ZEIT ONLINE: Herr Möller, das Bundesverfassungsgericht hat die Berechnung der Hartz-IV-Sätze für verfassungswidrig erklärt. Ein Fortschritt?
Joachim Möller: Die Entscheidung ist nachvollziehbar. Das bisherige Verfahren war teilweise intransparent und an einigen Stellen willkürlich. Es ist gut, dass der Staat nun genauer darlegen muss, wie die Sätze berechnet werden.
ZEIT ONLINE: Womöglich bedeutet das Urteil auch, dass einige Familien künftig mehr Hilfe erhalten werden. Ökonomen wie der ifo-Chef Hans-Werner Sinn finden das falsch, weil Eltern dadurch keine Anreize mehr hätten, arbeiten zu gehen. Teilen Sie die Meinung?
Möller: Es ist richtig, dass jemand, der arbeitet, am Ende mehr haben muss als einer, der Hilfe bezieht. Dieser sogenannte Lohnabstand ist bei Alleinerziehenden und Familien mit Kindern mittlerweile sehr klein. Das ist ein Problem. Unsere Untersuchungen zeigen aber auch, dass die Leute arbeiten wollen – entscheidend ist dabei keineswegs nur das Geld.
ZEIT ONLINE: Was dann?
Möller: Nehmen Sie die Gruppe der Alleinerziehenden unter den Hartz-IV-Empfängern. 90 Prozent von Ihnen sind Frauen, viele sind gut qualifiziert. Trotzdem schaffen rund 60 Prozent dieser Gruppe binnen zwei Jahren nicht den Sprung aus dem Hartz-IV-Bezug. Das liegt oft nur an den fehlenden Betreuungsangeboten für die Kinder.
ZEIT ONLINE: Also liegt der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz falsch, wenn er fordert, die Sätze für Hartz-Empfänger pauschal um 30 Prozent zu kürzen, um den Arbeitsanreiz zu erhöhen?
Möller: Ich teile diese Meinung schon deshalb nicht, weil das den Sozialstaat europäischen Typs torpedieren würde.
ZEIT ONLINE: Es wäre auch insofern paradox, weil es ja gerade ein Ziel der Hartz-Reformen war, Arbeit billiger zu machen. Auch deshalb ist der Lohnabstand gesunken.
Möller: Die Lohnspreizung ist nicht nur eine Folge der Arbeitsmarktreformen, sondern hat schon in den neunziger Jahren begonnen. Das hatte viele Gründe, unter anderem die technologische Entwicklung und der Lohnwettbewerb, der infolge der Globalisierung entstanden ist. In manchen Branchen – vor allem im Dienstleistungssektor – verfügen die Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt über eine Marktmacht, die es ihnen erlaubt, immer niedrigere Löhne zu zahlen. In vielen Fällen muss der Staat aus Beitragsmitteln die Löhne aufstocken, damit diese zum Leben reichen. Das ist nicht optimal.
Kommentare
Peinlich
"Also liegt der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz falsch, wenn er fordert, die Sätze für Hartz-Empfänger pauschal um 30 Prozent zu kürzen, um den Arbeitsanreiz zu erhöhen?"
Da haben wir seit 20 Jahren konstante 4 Millionen Arbeitslose - plus 10 Jahrelang 2 Mio in der alten BRD - und die sogenannten "Wirtschaftsweisen" schwaffeln weiter von Anreizen herum...
Alle vier Hartz-Reformen sollten zu einem Rückgang auf 2 Mio Arbeitslose führen - alle vier sind samt und sonders kläglich gescheitert.
Wenn man sich mal die Truppe anschaut, die in der Hartz Kommission versammelt war, wird einem Angst und Bange um Deutschland. Da gab es "Berater" von McKinsey und Roland Berger, Experten aus diversen DAX Unternehmen und zwei "Politiker". Wenn das die Leistungselite aus diesem Lande sein soll, dann ist mir klar warum es mit diesem Staat bergab geht...
