Jürgen Stark, einer der einflussreichsten Zentralbanker Europas, war sich seiner Sache sicher: "Spart der Staat bei den Ausgaben, um den Haushalt zu konsolidieren, sind durch den Gewinn an Glaubwürdigkeit schon nach kurzer Zeit positive Wachstumseffekte zu erwarten", schrieb der heutige EZB-Chefökonom 2003 in der Welt und berief sich auf empirische Studien.
Journalisten argumentieren gerne ähnlich: "Wer eisern spart und damit den staatlichen Rückzug anordnet, muss nicht zwangsläufig in eine Wirtschaftskrise abgleiten", argumentiert die Süddeutsche Zeitung . Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung betont unter der Überschrift Die Mär vom Kaputtsparen : "Wer Staatsausgaben kürzt, wird mit Wachstum und Arbeitsplätzen belohnt."
So verlockend diese Botschaft aber auch klingt - sie ist falsch. Das zumindest ist das Fazit einer neuen Studie eines dreiköpfigen Forscherteams aus der Forschungsabteilung des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Haushaltskonsolidierung kostet kurzfristig Wachstum
Wenn Regierungen die Steuern erhöhen oder die Staatsausgaben kürzen, um damit den Haushalt in Ordnung zu bringen, kostet das kurzfristig Wachstum und damit auch Jobs, stellen die IWF-Ökonomen Jaime Guajardo, Daniel Leigh und Andrea Pescatori fest.
Älteren Studien, die das Gegenteil feststellten und auf die sich Jürgen Stark und Co. berufen, attestiert das Forschertrio erhebliche Schwächen: "Die Standard-Methode, die bislang benutzt wurde, produziert verzerrte Ergebnisse", heißt es in der Arbeit mit dem Titel Expansionary Austerity: New International Evidence .
Dreh- und Angelpunkt der Debatte sind die kurzfristigen Wirkungen von Sparprogrammen - also die Frage, was höhere Steuern und niedrigere Staatsausgaben in den ersten ein bis drei Jahren für die Konjunktur bedeuten. Dass solide Haushaltspolitik auf Dauer positiv ist, ist weitgehend unstrittig - hohe Steuern und große Schuldenlasten lähmen langfristig das Wachstum.
Was aber passiert in den ersten Jahren, nachdem eine Regierung in der Fiskalpolitik den Schalter umgelegt hat und zu sparen beginnt? Die alte keynesianische Antwort lautet, dass die Konjunktur zumindest vorübergehend leidet, weil es zu Nachfrageausfällen komme.
In den neunziger Jahren ist diese Sicht in der Volkswirtschaftslehre jedoch aus der Mode geraten. In abstrakten mathematischen Modellen zeigten Ökonomen damals: Sparpolitik kann theoretisch auch sofort positiv wirken - wenn sie dazu führt, dass Verbraucher und Investoren optimistischer in die Zukunft gucken und höhere Einkommen erwarten.
"Wachstum braucht Vertrauen", erklärte Stark 2003 in der Welt diese Logik. "Solide Staatsfinanzen stärken das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Stabilität und Wachstum sind also keine Gegensätze."
Kommentare
Langfristig denken !
Was nutzt es, wenn hohe Verschuldung kurzzeitig Wachstum generiert aber dafür langfristig enorm schadet. Auch die neue Studie hat gezeigt: Langfristig ist Haushaltsdisziplin nützlich für das Wachstum und hält den Staat handlungsfähig .
Langfristig denken !
Substanziell denken!
Wenn erst mal alle Theater geschlossen, Schwimmbäder dicht gemacht, die Straßen unbefahrbar, ganze Stadtviertel aufgrund grassierender Kriminalität zu meiden und Schulen üblicherweise marode sind, dann werden die so gennanten "Leistungsträger" dahin gehen, wo die Lebensqualität noch annehmbar ist.
Ich kann mich nur wundern über die Irrationalität und Ideologielastigkeit dieser Debatte in Deutschland. Da sind die Deutschen keinen Deut besser als die Amerikaner.
Meiner Meinung nach sollte wieder viel stärker bedacht werden, welche öffentlichen Güter uns so viel Wert sind, dass es sich lohnt dafür kollektiv Abgaben zu erheben. Es mag ja sein, dass es Menschen gibt, die nie Theater oder Philharmonien besuchen, die öffentliche Schwimmbäder meiden, die keine Kinder haben. Diese Leute sollten aber nicht die Debatte über Steuersenkungen bestimmen.
Mal ganz abgesehen davon, dass bei Ihrem Kommentar die Halbwertszeit der öffentlichen Wahrnehmung gut zu beobachten ist. Die Regierungen Schröder und Merkel haben den Bundes- und Kommunalhaushalte durch Steuersenkungen Einnahmen über 100 Mrd € genommen. Es erscheint logisch, dass das Haushaltsdefizit dadurch struktureller Natur ist.
Langfristig denken ja, aber dann erhalte man langfristig auch die gewachsenen öffentlichen Strukturen.
Unglaublich
In der Wirtschaft lautet eine Kernfrage "Verglichen mit was?"
Wer Wachstum mit Geld finanziert, das er nicht hat - das er sich also leihen muß - und das er nicht zurückzahlen kann, der wird mittelfristig definitiv nicht mit "Wachstum und Arbeitsplätzen" belohnt. Er hat Wachstum durch eine Blase erzeugt und wird schon bald kräftig auf die Nase fallen. Die letzte Kreditblase samt Crash ist noch nicht so lange her, da will man ernsthaft behaupten, Sparen sei schlimmer sei kreditfinanziertes "Wachstum"?
Wer seine Kinder enterbt
der lebt jetzt etwas reicher. Mit Schulden belasten dagegen ist sozusagen Erben in der falschen Richtung. Pikanterweise von jemandem für den man die Vollmundschaft hat. Oder noch besser, man bekommt erst garkeine Kinder!
Insofern ist die wissenschaftliche Aussage um die es im Artikel geht einfach trivial.
Anders herum gedacht, wenn man die Eltern entmündigt und ihnen ihr Vermögen wegnimmt, dann gilt das als unmoralisch. Warum nicht Staaten, die Schulden aufnehmen, und das gleiche mit der Kindergeneration tun?
Etwa wegen der Werte, die mit den Schulden angeblich geschaffen wurden? Nein, denn die sind nicht ausreichend vorhanden, das Geld ist mindestens zum Teil verpulvert. Denn sonst hätten wir jetzt kein Problem.
Liebe (Groß-)Elterngeneration, zahlt eure Zeche bitte selber!
Danke.
Sparen , nicht sparen
Das ist unserer Regierung Wurst, hauptsache die Parteilinien stimmten wie zu DDR Zeiten! Wehe einer stimmt im Parlament seiner Überzeugung entsprechend, dann " steht die Stasie vor der Tür"! Diese Politischen Hanswürste sind mir sowas von über! Seltsamerweise maschiert die Linke nicht in dieser Richtung.