Eine neue Studie des Öko-Instituts
im Auftrag der Umweltschutzorganisation WWF zeigt, wie sehr viele deutsche
Industrieunternehmen in den vergangenen Jahren vom europäischen Emissionshandel profitiert haben. Das Institut hat sechs Stromversorger und neun Industrieunternehmen
detailliert unter die Lupe genommen: E.on, EnBW, RWE, Vattenfall, Steag und
Statkraft; sowie ThyssenKrupp, Salzgitter, ArcelorMittal, Shell und
BP/Rosneft, BASF und EvonikDegussa, Heidelberg Cement und Dyckerhoff.
Sie alle gehören zu den größten CO2-Emittenten in Europa. Auf die deutschen Anlagen dieser Firmen entfallen zwei Drittel des vom Emissionshandel erfassten heimischen Treibhausgas-Ausstoßes. Es sind durchschnittlich 325 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Den größten Anteil davon trägt mit mehr als 100 Millionen Tonnen RWE.
Allein
die fünf großen Stromversorger (alle erwähnten außer Statkraft) hätten
in den Jahren 2005 bis 2012 Emissionsrechte im Wert von knapp 21,4
Milliarden Euro kostenlos erhalten, schreibt das Öko-Institut. Gleichzeitig mussten sie Zertifikate im Wert von fünf Milliarden
Euro zukaufen, um ihren Bedarf zu decken. Im Vergleich zu den
geschenkten Zertifikaten sei das aber eine relativ kleine Summe, heißt es in der Studie. Die
untersuchten Industriebetriebe mussten sich mit geschenkten Zertifikaten
im Wert von acht Milliarden zufriedengeben – und hatten davon am Ende
noch Papiere im Wert von mehr als einer Milliarde Euro übrig.
"Der Handel mit Emissionszertifikaten
hat sich als Goldesel für die Unternehmen erwiesen. Von einer Belastung
kann keine Rede sein", sagte Juliette de Grandpré, Referentin für EU
Energie- und Klimapolitik bei WWF Deutschland, anlässlich der
Präsentation der Studie. Auch dem WWF zufolge haben gerade die
energieintensiven Unternehmen in den vergangenen
Handelsperioden so viele Emissionsrechte kostenlos erhalten, dass sie
durch den Verkauf der Papiere "satte Zusatzgewinne" erzielten. Die
Bundesregierung müsse sich deshalb "dringend" für eine Stärkung des
europäischen Emissionshandels einsetzen.
Die neuen Zahlen sollen vor allem die Politik unter Druck setzen. Wenn sich in der kommenden Woche Europas Staats- und Regierungschefs
zum EU-Gipfel treffen, werden sie auch über die künftige Energie- und
Klimapolitik der Europäischen Union beraten. Um die wird derzeit hart
gerungen. Die Debatte dreht sich um CO2-Minderungsquoten, den Ausbau der Erneuerbaren und um Energieeffizienz. Vieles hängt davon ab, wie der europäische Emissionshandel
künftig funktioniert. Denn der steckt in der Krise – dabei ist er das
zentrale Instrument der EU-Klimapolitik. Die Preise für eine Tonne CO2 sind eingebrochen, damit fehlt der Anreiz, in Klimaschutz zu investieren.
Die Europäische Kommission will daher den Markt reformieren. Bereits beschlossen ist, 900 Millionen Emissionszertifikate bis zum Jahr 2016 vorübergehend aus dem Markt zu nehmen (backloading). Zusätzlich will die Kommission ab dem Jahr 2021 die Zahl der jährlich verfügbaren Zertifikate stärker reduzieren als bisher. Statt um 1,74 Prozent soll die Anzahl der Emissionsrechte dann um 2,2 Prozent pro Jahr sinken. Zudem soll eine Art Zertifikate-Zentralbank eingerichtet werden, die überschüssige Emissionsrechte vom Markt nimmt. Beides soll den Preis der Zertifikate stabilisieren und langfristig erhöhen.
Doch ob sich die Vorschläge am Ende durchsetzen, wird auch in Berlin entschieden. Und die deutsche Regierung sieht schon das backloading kritisch. Vor allem aber ist sie gegen jeden Versuch, die Zahl der überschüssigen Zertifikate am Markt dauerhaft zu senken. Die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen dürfe durch das backloading
nicht beeinträchtigt werden, fordern SPD und Unionsparteien im
Koalitionsvertrag. Auch deutsche energieintensive Unternehmen warnen vor
Nachteilen, sollte in Brüssel ein strengerer Klimaschutz beschlossen
werden.
