Im vergangenen
Herbst wurde es eng. Da bekam Torsten Smit zahlreiche Anrufe von Landwirten. Die einen wollten Gülle loswerden, die anderen suchten dringend welche. Smit ist
Geschäftsführer von ODAS, einer Firma aus dem westfälischen Dorsten, die sich auf das Geschäft
mit Dung spezialisiert hat (Slogan: "Wir machen den Stall frei").
Wenn die Ställe voll sind von Gülle, holt er den Dünger ab und transportiert ihn zu anderen Bauern, die damit ihre Felder düngen oder Biogasanlagen betreiben. Smit kümmert sich dann um alles: Er lässt den Dünger liefern, "gekippt oder gestreut". Wer will, dem injiziert ODAS die Gülle sogar gleich unter die Erde.
Im vergangenen Herbst hatte Smits Firma sogar Anfragen aus dem niedersächsischen Uelzen vorliegen. Dort wollten Landwirte teuren Mineraldünger sparen und waren auf der Suche nach Gülle. Smit kalkuliert – und kam zu dem Schluss: am günstigsten ist der Transport per Schiff, nicht per LKW. Er mietete ein Binnenschiff an und betankte es mit 1.200 Tonnen Gülle. Mehr als 350 Kilometer fuhr es den Mittellandkanal hinauf, bis nach Niedersachsen. Gleich zehn Mal pendelte das Schiff zwischen Marl und Uelzen.
Es war eine Entwicklung der Landwirtschaft, von der kaum ein Deutscher etwas mitbekam. Tatsächlich aber ist die Entsorgung von Gülle längst zu einem großen Problem für viele Bauern geworden – und zu einem Millionengeschäft. Allein Smit kommt mit seinen 50 Angestellten auf einen einstelligen Millionenumsatz, und er ist nur einer von Dutzenden Unternehmen in Deutschland, die sich auf das Geschäft spezialisiert haben.
Rund 47 Millionen Tonnen Dung fielen im vergangenen Jahr allein in Niedersachsen an, schätzt die dortige Landwirtschaftskammer. Das Bundesland ist das wichtigste Agrarland in Deutschland und ein Ort, wo die konventionelle Landwirtschaft ihre schlimmsten Auswüchse zeigt. Nirgendwo sonst leben so viele Schweine, Hühner und Rinder auf so wenig Fläche. Sie produzieren Gülle, rund um die Uhr, jeden Tag. Und je mehr Tiere es gibt, desto größer ist das Problem. Die Bauern müssen den Behörden genügend Flächen nachweisen, auf denen sie ihre Gülle ausbringen.
Zu wenig Fläche für zu viel Gülle
Doch in Wahrheit reicht der Platz in der Umgebung nie aus. Allein in Vechta und Cloppenburg fallen laut Landwirtschaftsministerium jährlich rund 3,3 Millionen Tonnen Gülle zu viel an.
Es ist eine der unappetitlichen Nebenwirkungen der Massentierhaltung und des Schnitzels für 1,99 Euro: In manchen Monaten des Jahres herrscht Güllenotstand in Deutschland. Deshalb muss die Gülle auf Reisen gehen, deshalb wird der Handel mit ihr zum Geschäft.
Ein weiterer
Grund: Zu viel Gülle bedeutet immer auch eine Gefahr für das Trinkwasser. Denn
die Gülle enthält Nitrat und Phosphat, das in den Boden sickert. Wird zu viel
Gülle auf ein Feld gekippt, belasten diese Salze das Grundwasser. Laut
Christian Meyer, dem grünen Agrarminister in Niedersachsen, hat das Bundesland
schon heute "große Probleme mit
Nährstoffüberschüssen".
An 51 von 102 der Grundwasserstellen wurden bereits die Grenzwerte für Nitrat überschritten. Die Europäische Union schreibt eigentlich vor, dass sich der Zustand der Gewässer bis 2015 nicht verschlechtern darf. In Niedersachsen geschieht genau das jeden Tag. Niemand in dem Bundesland glaubt mehr, dass man die Vorgaben aus Brüssel erfüllen kann.
Kommentare
Luxusprobleme
Generell wird der Landwirtschaft Stickstoff und besonders Phosphor langfristig "ausgehen", wir sollten froh sein in einem Zeitalter des Überflusses zu leben (bei fallender Lebensmittelproduktion wäre nämlich "Schluß mit Lustig"). Ironischerweise hat sogar der steigende CO2 Gehalt der Atmosphäre einen stimulierenden Effekt auf das Pflanzenwachstum (Gewächshausgemüse wird sogar noch extra mit CO2 begast).
Stickstoff geht aus?
