Ölvorkommen weltweit: "Man kann sich auf die Daten der IEA nicht verlassen"
Die Internationale Energie Agentur schönt nach Meinung des Energiewissenschaftlers Lionel Badal ihre Ölprognosen. Im Interview fordert er eine Untersuchungskommission.
ZEIT ONLINE: Sie haben mit einem Mitarbeiter der Internationalen Energie Agentur ein Interview über die wichtigste IEA-Publikation, den World Energy Outlook, geführt. Dieser gibt jedes Jahr unter anderem einen Ausblick zu Ölmengen und Ölpreisen und ist für Regierungen weltweit eine entscheidende Datengrundlage. Was fanden Sie heraus?
Lionel Badal: Der ranghohe Mitautor des World Energy Outlook, der aus Angst vor Repressalien anonym bleiben möchte, sagte mir, dass die Daten zum zukünftigen Ölangebot zu optimistisch seien. Insbesondere würden die Ölfelder viel schneller als geschätzt erschöpft sein. Die möglichen Fördermengen gingen also viel schneller zurück. Der Fund neuer Felder und das mögliche zusätzliche Angebot daraus sei zudem überschätzt worden. Aus anderen Vorkommen wie Teersanden und der Tiefsee lasse sich außerdem viel weniger ausbeuten, als die Daten der IEA vermuten lassen.
ZEIT ONLINE: Was bedeutet das in Zahlen?
Badal: Die IEA geht in ihrem Ausblick 2008 offiziell davon aus, dass im Jahr 2030 täglich rund 104 Millionen Barrel Öl gefördert werden können. Doch nach Einschätzung des Experten sind selbst Mengen in Höhe von etwa 95 Millionen Barrel unrealistisch. Die Situation ist also weitaus schlimmer als bislang gedacht, Peak Oil, also das Fördermaximum, wird früher erreicht.
ZEIT ONLINE: Die Vorwürfe des Experten sollten sich doch überprüfen lassen. Wie steht es also um die Datengrundlage?
Badal: Das Problem ist, dass die öffentlichen Daten über Ölproduktion und Reserven sehr schlecht sind. Die IEA verwendet daher Daten aus der Industrie. Aber wie sie diese interpretiert, das macht sie nicht öffentlich. Es gibt auch kein unabhängiges Expertengremium, das die Methodik überprüft und die Ergebnisse auf ihre Objektivität hinterfragt.
Kann es sein, daß unser umweltbewegtes Zeitalter diese simplen Tatsachen noch nicht so recht verinnerlicht hat? Ex-Kanzler Schröder hat das vor ein paar Jahren ja mal schön auf den Punkt gebracht: Umweltschutz und Klimaschutz sind ja ganz nette Sahnehäubchen - aber beim Ölpreis hört der Spaß auf.
Bei der ganzen Klimaschutzdebatte im Moment bleibt doch eine wesentliche Botschaft hängen: Bezahle ein paar Pfenige Aufpreis für "irgendwas", - aber fühle Dich wohl in Deinem Konsum, so wie du es bisher gewöhnt bist. Ob da nun die Fernflugreise mit super-Öko-Umwelt-Kultur-Bildungs-Kommunikationszweck gemeint ist, die neuseeländischen Bio-Äpfel im Supermarkt, oder sonstwas. Flugzeuge fliegen nach wie vor mit Petroleum, Autos fahren mit Diesel oder Benzin. Selbst der Windstrom ist, wie wir wissen, abhängig von einer Pufferung mit Gasturbinenkapazitäten.
Daß es beim Ersatz der Kohlenwasserstoffe aus dem Bohrloch mit ebensolchen vom Acker ein Mengenproblem gibt, ist wohl auch keine Unbekannte.
Auch mit Blick die alternativen Autoantriebe - wenn eines Tages die 100 Mio Tonnen Benzin und Diesel von heute durch ein System aus Li-Akkus, Ladestationen etc. ersetzt sein sollten, - die Vorstellung der zugehörigen Mengen, sowohl Infrastruktur als auch Primärenergie (Wind?) sind abenteuerlich. Die Kapitalmengen dürften um ein vielfaches höher sein als die im aktuellen System, vom Bohrloch bis Autotank und Ottomotor.
Im Hinweis auf unsere Abhängigkeit vom Öl war man früher schon mal weiter.
50 Millionen PKWs in Deutschland, 12.000 km Fahrleistung p.a. und 20 kWh/100km Verbrauch unterstellt, brauchen Sie etwa 120.000 GWh Strom zusätzlich.
Das entspricht 10 Kernkraftwerken vom Typ Neckarwestheim 2 (reale Stromerzeugung pro Jahr seit 1989 durchschnittlich 11.400 GWh). Oder 8.000 Offshore Windkraftanlagen a 5MW (gerechnet mit realistischen 15 GWh Stromerzeugung pro Jahr, maximaler theoretischer Ertrag aufgrund der Nennleistung liegt bei 43,8 GWh).
Große Zahlen, ja, aber auch nicht völlig unrealistische Zahlen. Derzeit existieren bereits (mehr oder weniger konkrete) Planungen für etwa 5.500 Offshore-Windkraftanlagen in Nord- und Ostsee. Schwer wird es freilich, wenn man gleichzeitig Öl, Gas, Kohle und Atomkraft ersetzen will.
Diesen Bericht habe ich in einer Arbeit zitiert, allerdings nicht im Zusammenhang mit Öl, sondern mit dem weltweiten Energieverbrauch.
