Die Zahl der Arbeitslosen ist im Mai wieder auf weniger als drei Millionen gesunken. Das ist eine gute Nachricht. Der positive Trend am Arbeitsmarkt hält an. In diesem Jahr könnte die Zahl dauerhaft unter drei Millionen bleiben. Wirtschaftsforscher erwarten im Jahresdurchschnitt eine Arbeitslosenquote von 6,9 Prozent. Das wäre der tiefste Wert seit der Wiedervereinigung.
Diese Feststellung gilt auch, wenn man alle Menschen mitzählt, die unter der Arbeitslosigkeit leiden, aber offiziell nicht als Arbeitslose gezählt werden. Etwa die vom Arbeitsamt bezahlten Ein-Euro-Jobber. Oder Erwerbslose, die von privaten Arbeitsvermittlern betreut werden und allein deshalb nicht als arbeitslos gelten. Auch diese Sicht ergibt: Weniger Erwerbslose gab es im vereinten Deutschland noch nicht.
Zu den guten Nachrichten gehört außerdem, dass in den vergangenen Jahren wieder verstärkt sozialversicherte Vollzeitjobs entstehen. Es wächst also gerade die Arbeit, die dringend gebraucht wird, um das Sozialsystem zu finanzieren.
Lösen sich jetzt also alle sozialen Probleme durch mehr Jobs? So einfach ist es leider nicht. Erstens stehen noch immer mehr als vier Millionen Menschen ohne Job da, wenn man die in allerlei Maßnahmen versteckten Arbeitslosen hinzuzählt. Dass es früher schon mal mehr waren, ist für die Betroffenen ein schwacher Trost. Für viele bleibt es sehr schwer, einen Arbeitsplatz zu finden.
Trotz des vielen Geredes über den Fachkräftemangel sind wir von Vollbeschäftigung und paradiesischen Zuständen am Arbeitsmarkt noch sehr, sehr weit entfernt. Das bedeutet zweitens, dass die Gefahr eine sozialen Spaltung weiter besteht. Einige Arbeitnehmer mit gerade sehr gesuchten Qualifikationen und einem speziellen Anforderungsprofil mögen tatsächlich von einem Fachkräftemangel in ihrem Bereich profitieren. Doch die große Mehrheit der Arbeitnehmer dürfte noch keinen Fachkräftemangel wahrnehmen. Und in einigen Segmenten des Arbeitsmarktes wird der Druck zu Niedriglöhnen bestehen bleiben.
Für die Politik heißt das: Sie darf die Arbeitsförderung nicht kaputtsparen. Qualifzierungsangebote für Arbeitslose, Gründungshilfen , Einarbeitungszuschüsse oder manchmal auch nur Hilfe bei der Kinderbetreuung für Alleinerziehende sind und bleiben wichtig. Statt Milliarden-Subventionen an die Industrie zu verteilen, wie es Schwarz-Gelb gerade bei den E-Autos plant , sollte die Regierung lieber die individuelle Unterstützung für Arbeitsuchende verbessern.
Auch bei den Löhnen, die in der Summe steigen, bleibt politischer Handlungsbedarf bestehen. Eine Radikallösung – ein hoher Mindestlohn von 10 oder 12 Euro die Stunde, so wünschenswert er wäre – birgt die Gefahr, dass damit auch die Arbeitslosigkeit stiege. Besser wäre ein zwar niedrig angesetzter, aber immerhin flächendeckender Mindestlohn. Als Vorbild sollte das britische Modell gelten, wo die Wirkungen schrittweiser Mindestlohn-Erhöhungen Jahr für Jahr sorgfältig untersucht werden.
Denkbar wäre auch, die Abgabenbelastung bei den niedrigen Einkommen zu senken. Gerade bei Geringverdienern beanspruchen die Sozialabgaben und gegebenenfalls die Steuer einen besonders hohen Anteil ihres Verdienstes. Sie erhalten deshalb wenig ausgezahlt, während ihre Arbeit im Vergleich dazu teuer ist. Auch da lohnte es sich anzusetzen, um die Beschäftigungslage weiter zu verbessern. Da gibt es für die Politik noch viel zu tun.
Kommentare
Mehr Risiko bitte
Wenn ich etwas nicht weiß, muß ich es ausprobieren. Dann weiß ich es. Wenn es nicht funktioniert, höre ich damit wieder auf. Wenn es aber funktioniert, habe ich einen Schritt nach vorne gemacht!
