich wären, es sich 2. erzwingen ließe und 3. sich das nicht so mit der hier vorherrschenden politischen Kultur beißen würde.
Außerdem waren meine ersten Assoziationen "Ministerium für Wahrheit", "Ministerium für Liebe" und "Ministerium für Frieden"... :)
Sehr schön, entlockte mir ein Lachen
es dauerte eine Sekunde, aber dann fiel der Groschen, aber das möge man einem Naturwissenschaftler verzeihen. Das ein Kommunikationsdesigner allerdings nicht erkennt, was sich da an Assoziationen bietet....
Traurig. Aber es gibt auch Deutschlehrer (sic!) die von Orwell noch nie etwas gehört haben.
Zur Idee an sich:
Nicht machbar, weil Glück sehr vieles bedeuten kann und sehr viel unterschiedliches. Ich bin glücklich, wenn meine Proben nach tagelanger, mühevoller Arbeit das machen, was sie sollen. Für jemand anderen ist das nur eine Linie auf einem Bildschirm.
Ich bin glücklich, wenn ich einige, aber nicht viele Menschen um mich habe und ich mich mit jedem einzelnen unterhalten kann. Andere sind in einer Menschenmenge glücklich.
Einige Menschen wollen auf dem Lande leben, andere bevorzugen die Metropole etc. pp.
Und die vorletzte These ist sehr richtig: Es ist gaaanz leicht zu sagen, dass Geld oder materielle Dinge nicht glücklich machen, wenn man genug hat.
Da wo Geldmangel herrscht, kann Geld sehr wohl glücklich machen, sei es, dass Sichherheit für den nächsten Monat da ist, oder eben, das Konsum nicht selbstverständlich ist, sondern eine Anschaffung etwas besonderes darstellt.
Vorläufiges Fazit: Studenten aus einigermaßen finanziell ausgestattetem Hause haben etwas von zweifelhaftem Nutzer studiert und wollen nun die Welt retten. Das mag ihnen unrecht tun, aber so kommt es rüber.
Und wer als Kommunikationsdesigner keine vernünftige Umfrage hinbekommtt...