Prinzipiell könnten wir unseren Kampf, die Abhängigkeit von Öl zu reduzieren, als Chance begreifen generell unsere Abhängigkeit von Importen in diesem so wichtigen Sektor zu minimieren. Nur leider wird momentan verstärkt Öl durch Gas ersetzt und wir verschieben die Probleme nur um Jahrzehnte anstatt sie zu lösen, obwohl wir bereits Lösungsansätze haben, die es zu intensivieren gilt.
dass überhaupt noch Öl gefördert wird. Schließlich hat der Club of Rome 1975 prognostiziert, dass die Ölvorräte in 30 Jahre erschöpft seien.
Vor Jahren waren in die Luft geworfene Hühnerknochen und Kaffeesatz die Basis für Prognosen. Die hatten immerhin noch einen Nährwert!
Korrekturlese:
Hands in the Sand --> Heads in the Sand
Gut, dass immer wieder mal jemand das Thema anspricht, damit es nicht ganz im Sande versickert. Und vielleicht doch mal einige den Kopf aus selbigen ziehen und anfangen zu handeln.
Kommentare
Ressourcenabhängigkeit
Kann es sein, daß unser umweltbewegtes Zeitalter diese simplen Tatsachen noch nicht so recht verinnerlicht hat? Ex-Kanzler Schröder hat das vor ein paar Jahren ja mal schön auf den Punkt gebracht: Umweltschutz und Klimaschutz sind ja ganz nette Sahnehäubchen - aber beim Ölpreis hört der Spaß auf.
Bei der ganzen Klimaschutzdebatte im Moment bleibt doch eine wesentliche Botschaft hängen: Bezahle ein paar Pfenige Aufpreis für "irgendwas", - aber fühle Dich wohl in Deinem Konsum, so wie du es bisher gewöhnt bist. Ob da nun die Fernflugreise mit super-Öko-Umwelt-Kultur-Bildungs-Kommunikationszweck gemeint ist, die neuseeländischen Bio-Äpfel im Supermarkt, oder sonstwas. Flugzeuge fliegen nach wie vor mit Petroleum, Autos fahren mit Diesel oder Benzin. Selbst der Windstrom ist, wie wir wissen, abhängig von einer Pufferung mit Gasturbinenkapazitäten.
Daß es beim Ersatz der Kohlenwasserstoffe aus dem Bohrloch mit ebensolchen vom Acker ein Mengenproblem gibt, ist wohl auch keine Unbekannte.
Auch mit Blick die alternativen Autoantriebe - wenn eines Tages die 100 Mio Tonnen Benzin und Diesel von heute durch ein System aus Li-Akkus, Ladestationen etc. ersetzt sein sollten, - die Vorstellung der zugehörigen Mengen, sowohl Infrastruktur als auch Primärenergie (Wind?) sind abenteuerlich. Die Kapitalmengen dürften um ein vielfaches höher sein als die im aktuellen System, vom Bohrloch bis Autotank und Ottomotor.
Im Hinweis auf unsere Abhängigkeit vom Öl war man früher schon mal weiter.
Machbar
50 Millionen PKWs in Deutschland, 12.000 km Fahrleistung p.a. und 20 kWh/100km Verbrauch unterstellt, brauchen Sie etwa 120.000 GWh Strom zusätzlich.
Das entspricht 10 Kernkraftwerken vom Typ Neckarwestheim 2 (reale Stromerzeugung pro Jahr seit 1989 durchschnittlich 11.400 GWh). Oder 8.000 Offshore Windkraftanlagen a 5MW (gerechnet mit realistischen 15 GWh Stromerzeugung pro Jahr, maximaler theoretischer Ertrag aufgrund der Nennleistung liegt bei 43,8 GWh).
Große Zahlen, ja, aber auch nicht völlig unrealistische Zahlen. Derzeit existieren bereits (mehr oder weniger konkrete) Planungen für etwa 5.500 Offshore-Windkraftanlagen in Nord- und Ostsee. Schwer wird es freilich, wenn man gleichzeitig Öl, Gas, Kohle und Atomkraft ersetzen will.
World Energy Outlook 2008
Diesen Bericht habe ich in einer Arbeit zitiert, allerdings nicht im Zusammenhang mit Öl, sondern mit dem weltweiten Energieverbrauch.
Prinzipiell könnten wir unseren Kampf, die Abhängigkeit von Öl zu reduzieren, als Chance begreifen generell unsere Abhängigkeit von Importen in diesem so wichtigen Sektor zu minimieren. Nur leider wird momentan verstärkt Öl durch Gas ersetzt und wir verschieben die Probleme nur um Jahrzehnte anstatt sie zu lösen, obwohl wir bereits Lösungsansätze haben, die es zu intensivieren gilt.
Ich wundere mich,
dass überhaupt noch Öl gefördert wird. Schließlich hat der Club of Rome 1975 prognostiziert, dass die Ölvorräte in 30 Jahre erschöpft seien.
Vor Jahren waren in die Luft geworfene Hühnerknochen und Kaffeesatz die Basis für Prognosen. Die hatten immerhin noch einen Nährwert!
Sandköpfe
Korrekturlese:
Hands in the Sand --> Heads in the Sand
Gut, dass immer wieder mal jemand das Thema anspricht, damit es nicht ganz im Sande versickert. Und vielleicht doch mal einige den Kopf aus selbigen ziehen und anfangen zu handeln.