Kommentare
Gegenüberstellung der Erträge fehlt(?)
Irgendwie fehlt mir im Artikel ein entscheidender Punkt. Es ist zwar der Wert der kostenlos verteilten Zertifikate genannt, außerdem auch der Wert der notwendigen Zukäufe. Ich sehe aber nirgends eine Gegenüberstellung, aus der hervorgeht, wie hoch die tatsächlichen Erträge aus dem Verkauf der überschüssigen Zertifikate waren und inwiefern die Unternehmen also tatsächlich vom Emissionshandel profitiert haben (so die These des Artikels). Kann mir jemand weiter helfen?
"Kann mir jemand weiter helfen?"
Wozu? Wenn das WWF sagt, brauchen Sie weder nachzudenken noch zu zweifeln. Oder glauben Sie etwa, dass das WWF mit falschen Daten, Zahlen oder Fakten operieren würde?
Das eine wiederspricht dem anderen nicht!
Fix zugeteilte und bei CO2 Reduktion zu veräußerbare Zertifikate steigern die GEWINNE der UNTERNEHMEN und reduzien die WETTBEWEBSFÄHIGKEIT des STANDORTES. Das geht im selben Moment!
Warum, wie?
Firma A Priduziert in Deutschland. Zum Stichtag erhält Sie Zertifikate (95% des Ausstoßes), dann macht sie die Prduktion 10% CO2 Ärmer und reduziert die Produktion um 10%, kann also 15% verkaufen, mehr Gewinn.
Wenn Sie eine Erweiterungsinvestition macht, würde Sie das aber außerhalb der EU Juristiktion machen, sonst könnte Sie ja weniger Zertifikate verkaufen. In Deutschland sind vor allem Investition in CO2 Effizienz interessant. Oder plumpe Produktionsverschiebung aus der Juristriktion heraus.
Ebenso Firma B, die aus einem Anderen Land kommt und überlegt ob sie in Deutschland oder in einem drittland investiert.
Fazit: Hier sieht man ein Beispiel der verdrehung und Missinformaton von NGOs. NGOs sind genauso Lobbyisten wie Gesamtmetall & CO. Sie agieren kein deut näher an der Wahrheit. Nur weil Greenpeace & WWF sich den Anstrich von Engeln geben, sind Sie keine. Das sollte jeder Leser wissen und auch jeder Journalist. Und Genauso sollte er kritisch deren Veröffentlichungen interpretieren.
Ein wesentlicher Hinweis fehlt
Auch in den kommenden Jahren werden die untersuchten Industriefirmen kaum neue Zertifikate kaufen müssen, erwartet das Öko-Institut.
Der Satz ist nicht falsch, aber dennoch völlig irreführend. Im Emissionshandel wird nämlich zwischen Energiewirtschaft und (sonstiger) Industrie streng unterschieden. Aber hier wird der Eindruck erweckt, daß auch die Stromversorger weiter fröhlich von kostenlos zugeteilten Zertifikaten profitieren. Tatsächlich aber gibt es seit dem 1.1.2013 keinerlei Zuteilung für die Stromerzeugung mehr, jedes einzelne Zertifikat muß am Markt gekauft werden. Die im Artikel angemahnte Reform hat hier also längst stattgefunden.
Steht doch alles da
E.on, EnBW, RWE, Vattenfall und Steag
Zertifikate geschenkt: 21.4 Milliarden Euro
Zertifikate nachgekauft: 5 Milliarden Euro (Verlust)
So die Energieversorger machen schon mal Verlust, der landet aber über den Strompreis beim Verbraucher.
ThyssenKrupp, Salzgitter, ArcelorMittal, Shell und BP/Rosneft, BASF und EvonikDegussa, Heidelberg Cement und Dyckerhoff
Zertifikate geschenkt: 8 Milliarden Euro
Zertifikate verkauft: 1 Milliarden Euro (Gewinn)
Das macht also 111 Millionen Euro Gewinn für jedes dieser Unternehmen (im Mittel). Für manche dieser Unternehmen ist dieser Betrag geradezu lächerlich. Die Kosten für den ganzen Emissionshandel und die erhöhten Energiepreise (für die Energieverbraucher) dürften das meiste davon wieder auffressen.
Klingt aber alles hochdramatisch in diesem Artikel.