Dem kann man nur zustimmen. Wirtschaftsweise sind
religiöse Fanatiker, sie folgen irgendwelchen Aposteln (z.B. Keynes) oder wie sie es nennen Schulen (Chigagoer oder Freiburger). Sie flüchten dabei in eine theoretische Scheinwelt, die oftmals das Fundament der Natur und damit von offenen Systemen vollkommen negiert und ihre eigenen Theorien auch nicht kritisch hinterfragen.
Leider sind sie aufgrund ihrer Position und der Inkompetenz der Politschauspieler die sich aufgrund ihres Nichtwissens auf die Ersteren verlassen, die Architeken des momentanen Chaoses und werden bei nicht eintreten ihrer Visionen, wieder irgendwelche Ausreden über die Nichtvorhersehbarkeit aus der Tasche ziehen. Das beste Beispiel ist dabei Bubbleboy Greenspan.
Natürlich...
... sind Mindestlöhne sinnvoll. Jetzt müssen wir das nur noch unserer korrupten Politikerkaste beibringen, der Niedriglohnsektor-Schröder-Clement-Partei SPD, der neoliberalen Besserverdienerpartei die Grünen, der Nein-zum-Mindestlohn-Kanzlerinnen-Partei CDU, der korrupten Mövenpickpartei FDP. Noch ein gutes Stück Arbeit.
Aber gibt es nicht auch die Gefahr, dass gerade bei den Niderigqualifizierten dann Jobs verloren gehen?
Oder ist kein Job besser als ein schlecht bezahlter Job?
Ein Grundeinkommen wäre sinnvoll
Der Abstand zwischen Existenzminimum und Niedriglohn ist eine Illusion. Wir sollten die Gelegenheit ergreifen, die sich jetzt mit diesem Urteil bietet - die Schaffung des bedingungslosen Grundeinkommens. Es wäre der notwendige Paradigmenwechsel, der Arbeit, Familie und Soziales tatsächlich reformieren würde.
Fördern - aber richtig!
Fördern von Langzeitarbeitslosen ist sicher eine gute Idee - aber wie mit "Fördermaßnahmen" unser Steuergeld verschwendet wird, spottet jeder Beschreibung. Ein seit Jahren arbeitsloser Schreiner, muß mit 57 Jahren ein Viertel Jahr Computerkurs absolvieren, Nicht-Teilnahme gilt als Arbeitsverweigerung. Auch mit Computerkurs hat ihn niemand eingestellt, und die gelegentlichen Kurzzeitangebote (er will ja arbeiten) benötigen wirklich keine COmputerkenntnisse.
Dafür darf der Realschüler nach seinem erfolgreichen Abschluß erst mal ein Praktikum machen - natürlich staatlich gefördert - weil er so für den Betrieb billiger ist als ein Lehrling.
Hört endlich auf, das Geld zum Fenster hinauszuwerfen, macht Kurzarbeit zum Standard (ohne Lohnausgleich!), und wer dann immer noch keine Arbeit hat, der kann von sich aus eine Weiterbildung vorschlagen, wenn er sie für erfolgversprechend hält - und wenn es das Jobcenter ebenso sieht, kommt es dafür auf. Aber an den endlosen Runden von Bewerbungstraining, Computer- und sonstigen Kursen verdient doch nur eine "Bildungsindustrie", die noch nicht mal den Begriff "Bildung" verdient.
@7.
Stimmt, in 8 Monaten mußte ich Geld zum Fenster rauswerfen ( sinnlose 3 Monatsmaßnahmen für ALGII-Bezieher). Der Bildungs-Träger hat sich dumm und dämlich verdient. Von 96 Teilnehmern wurden 7 in zweifelhafte (Teilzeit, Zeitarbeit) Jobs vermittelt, dafür gab es nochmal eine Prämie von der ARGE (400,00 pro Vermittlung).