Also bei den Phosphaten muss man sicher in wenigen Jahrzehnten eine Alternative zum Abbau von Bodenschätzen finden - absolute Zustimmung, riesiges Problem, aber der Stickstoff wird uns glücklicherweise niemals ausgehen. Den nimmt man nämlich aus der Luft, nicht aus dem Boden http://de.wikipedia.org/wiki… Und in die Luft kehrt er recht bald auch wieder zurück http://de.wikipedia.org/wiki…
Titelbild
Auf dem Titelbild ist keine Gülle sondern Jauche.
Die Ausscheidungen der Viecher zusammengemischt heißt Gülle. Das stimmt.
Wenn man sie aber trennt nennt sich das eine Jauche und das andere meistens zusammen mit Stroh Mist.
Danke für ihre Korrektur
Es ist für den gehalt des Artikels völlig irrelevant. Es ist auch für 80% aller leser völlig irrelevant. Das was hier zählt, steht in einigen hundert Wörtern unter dem Bild, versuchen sie es mal, es lohnt sich...
Ställe voller Gülle?
"Die Ställe quellen über vor Gülle!"
Da muß ein wahrer Fachmann vor Ort geween sein, um diesen Beitrag zu recherchieren. Ich habe noch keinen stall gesehen, der überquellt vor lauter Gülle. Die Gülle würde aus den Türen des Stalles herauslaufen, wenn sie nicht sowieso über Abflusskanäle in große Becken laufen würde.
Aber der Schreiber meint wohl , die Kühe und Schweine stehen bis zu den Schultern in der Gülle....
Naja, wenn man direkt von der Uni an den Schreibtisch geht, hat man vielleicht falsche Vorstellungen von einem Bauernhof.
Da fällt mir ein, daß ich heute schon mehrmals gehört habe, daß man in Zukunft tatsächlich Experten mit dazuholen will, wenn man die Fischfangquoten festlegt. Ist schon gut, wenn man Experten ran läßt. Sonst stehen irgendwann die Meere voller Gülle und die Fische gehen an Land.
Auf einen informativen, gut recherchierten Artikel
folgt unweigerlich die Stunde der Wortklauber, Schwätzer und Besserwisser.
Berlin versorgen
Zit" Früher habe ein Landwirt nur so viele Tiere gehalten, wie er mit Futter von der eigenen Fläche versorgen konnte."
Damit könnte man nicht mal Berlin versorgen mit Nahrungsmitteln mit so einer Infrastruktur. Nicht mal mit eine kollektiven Betrieb neben dem anderen.
Um 1900 hatte man ausgerchnetr, dass Paris im Pferdemist versinken würde. Dann wurde das Automobil erfunden. Die Hoffnung, dass angesichts des Gülle Problems in Deutschland eine weitgehend subventionslose technisch und kompensatorische Lösung egfunden wird, kann man wohl aufgeben. Auch wegen solcher Mentalitäten wie der oben zitierten.
Vermutlich wird man eher Verzicht aufs Essen und Konsumverzicht (Essen und Trinken sind aber leider Grundbedürfnisse) predigen im gelobten Wein Trinker - Wasser Prediger Tugendland.
Verantwortung für die Welternährung
Es kann schon so kommen, dass wir in Mitteleuropa eine stärkere Verantwortung für die Welternährung übernehmen müssen. Man muss sich folgendes vor Augen halten: das absolute Gro der Böden in Deutschland sind auch ohne Düngung per se fruchtbar (natürlich bleibt das nicht so wenn man ohne Düngung Landwirtschaft betreibt) und es braucht in aller Regel keinerlei künstliche Bewässerung, die natürlichen Niederschläge reichen. Das ist im weltweiten Vergleich eher die Ausnahme als die Regel. Seien es die Feuchtterassen für Reis (inkl. enormer Methangasemissionen, die die gleiche Dimension wie die Methanemissionen der Schlachttierhaltung im Westen haben!), die routinemäßige Bewässerung der großen Felder in den USA, der Landwirtschaft im Nahen Osten oder Südeuropa...
Wir haben hier etwas sehr wertvolles, wir leben auf einem der wenigen Landstriche der gesamten Erde die ganz natürlich dauerhaft fruchtbar sind, dicken Humus aufweisen und keine extremen Trocken- und Regenzeiten kennen (beides schlecht für Landwirtschaft). Das können wir nicht einfach vergeuden indem wir diesen Boden immer mehr zubauen oder gar von der EU subventioniert brachliegen lassen, oder einfach auch nur nicht maximal möglichst nutzen. Für diesen ideologischen Luxus werden im Regenwald umso mehr Landstriche vernichtet, zuerst die Rodung, dann überdüngte Landwirtschaft bis die dünne Erdschicht erodiert ist, es bleibt eine neue Wüste. Wir leben doch nicht auf einer Insel in Deutschland.