Die Untergangspropheten sind leiser geworden. Noch vor einem Jahr warnten amerikanische Ökonomen die Europäer vor einer Wiederkehr der schlimmen dreißiger Jahre, vor einer neuen Ära der Great Depression, mit Massenarbeitslosigkeit und Verarmung. Berechnungen des Wiener Ökonomen Karl Aiginger für ZEIT ONLINE zeigten schon damals, dass der Vergleich übertrieben war: Weil Notenbanker und Politiker den großen Absturz diesmal verhindert haben, ist die Krise bisher weit weniger tief ausgefallen. Auch ein zweiter großer Konjunktureinbruch, den Pessimisten damals fürchteten, ist der Welt seither erspart geblieben.
Können wir den Vergleich mit der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre also für immer begraben?
Aiginger und sein Forscherteam berechnen seit einem Jahr anhand von zehn Ländern, wie sich die Krise in den fünf Jahren nach 1929 und in den fünf Jahren nach 2008 entwickelt hat. Ihr jüngstes Fazit: Zwar hat die Weltwirtschaft die Krise noch immer weit besser überstanden als in den dreißiger Jahren. Die Erholung aber dauert erheblich länger. "Damals gab es zum gleichen Zeitpunkt eine breite Erholung, vor allem in den USA und Deutschland", sagt Aiginger.
Heute teilt sich die Welt hingegen in zwei Klassen. Während die Weltwirtschaft längst wieder um drei bis vier Prozent im Jahr wächst, schrumpft die Wirtschaft in Europa noch immer. Aigingers Daten zeigen: Die Wirtschaftsleistung in Europa ist immer noch geringer als vor fünf Jahren. Die meisten Länder in Europa erleben also eine viele längere Krise als damals, die längste Krise des Jahrhunderts. Wie kann das sein?
Um die Frage zu beantworten, muss man sich die Gründe anschauen, die den Aufschwung nach der Great Depression möglich machten. Ebenso wie heute kämpften Anfang der dreißiger Jahre viele Industrieländer mit hoher Arbeitslosigkeit und wachsender Armut. Während sich Länder wie Großbritannien damals mit einer Mischung aus Zinssenkungen und Subventionspolitik recht schnell aus der Krise befreiten, setzten vor allem Deutschland und die USA auf die Ratschläge, die der Ökonom John Maynard Keynes für Krisen empfahl: milliardenschwere öffentliche Investitionen, die die Wirtschaft ankurbeln sollten. Amerika betrieb mit seinem Präsidenten Franklin D. Roosevelt die Politik des New Deal und steckte Milliarden in den Bau von gigantischen Infrastrukturprojekten wie Staudämmen.
In Deutschland ergriff 1933 Adolf Hitler die Macht. Bald setzte er ein gewaltiges Infrastrukturprogramm in Gang. Rund vier Milliarden Reichsmark pumpte die NS-Regierung in den Wirtschaftskreislauf – die dreifache Summe des gesamten industriellen Investitionsvolumens. Vor allem in den Siedlungsbau floss das Geld, in Autobahnen, in die Reichspost und Reichsbahn. Sowohl in den USA und Deutschland wirkten die Programme scheinbar Wunder: Deutschland vermeldete erstmals 1936 Vollbeschäftigung.
Das Ende der Geschichte ist bekannt: Statt die Staatsausgaben zurückzufahren, wie es Keynes empfahl, begann Hitler weitere Milliarden in die Rüstungsindustrie zu stecken; es folgten mörderische Jahre. Die Verschuldung explodierte, ein Kontinent versank im Chaos. "Keine der Antworten aus den dreißiger Jahren sind heute geeignet, die Krise zu lösen", sagt der Bielefelder Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser. Hilft uns der Vergleich mit der Weltwirtschaftskrise also nicht weiter? Doch, sagt Abelshauser. "Der Blick zurück zeigt uns, welche realen Möglichkeiten die Zukunft noch bergen könnte."
Das Magazin ZEIT Geschichte druckt in seiner kommenden Ausgabe einen längeren Aufsatz von Werner Abelshauser über die große Weltwirtschaftskrise. Das Heft erscheint am 27. August 2013.
Kommentare
Tja, so weit so gut...
...sagte der Mann der aus dem 50. Stock sprang, als er am Fenster des 20. vorbei flog...
Angst
Wovor haben Sie Angst? Dass Ihnen Ihre Bank eines Tages sagt: "Tut mir leid, aber wir haben die braunen Scheine nicht mehr. Dafür zahlen Sie jetzt mit violetten."?
Am Ende des Artikels wird gesagt, dass die Mechanismen der Dreißiger Jahre heute nicht taugen würden. Das ist falsch, denn der wesentlichste Faktor der damaligen staatlichen Einwirkung ist ausgelassen worden. Die Anhebung des Steuersatzes. Ein Spitzensteuersatz von über 90 % in den USA hat die Ungleichgewichtung des Einkommens rapide ausbalanciert und damit der Produktion eine Basis gegeben.
Allerdings ist es in sofern richtig, dass das im Reich von Friede Springer ein politisches Todesurteil wäre, würde man das öffentlich proklamieren. Ich wundere mich sowieso, dass sie in der Forbes Liste der mächtigsten Frauen nicht auftaucht, wo doch selbst unsere Kanzlerin nach eigenen Worten, sich an der Bild orientiert.
Das Wort Krise birgt den Trugschluss, dass es mal endet
Tatsächlich, denke ich, stehen wir vor einem Wandel, wo kein Ende absehbar ist.
Das sind die Variablen: Einfluß der Finanzwirtschaft, Erstarrtheit der Politik, Klimawandel, demographischer Wandelund wohl noch ein paar andere mehr, die vorallem an dem nagen, was wir als Mittelstand zu schätzen gelernt haben.
Ich habe noch kein gutes Scenario dazu gehört.
Beschleunigte Geldverbrennung als unüberwindbares Hindernis
Nach wie vor fließen vor allem in Europa Unsummen an Geldern in Vorhaben, die lediglich formale Ähnlichkeit mit notwendig zukunftsträchtigen Projekten haben und insofern ein erfolgreiches Wirtschaften bloß imitieren. Eine Erholung von der tiefen Krise der Jahre 2008/2009 rückt dann tatsächlich in unerreichbare Ferne, wenn jene gleichsame Geldverbrennung nicht schleunigst an ihr Ende kommt.
Vergleich
Die Krise damals und heute miteinander zu vergleichen entspricht den berühmten Äpfeln und Birnen