Es ist ein ehernes Prinzip des deutschen Steuersystems, das seit genau 119 Jahren Gesetzeskraft besitzt: Je mehr Geld ein Mensch verdient, desto größer ist der Anteil, den er davon an den Staat abgeben muss – im Jahr 1893 führte der damalige preußische Finanzminister Johannes von Miquel diesen Grundsatz ein. Je reicher man ist, so die Logik dahinter, desto größer ist die steuerliche Leistungsfähigkeit.
Daher entfallen derzeit rund drei Viertel des Einkommensteueraufkommens auf das reichste Viertel der Deutschen. Sie sind damit das Rückgrat der deutschen Staatshaushalte.
Dennoch: In den letzten Jahren sind ausgerechnet die durchschnittlichen Steuersätze der Superreichen deutlich gesunken. Das ist das Ergebnis einer Studie von Stefan Bach (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung), Giacomo Corneo und Viktor Steiner (beide Freie Universität Berlin), die demnächst im German Economic Review erscheint, das der traditionsreiche Verein für Socialpolitik herausgibt. Die Forscher haben mit Millionen anonymisierter Steuerdateien untersucht, wie sich die tatsächliche Steuerbelastung von Arm und Reich in den letzten Jahren entwickelt hat.
Die drei Wissenschaftler stützten sich bei ihrer Analyse bewusst nicht nur auf die Steuertabellen des Finanzministeriums – denn daraus lässt sich lediglich der Zusammenhang zwischen zu versteuerndem Einkommen und Steuersatz ablesen, nicht aber das Verhältnis zum wahren Gesamteinkommen. Weil die Bürger in der Steuererklärung einiges abziehen können – etwa Freibeträge, Sonderausgaben oder Werbungskosten – ist der Unterschied oft beträchtlich. Die Forscher wollten daher genau wissen, welche Einkommensschichten wie viel geltend machen.
Bis 1998 – also vor den Steuerreformen der rot-grünen Bundesregierung – stieg der Anteil der zu zahlenden Steuern mit wachsendem Einkommen noch relativ gleichmäßig an, zeigen Corneo, Bach und Steiner. So mussten die reichsten 50.000 Haushalte, die mindestens eine Million Mark pro Jahr verdienten, 37 Prozent zahlen. Die Allerreichsten 50 – mit jährlichen Einkommen jenseits der 100 Millionen – zahlten sogar 48 Prozent. Der Durchschnittssteuerzahler dagegen musste 12 Prozent abführen.
Unter der rot-grünen Bundesregierung Gerhard Schröders änderte sich das Bild aber deutlich. Ihre Steuerreformen führten nicht nur zu einer generellen Reduzierung der Einkommensteuersätze, sondern auch zu einem Knick in der Progression.
Die Superreichen wurden überproportional stark entlastet und zahlen seitdem relativ gesehen weniger Steuern. So müssen die 50 Superreichen nur noch 29 Prozent ihres Einkommens abgeben, stolze 19 Prozentpunkte weniger als zu Kanzler Kohls Zeiten. Sie zahlen damit relativ gesehen weniger als diejenigen, die zwischen einer halben und 2,5 Millionen Euro verdienen. Die nämlich haben jetzt den höchsten Durchschnittssatz: 34 Prozent. "Die Progressivität der Steuer hört beim reichsten Prozent auf", schreiben die Forscher.
Steuertricks sind bei den Superreichen äußerst beliebt
Der Grund für den Knick in der Kurve: Die Reformen gaben den Superreichen einen Werkzeugkasten an legalen Steuertricks, mit dem sie ihr zu versteuerndes Einkommen massiv drücken konnten. Weil sie ihr Einkommen meistens aus unternehmerischen Tätigkeiten und nicht als Arbeitslohn beziehen, standen ihnen nun viele Schlupflöcher offen, zum Beispiel bei Leasing- und Mietgeschäften im Immobilienbereich.
Die Studie der drei Forscher hat unter Ökonomen für einige Diskussionen gesorgt. Ein Forscherteam um den Grazer Professor Rainer Niemann wirft Bach, Corneo und Steiner unter anderem vor, die Belastungen durch die Gewerbesteuer ausgeklammert zu haben, die viele Reichen wegen ihrer Unternehmertätigkeit zahlen müssen.
Die Berliner Wissenschaftler weisen dieses Argument zurück: Auch wenn man die Gewerbesteuer berücksichtigte, ändere sich nichts an der Tatsache, dass die reichsten Haushalte einen geringeren Prozentsatz zahlen müssen als die Einkommensgruppen unter ihnen, betont Viktor Steiner.
Der eherne Grundsatz von Johannes von Miquel gilt also in Deutschland nicht mehr – zumindest nicht am ganz oberen Ende der Einkommensverteilung. Für die Akzeptanz des Steuersystems ist das nicht unproblematisch. Denn die Steuerprogression entspricht dem Gerechtigkeitsempfinden der Bürger. So sind die Menschen in Ländern, wo die durchschnittlichen Sätze deutlich mit dem Einkommen steigen, tendenziell zufriedener, zeigte jüngst eine im renommierten Fachblatt Psychological Science erschiene Studie eines Forscherteams um den deutschen Psychologen Ulrich Schimmack.
Das gilt allerdings nur, solange der Staat nicht die Steuersätze als Ganzes anhebt und mehr Geld ausgibt. Die Menschen befürworteten eine Steuerpolitik, die Reichtum umverteile, schreiben die Autoren – aber nicht unbedingt einen starken Staat oder per se hohe Steuersätze.
Kommentare
Kastanien aus dem Feuer geholt
Die SPD und die Grünen haben damals für die Union und Lobby-FDP die Kastanien aus dem Feuer geholt - so hätten sie selbst nie vorgehen können ohne gewaltige öffentliche Proteste zu bewirken.
Die Aufgabe der nächsten Regierung muß vor allem darin bestehen, die ausufernder Einkommens- und Steuer-Ungerechtigkeit komplett zu revidieren und jeden nach seinen Möglichkeiten am Steueraufkommen zu beteiligen - nicht mehrund nicht weniger.
@ 1 CM Herrlich
Waren die gewzugen? Herrlich wie man es immer wieder schafft, dass CDU und FDP an allem schuld sind. Dabei hatte Lafontaine nur blockiert vorher.
Minister die damals regierten, z.B. Wolfgang Clement.
Heute: Im Aufsichtsrat der Investmentgesellschaft BLM (Berger Lahnstein Middelhoff & Partners LLP).
Darüber hinaus sitzt er im Aufsichtsrat (Personalausschuss) des fünftgrößten deutschen Zeitarbeitsunternehmens Deutscher Industrie Service (DIS), nachdem er als Bundesminister noch den gesetzlichen Rahmen für Leiharbeit liberalisiert hatte (Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Die DIS wurde mehrheitlich (83 Prozent) vom Schweizer Konkurrenten Adecco erworben, und Clement übernahm den Vorsitz des neuen Adecco Institute[35] zur Erforschung der Arbeit, das vollständig vom Adecco-Konzern finanziert wird und Teil des Unternehmens ist. Mittels Primär- und Sekundärforschung sowie durch Konferenzen und Diskussionsforen soll auf die Öffentlichkeit eingewirkt werden.
Im August 2010 positionierte sich Clement als einer von 40 prominenten Unterzeichnern des Energiepolitischen Appells, einer Lobbyinitiative der vier großen Stromkonzerne um die Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke voranzubringen.
Im Januar 2011 wurde Clement zum Beiratsvorsitzenden der Einkaufsberatung Kloepfel Consulting berufen.Zitat aus deren Kurzprofil(http://www.kloepfel-consu...)"Wir senken Beschaffungs- und Produktkosten, erhöhen die Materialeffizienz und steigern somit die Liquidität und Umsatzrendite unserer Kunden. Unsere Kunden sind Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen sowie öffentliche Institutionen. "
So macht man das!
.....
Einfach nur widerlich...
Das war doch die Absicht!
Rot und Grün und Superreiche gehören einfach zusammen!
...
Damals wie heute.
Stimmt
Zitat: "Rot und Grün und Superreiche gehören einfach zusammen!"
Das lässt sich nach der Regierungszeit von Rot-Grün im Bund 1998-2005 mit gutem Grund feststellen.
Ich jedenfalls werde diesen beiden Parteien 2013 gegenübertreten wie einem falschen Fuffziger: Hands off!
Man kann was tun!
www.umfairteilen.de
Für mehr soziale Gerechtigkeit.
Mit Infos, Argumenten und Unterschriftenliste.
Bitte unterschreiben und weiterleiten - danke!