Beim Mindestlohn funktioniert es doch sehr einfach: Einführen (beispielsweise € 7,50) und abwarten. Funktioniert es, schrittweise erhöhen. Die ganzen theoretischen Berechnungen aufgrund von ökonomischen Modellen, die sich größtenteils in den letzten Jahren als haltlos erwiesen haben, bringt keinen Fortschritt und helfen nur die Eitelkeit jener zu bedienen, die sich gerne in abstrakten Debatten reden hören.
.....
In 22 der 27 EU Staaten gibt es einen Mindestlohn.
Es gibt einen Mindestlohn
Mit Verlaub: Es gibt in diesem Land de facto einen Mindestlohn: Das Niveau von HartzIV! Unter dem kann Arbeit nicht bezahlt werden ..... es ist ein unethischer minestlohn. Aber: wenn man einen höheren Mindestlohn festlegt (egal wie hoch oder niedrig), die Differenz zwischen HartzIV und Mindestlohn ist dann das Segment der Schwarzarbeit....
Und Fachkräftemangel: Wenn es den gäbe, müßten in diesen Berufen die Löhne hochgehen...... sowas gibts aber nicht.... ergo: Fachkräftemangel ist ein Kampfwort der Wirtschaftslobby zu weiterer Zuwanderung, um Löhne noch weiter zu drücken....
Nein...
Es gibt in diesem Land de facto keinen Mindestlohn. Die Arbeit wird tagtäglich unter dem H4-Niveau bezahlt, überwiegend bei jenen, die über gar keinen Bildungsabschluss verfügen und nicht einmal um ihren rechtlichen Anspruch wissen, aber lieber arbeiten, statt zu hause zu sitzen.
Klar, "unethisch" ist das sehr wohl, aber die Ethik ist heute zu einer Art Signatur für die gepflegte Heuchelei geworden, potemkinsche Dörfer...
Und zum Fachkräftemangel:
den gibt es schon, ohja, und deshalb platzt es aus allen Nähten in der Industrie: wer heute die Uni verlässt, kann teilweise zum Einstieg soviel verlangen, wie das einer bekommt, der schon seit jahren dabei ist.
keine bessere Methode zur Erzeugung von Arbeitslosigkeit
Ein paar Euro mehr, erreicht durch staatlich verordnete Mindestlöhne, und die Tarifautonomie ist weg, wie überhaupt jeder noch verbliebene Rest an Autonomie für diejenigen, deren Arbeitsplätze nun nicht mehr finanziert werden können. Dies in Frankreich bereits realisiert mit einer immer bedrohlicher werdenden Jugendarbeitslosigkeit. Fehlende Tarifautonomie ist ein Kennzeichen totalitärer Systeme. Dass die Gewerkschaftsspitzen hier selbst, zum Bonzenclub und Absahner in bundesdeutschen Aufsichtsräten mutiert, ihre einst schwer erkämpfte Tarifautonomie einfach wegwerfen, ist ein Elend dieser Zeit.
@ Nr. 4
Auch bei einem geltenden gesetzlichen Mindestlohn sind die Tarifparteien herzlich dazu eingeladen, einen eigenen Tarif - über dem gesetzlichen Mindestlohn - auszuhandeln. Niemand wird sie daran hindern.
Das tolle bei einem Mindestlohn ist nämlich, dass er ein MINDESTlohn ist. Das bedeutet, dass man keine Lohne zahlen darf, die UNTER dieser Grenze liegen. Ganz tolle Sache eigentlich.
Interessant wäre einmal eine Analyse zu den Minijobs,
denn auffällig ist, wie viele Stellen inzwischen in dieser Form angeboten werden. Aus dem Schüler- und Hausfrauenjob ist inzwischen ein weit verbreitetes Arbeitsmodell geworden. Eine Medizinische Fachangestellte oder ein Altenpfleger bspw. auf Minijobbasis, die davon nicht leben können und dann auch noch nicht mal sozial- oder krankenversichert sind? Häufig bekommen die Arbeitnehmer eines Minijobs noch nicht einmal einen Arbeitsvertrag, und die Arbeitgeber interessieren sich nicht wirklich für so nette Dinge wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaubsanspruch...