Wachstumskritik ist in Mode. Wer auf öffentlichen Veranstaltungen Argumente gegen das Wirtschaftswachstum vorträgt, erhält sicher heftigen Applaus. Es ist eine seltsame Allianz entstanden aus wertkonservativen Kritikern des Anspruchsdenkens gegenüber dem Wohlfahrtsstaat, postindustriellen Selbstversorgungsromantikern und linken Kapitalismusgegnern. Sie trauen dem ökologischen Umbau der Industriegesellschaft ("Green Economy") die Lösung der Umweltfrage nicht mehr zu und fordern einen wesentlich grundlegenderen Ansatz.
Doch die Abkehr vom Wachstum hat auch ihre Fallstricke – vor allem, wenn sie nicht ausreichend gründlich vorbereitet ist.
Es besteht wohl Einigkeit darin, dass der Abschied vom Wachstum nicht nach dem Modell Griechenlands erfolgen sollte: als unkontrollierter Zusammenbruch der Systeme sozialer Sicherheit, der viele Menschen in Existenznöte stürzt. Er entfesselt eine politische Radikalisierung, die letztlich auch die Demokratie gefährden könnte. Durch ein Spardiktat für alle europäischen Länder, das alleine auf die Schuldenbremse setzt, wäre – zumindest ein vorübergehender – Abschied vom Wachstum schneller zu erwarten, als es sich die Verfechter der Postwachstumsgesellschaft je erträumt hätten. Nur ist durch eine solche Schocktherapie nichts zu lösen.
Ohne Wachstum im Teufelskreis
Konsumkritik und Suffizienz gehören vielfach auch zum Postwachstumsdiskurs. Wie aber der hieraus resultierende Teufelskreis aus sinkenden Investitionen, Beschäftigung und Nachfrage, schrumpfendem Sozialprodukt und steigender Staatsverschuldung vermieden werden könnte, ist den Wachstumskritikern selbst nicht klar. Wollen sie ihrem Konzept politische Akzeptanz verschaffen, muss diese Frage aber beantwortet werden.
Die Umwelt- und Klimapolitik gerät durch die sich abzeichnende europäische Postwachstumsökonomie in die Defensive. So geschieht es regelmäßig in wirtschaftlichen Krisenzeiten – unabhängig davon, ob man das nun ökonomisch für klug hält oder nicht. Belege dafür findet man insbesondere in der schwächelnden europäischen Klimapolitik.
Ökologische Grenzen ins Zentrum der Debatte
Ökologische Grenzen einzuhalten, bedeutet, den stofflichen Umsatz des Wirtschaftskreislaufes radikal zu vermindern. Entnommene Rohstoffe, überschüssige Kuppelprodukte und Emissionen müssten also reduziert werden. In welchem Verhältnis die stoffliche Dimension zum Wert der produzierten Güter steht, ist alles andere als eindeutig – auch wenn beide nicht ganz voneinander entkoppelt werden können. Wichtig ist dabei, dass wir Entkopplung nicht nur auf Effizienz verkürzen: Es geht auch darum, die Umweltfolgen des immer noch unvermeidlichen Ressourceneinsatzes zu begrenzen. Wie sich das auf den Gesamtwert der in Marktpreisen bewerteten verbrauchten oder erzeugten Güter, das Bruttoinlandsprodukt, auswirkt, ist erst einmal zweitrangig.
Zum Beispiel in der Klimadebatte: Dort wird gefordert, den weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen bis 2050 um bis zu 95 Prozent zu senken, um die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu halten. Eine stagnierende oder schrumpfende Wirtschaft hilft wenig, das Ziel zu erreichen. Der entscheidende Beitrag kommt zustande, wenn wir Energie effizienter nutzen oder unsere Energieversorgung komplett auf Erneuerbare umstellen.
Kommentare
Dazu gab es heute morgen ein interessantes Interview im DLF,
Ottmar Edenhofer. Er beschreibt die unbedingte Notwendigkeit, die Vorfahrt für die "green economy" in einem internationalen Abkommen zu kodifizieren, denn sonst wird jeder Spielraum rücksichtslos durch neues "schmutziges" Wachstum aufgefressen.
Man muss realistischerweise sehen, dass momentan z.b. ein absoluter Kohleboom herrscht. Dagegen kannman nur mit internationalen Abkommen oder aber eben einer wirklich konkurrenzfähigen "grünen Technologie" gegen angehen.
http://www.dradio.de/dlf/...
Erkenntnis
In der Tat tut Ökonomie Not, ob sie nun grün ist, ok, solange sie auch ökonomisch ist und nicht subventioniert wird, d.h. nämlich nichts anderes, als dass die Subvention durch schmutzige Ökonomie verdient werden muss.
Auch ist das BIP leider doch auf der Steuereinkommensseite nicht zu vernachlässigen, denn mehr Schulden bedingen höhere Zinslast im Haushalt und die sind nur durch Wachstum zu erzielen, dafür ist dann wieder das BIP ein Indikator.
Diese Debatte erinnert mich
ein wenig an die, als der Katalysator in Kfz eingebaut wurde, um schädliche Abgase zu begrenzen. Hier ist es nicht anders: Was hilft eine Einsparung von x % in einer Periode, wenn die Erdbevölkerung in dieser Periode um x % + y wächst?
Naja...
Leider nur ein oberflächlicher Text - der den Status Quo in Watte hüllt. Aufschlussreicher und tiefgehender ist dieser Text: http://bit.ly/NPOVgl.
»Die Entkopplung von Wachstum und ökologischen Schäden könnte zumindest das Klima- und Energieproblem lösen.«
Es stellt sich die Frage, ob diese Entkopplung überhaupt vollzogen werden kann. Das klingt zwar schön, aber auch unumsetzbar.
»(...) aber politische Maßnahmen können verhindern, dass Effizienzgewinne direkt oder indirekt wieder verkonsumiert werden.«
Das sorgt dann aber wieder für weniger Wachstum. Das ist ja ausgangs nicht gewollt.
»Doch die Abkehr vom Wachstum hat auch ihre Fallstricke – vor allem, wenn sie nicht ausreichend gründlich vorbereitet ist.«
Das ist, denke ich, wohl jedem bewusst.