Andrea Nahles verkündete die Revolution des deutschen Arbeitsmarktes mit einem Lächeln auf den Lippen: "Der Mindestlohn kommt", sagte sie gestern in Berlin. Für die Arbeitsministerin und die SPD ist das ein großer Erfolg, doch zugleich stellt die Regelung auch ein Experiment dar für den deutschen Arbeitsmarkt. Und viele Experten sind skeptisch, ob dieses Experiment glücken wird – oder sich nicht vielmehr als Job-Killer entpuppt.
Als einer der Ersten äußerte sich Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer zu der endgültigen Einigung – mit heftiger Kritik. Kramer fordert die Bundesregierung auf, den Gesetzentwurf an einigen Punkten zu ändern, "um den Schaden auf dem Arbeitsmarkt zu begrenzen". Besonders für Langzeitarbeitslose sieht der Arbeitgebervertreter schwarz: Ein gesetzlicher Mindestlohn bedeute für sie "ein vielfach unüberwindbares Hindernis für den Einstieg in Arbeit".
Der
Arbeitgeberpräsident scheint damit aber nicht die Meinung der Unternehmen zu
transportieren. Denn: Die meisten deutschen Unternehmen sehen dem Mindestlohn gelassen
entgegen, wie eine Umfrage des ifo-Instituts und des Personalvermittlers
Randstad zeigt, die ZEIT ONLINE vorliegt.
Für das aktuelle Jahr erwarten demnach nur rund fünf Prozent der befragten Firmen, dass sie wegen des Mindestlohns weniger Mitarbeiter einstellen können oder sogar entlassen müssen. Auch im nächsten Jahr, wenn der Mindestlohn also schon gültig ist, drohen keine Massenkündigungen: Nur elf Prozent der Unternehmen erwarten, dass ihr Personalbestand 2015 wegen des Mindestlohns sinken wird. Zwei Prozent gehen sogar davon aus, mehr Arbeiter einstellen zu können.
Problematisch könnte der Mindestlohn laut den befragten Personal-Managern nur dort werden, wo vor allem Schlechtqualifizierte arbeiten. Für die anderen Branchen, stellen die Autoren lapidar fest, "spielen die Mindestlohnpläne keine Rolle". Denn in den meisten Berufen lägen die üblichen Gehälter schon heute über dem Mindestlohn, etwa durch eigene Tarifverträge.
Ausnahmen für Hartz-IV-Empfänger
Auch die Einschätzung von Kramer zur Situation von Langzeitarbeitslosen ist wohl zu pauschal. Schließlich gehören etwa Hartz-IV-Empfänger zu den wenigen Ausnahmen des Mindestlohns. Um ihnen keine Berufschancen zu verbauen, soll der vorgeschriebene Stundenlohn von 8,50 Euro erst nach sechs Monaten im neuen Job greifen. Auch Ehrenamtliche und Praktikanten mit gewissen Voraussetzungen sollen nicht unter das neue Gesetz fallen.
Dennoch halten viele Ökonomen an ihrer grundsätzlich Kritik fest. Selbst das ifo-Institut, das die Umfrage unter den Unternehmen geleitet hatte, teilt den Optimismus der Betriebe nicht: Die Münchner Forscher rechnen mit 900.000 bedrohten Jobs durch den Mindestlohn. Betroffen seien vor allem Geringverdiener, die ihr Gehalt mit Hartz-IV aufstocken müssen. Mario Ohoven, Präsident des europäischen Mittelstandsverbands, äußert sich ähnlich und sieht durch das Mindestgehalt einen falschen Anreiz für Jugendliche: "Wir müssen unseren Fachkräftenachwuchs besser ausbilden und nicht in Aushilfsjobs drängen, die dank Mindestlohn besser bezahlt werden." Dem soll allerdings eine Ausnahmeregelung in Nahles' Gesetzesvorhaben entgegenwirken: Für Jugendliche ohne Ausbildung soll der Mindestlohn nicht gelten.
Kommentare
Langzeitarbeitslose werden stigmatisiert
Die in der Überschrift genannte Personengruppe soll keinen Mindestlohn erhalten. Das finde ich unverständlich, es schafft Gräben durch Diskriminierung.
Gerade die Leute, die durch längeren Einnahmemangel gebeutelt sind, sollen, -wenn sie wieder Arbeit haben, möglichst länger brauchen müssen, bis sie den Po wieder aus dem Sumpf bekommen.
Danke, liebe SPD. Das ist kein Schritt in eine solidarische Gesellschaft.
Mindestlohn bei Friseure -Neue Modelle
Wie wollen die Ökonomen Aussagen treffen, wenn sie nicht einmal die Auswirkungen des Mindestlohnes beim Friseurhandwerk kennen!
Hier ein Beispiel:
10 Friseure vor Einführung des tariflichen Mindestlohnes.
Jetzt 7 Friseure. Vorher wurde bei den 7 Friseuren Gehalt bezahlt.
Jetzt wird Stundenlohn bei weiniger Stunden bezahlt. Bei mehr Kunden fallen mehr Stunden an, die dann auch bezahlt werden.
Mann nennt das auch leistungsgerechte Bezahlung.
Andere Branchen werden sicherlich ähnliche Modelle umsetzen.
Für alle wird gelten: Der Kunde muss höhere Preise akzeptieren und auch bezahlen wollen.
Der Niedriglohnbereich ist überwiegend der Dienstleistungssektor. Diese Leistung wird von größeren Betrieben oder Verwaltungen abgefragt. Auch diese Auftraggeber müssen bereit sein, höhere Preise zu bezahlen.
Klare Sache...
Wenn ein Geschäftsmodell es nicht überlebt, wenn die Produzierenden 8,50 verdienen, sollte es sterben und durch ein anderes ersetzt werden.
@ Lary Mahoni - Einfach nur Blödsinn
Ich kann diesen Quatsch von Geschäftsmodell nicht mehr hören.
Glauben Sie wirklich jemand macht sich Selbstständig und baut seine Kalkulation nach einem Geschäftsmodell Niedriglohnsektor auf?
Der Markt aus Angebot und Nachfrage zwingt den Unternehmer ganz schnell sich dem erzielbaren Preisen anzupassen.
Wenn ein deutscher AN zu teuer wird und er dann seine Dienstleistung nicht mehr bezahlt bekommt, muss er sich aus dem Osten AN holen.
Warum werden denn im Pflegebereich so viele Polinnen beschäftigt?
Dieses ideologische Gequatsche er SPD und der Linken kann man nicht mehr hören!
Ich kenne genug Bürgermeister von SPD und den Linken, die Aufträge ohne Berücksichtigung von Tariferhöhungen vergeben. Damit soll ein Unternehmen alleine klar kommen.
Dann darf wohl der Unternehmer Omis Sparbuch plündern, um Gehälter zu bezahlen.
Mindestlohn bei Friseure -Neue Modelle Teil 2
Teil 2:
Seitdem die Preise gestiegen sind, gibt es weiniger Trinkgeld für die Friseure.
Unterm Strich haben die Friseure im Monat nicht mehr in der Tasche.
Das wird sich dann in der Gastronomie ähnlich auswirken.
Wie gesagt: Der Kunde muss bereit sein Geld für eine Leistung das Geld auch zu bezahlen.