Mal angenommen, Amerika würde plötzlich die soziale Gerechtigkeit entdecken. Wäre die Welt besser, menschlicher, schöner? Oder ginge sie schnurstracks zugrunde?
Seit Wochen debattiert man in Amerika über diese Frage. Ausgelöst wurde die Diskussion durch eine neue Theorie. Ihr zufolge würde eine großzügige Sozialpolitik europäischen Stils zwar vielen Amerikanern helfen. Der Rest der westlichen Welt würde jedoch unter dem neuen Sozialkurs leiden. Warum? Weil am Ende weniger Bürger ein unternehmerisches Risiko eingehen würden, was wiederum der Weltwirtschaft schadet.
Die Theorie stammt von den Ökonomen Daron Acemoglu (MIT), James A. Robinson (Harvard) und Thierry Verdier (École d'Économie de Paris). Acemoglu und Robinson haben auch das faszinierende Buch Warum Nationen scheitern geschrieben, in dem die Autoren die Unterschiede zwischen erfolgreichen und gescheiterten Staaten erforschen. In ihrem Aufsatz Choosing Your Own Capitalism in a Globalized World vergleichen die beiden Wissenschaftler die zwei wirtschaftlichen Spielarten des Westens: "Kuschelkapitalismus", wie es ihn vor allem in Skandinavien (man kann auch sagen: in ganz Europa) gibt, und "Halsabschneiderkapitalismus", wie wir Amis das vorziehen.
Das eine geht nicht ohne das andere
Acemoglou, Robinson und Verdier denken diese Idee nun weiter. Sie glauben, dass beide Spielarten des Kapitalismus zusammenhängen. Der "Kuschelkapitalismus" in Europa sei eben nur deshalb möglich, weil die USA "Halsabschneiderkapitalismus" praktizieren. Beispiel technische Innovationen. Die kommen eben doch noch immer häufiger aus Amerika, nicht aus Europa. Der Ami ist auch heute noch eher bereit, ein Risiko einzugehen – auch, weil er dafür in den USA reichlicher belohnt wird als in Europa. Ideen werden in Amerika schneller ausprobiert, auch wenn sie scheitern können. Haben Sie hingegen Erfolg, wird nicht nur der Ami reich. Auch der eingekuschelte Rest der Welt profitiert davon.
In Europa lohnt sich hingegen Risiko kaum: Erstens sind die Bürger so gut abgesichert, dass man die reiche Belohnung nicht unbedingt braucht. Zweitens muss man im Falle des Erfolges einen so großen Teil seines Reichtums abgeben, dass das Risiko sich kaum lohnt. Drittens kann keiner L'Ennui so feiern wie der europäische Jet-Set. Würde sich hingegen die ganze Welt dem Kuschelkapitalismus verschreiben, gäbe es kaum noch Innovation. Sprich: Alle würden ärmer werden.
Die Theorie ist nicht ganz neu. Das Neue daran ist die holistische Sichtweise: Beide Systeme, sagt Acemoglu, hängen zusammen, denn in einer globalisierten Welt treibt jeder neue Technologie-Schub das Wachstum aller anderen Länder an – zuletzt gesehen bei der Internet-Revolution in den neunziger Jahren. Heutzutage hört man immer wieder zu allen möglichen Themen esoterische Sprüche wie: "Alles hängt zusammen" und "der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien kann einen Tornado in Texas auslösen". Nur wenn es um den Kapitalismus geht, glauben wir nicht an die "Ganzheitlichkeit" der Welt.
Kommentare
Einspruch
Vom Grundgedanken her will ich Ihnen nicht mal widersprechen. Mit der Aussage "Die letzte wirklich revolutionäre Erfindung aus Deutschland zum Beispiel war das Auto im 19. Jahrhundert" haben sie sich leider ins Abseits gestellt.
So ist es
Die Kernspaltung wurde beispielsweise hier in Deutschland von Otto Hahn und Fritz Straßmann erstmals beschrieben und Lise Meitner hat dazu die Theorie nachgeliefert. Es ist auch kein Geheimnis, die Entwicklung der Atombombe wurde maßgeblich von Physikern voran getrieben, die vor den Nazis in die USA geflüchtet wahren.
In der Frühphase der Entwicklung moderner Computer waren die Briten führend, sie waren es die die Verschlüsselung der Deutschen Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg gebrochen haben (und nicht etwa die USA).
Derartige Beispiele gibt es noch viele mehr, die Wirtschaft der USA partizipiert bis heute davon, dass man in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts mehr Risikokapital bereitstellen konnte.
Einen Zusammenhang zwischen mangelnder Sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu konstruieren erscheint aus hiesiger Sicht eher absurd, einen Zusammenhang zu exzessiver Gewaltkriminalität, Drogenmissbrauch etc. schon sehr viel plausibler.
Wie bitte??
Die letzte revolutionäre Erfindung aus Europa war das Auto??
Ich glaube, da fehlt ein wenig der Realitätscheck. Mal sehen, was kam den noch so aus Europa (spontan):
- das Düsenflugzeug (Deutschland)
- die Raketentechnik (Deutschland)
- das Web (Schweiz)
- der programmierbare Computer (Deutschland)
- Kunstdünger (Deutschland)
- Telefon (Deutschland)
- Sulfonamide (Deutschland)
- Penicilin (England)
Für mich sieht das eher so aus, daß in Europa, vor allem in Deutschland die grundlegenden Erfindungen gemacht werden, die dann in den USA ausgeschlachtet werden. Vor allem mit dem Ende des II.WK haben die USA, aber auch die anderen Allierten, so viele Technologien und Patente aus Deutschland übernommen, daß allein die USA bis weit in die Siebziger davon profitieren konnten.
Falsch
Das könnte der Grund sein, warum hier so viele Kommentatoren auf Hernn Hansen rumreiten. Sie haben einfach überhaupt keien Ahnung und verbuchen daher viel zu viel für Deutschland.
Düsenantrieb: Whitte (Engländer), Ohain (Deutsch-Amerikanisch).
Raketentechnik: Rakete um 1232 in China
Das Web: Tim Bernas Lee (Engländer)
Programmierbarer computer: Charles Babbage (Engländer), Ada Lovelace (Engländer)
Kunstdünger: Ok das waren wir, aber ich würde das mal dreist "Verbesserung von normalem Dünger" nennen :P
Telefon: Ok das waren wir.
Sulfonamide: Ist halt ein Antibiotikum. Antibiotika wurden von Alexander Fleming entdeckt (Schotte).
PS: Damit der Vergleich fair bleibt sollte man nur aktuelle Entwicklungen vergleichen, denn wenn man in der Historie genug zurück geht, kommt natürlich irgendwann eine Zeit, in der alles aus Europa kam und nichts aus den USA :P
holistisch??
das ist doch nicht eine holistische Sicht, wenn es wieder nur um Europa, USA und China geht. Dieses ganze kapitalistische System funktioniert doch nur, weil so viele andere Länder ausgenutzt werden. Diese "BEIDEN" Systeme sind nur ein Bruchteil vom big picture!!
Stimmt.
Aber eine gewisse Tendenz, die perfekte Integration der Länder der 'dritten Welt' in die Totalität des globalisierten Kapitalismus zu ignorieren, lässt sich allenthalben beobachten.
Technische Innovationen...
kommen häufiger aus Amerika.
Ja, aber die besseren Autos produzieren die Europäer - Deutsche, Italiener, Briten...
Und noch etwas: die Gründer von Apple, Microsoft, Google waren keine "arme Schlucker".
Aber es ist eben Satire 'made by Eric T. Hansen'
Europäer und Ihre Autobauer
> Ja, aber die besseren Autos produzieren die Europäer
In jedem Fall würde ich hier Toyota nicht unterschlagen, und die sind keine Europäer. Die sind vielleicht sogar besser.
Und was ist Ihr Kriterium für "besser"?
Und wenn es um Inovationen geht sollte man Tesla und Google in Bezug auf Autoentwicklung auch nicht unterschlagen ;-)