Zum Beispiel Griechenland. Als das Land schon mitten in der Schuldenkrise steckte, kaufte die in der Slowakei ansässige Poštová Bank Anleihen des griechischen Staates. Sie ignorierte dabei die Finanzschwierigkeiten des Landes, schließlich stieg durch das hohe Risiko auch der mögliche Gewinn. Doch die Wette ging nicht auf. Zwei Jahre nach dem Anleihekauf zwang die Troika Griechenland zum Schuldenschnitt. Die Papiere verloren mehr als die Hälfte ihres Nennwertes. Mehr als 85 Prozent der Gläubiger stimmten der Umschuldung dennoch zu, aus Sorge, andernfalls alles zu verlieren.
Die Poštová Bank gehörte nicht zu ihnen. Gemeinsam mit der zyprischen Finanzfirma Istro Kapital verklagte sie den griechischen Staat vor einem unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagenden Schiedsgericht der Weltbank. Die Klage stützt sich auf bilaterale Investitionsabkommen zwischen Griechenland einerseits und der Slowakei beziehungsweise Zypern andererseits.
Solche Abkommen sind eigentlich dazu gedacht, ausländische Investoren vor willkürlicher Enteignung zu schützen. Manche erlauben Ausnahmen im Krisenfall. Doch Poštová war die griechische Krise egal.
Oder
Zypern: Unter dem Druck der Troika schickte die Regierung die
kriselnde Laiki Bank in die Pleite und verstaatlichte 84 Prozent des Instituts. Ein
Finanzinvestor war davon besonders hart getroffen: die Marfin Investment Group aus Griechenland. Marfin hatte 2006 große Anteile von Laiki erworben und die Expansion der Bank stark
vorangetrieben; dadurch
war Laiki verwundbarer geworden für die Krise.
Doch Marfin scherte sich nicht um die mögliche eigene Verantwortung für die Pleite: Im Januar 2013 verklagte die Investmentfirma die zyprische Regierung wegen entgangener Gewinne. 20 weitere griechische Laiki-Anteilseigner haben sich Marfin angeschlossen, gemeinsam fordern sie schätzungsweise eine Milliarde Euro vom zyprischen Staat.
Ab Montag wird wieder verhandelt
Die
Bespiele finden sich in einer an diesem Montag veröffentlichten
Studie der beiden konzernkritischen Organisationen Corporate Europe Observatory CEO und The Transnational Institute TNI. Beide fürchten:
Wenn die Europäische Union wie geplant mit den USA ein
Freihandelsabkommen schließt, könnten
solche Klagen in Europa künftig
die Norm sein. Ihre Studie Profiting from Crisis – How
corporations and lawyers are scavenging profits from Europe's crisis
countries liefert dafür beeindruckende Belege.
Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist geschickt gewählt. Am Montag beginnt in Brüssel eine neue Runde in den Verhandlungen über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP).
Kritiker sagen, TTIP räume ausländischen Investoren Sonderrechte ein. Sobald sie ihr Eigentum durch eine Gesetzesänderung gefährdet sehen, können sie dagegen vor ein Schiedsgericht ziehen. Der Begriff des geschützten Eigentums ist in Investitionsabkommen dabei meist sehr weit gefasst. Selbst die bloße Verschlechterung von Gewinnaussichten kann für eine Klage ausreichen. Die Schiedsgerichte tagen im Geheimen, ihre Urteile stehen über nationalem Recht. Die Kosten zahlen die Bürger der beklagten Staaten.
An sich ist die Kritik an Investitionsschutzabkommen nicht neu, aber Profiting from Crisis birgt dennoch politischen Sprengstoff. Die Studie belegt: Schon jetzt verklagen Investoren europäische Länder auf hohe Summen – sie wollen Entschädigung für eine Krisenpolitik, die ihre Geschäfte beeinträchtigte. Das heißt: Ausgerechnet die Länder, die ohnehin schon unter Sparpaketen und Rezession ächzen, sehen sich nun mit zusätzlichen Schadenersatzforderungen in Millionen- oder Milliardenhöhe konfrontiert – und das teilweise für politische Entscheidungen, die sie gar nicht freiwillig gefällt haben. Insgesamt geht es der Studie zufolge um mindestens 1,7 Milliarden Euro. Möglicherweise aber sind die Summen, um die in Wahrheit gestritten wird, noch sehr viel höher.
"Schon
heute nutzen spekulative Investoren Investitionsabkommen, um die
knappen Staatskassen der verarmten europäischen Krisenländer weiter
zu plündern", sagt Pia Eberhardt, Handelsexpertin bei CEO. Sie
bezeichnet es als "politischen Wahnsinn", allen Konzernen durch das
TTIP "dieselben überzogenen Rechte einzuräumen". Etwa 3.000 Investitionsabkommen gibt es bereits weltweit – aber TTIP wäre noch einmal ein "Quantensprung", sagt Eberhardt.
Kommentare
Ich wette symbolisch einen Euro darauf...
... dass genau diese legitimen Schadensersatzforderungen eines der (in selbstverständlich nicht geheimen Hinterzimmern) erklärten Ziele der demokratisch einwandfrei legitimierten Verhandelnden ist und Arbeitskräfte und Wohlstand nach Europa und in die EU bringen wird.
anstatt immer und immer wieder
mit den gleichen Parolen Stimmung zu machen, ist doch hier ein wunderbar konkreter Punkt zum ansetzen. Das Abkommen verhindern! Eine erfolgreiche Petition gibt es zumindest schon.
Hier ist klare Kante angesagt
Dieses Spekulantenspiel kann unter Anderem durch die völlige Zurückweisung jeglicher Entschädigung beendet werden. Wer zockt, muß die Risiken tragen,
denn die möglichen Gewinne teilt er auch nicht. Schon HRE uind Lehman hätte man Hilfen verweigern müssen, es wäre für viele ein Ende mit Schrecken gewesen, so aber haben wir den Schrecken ohne Ende.
Zur Erinnerung:
"Schon HRE uind Lehman hätte man Hilfen verweigern müssen ..."
Bei Lehman HAT man die Hilfe verweigert, was nebenbei bemerkt auch der Auslöser der ganzen Krise war, da auf einmal reihenweise Banken wackelten. Ansonsten möge man sich vor Augen führen, dass Bankenpleiten zwar die Banken selber und die dort beschäftigten Banker abstürzen lassen, blöderweise aber eben auch all diejenigen faktisch enteignen, die ihr Geld der Bank anvertraut hatten.
Aber wie dem auch sei. Es ist kaum nachzuvollziehen, wieso über diese Passagen des sogenannten Freihandelsabkommens überhaupt verhandelt wird. Jeder halbwegs klar denkende Mensch, der nicht gerade Großinvestor ist, müsste doch eigentlich erkennen, welcher Irrsinn sich da abzeichnet. Würde wenigstens vor einem echten Gerichtshof verhandelt, könnte man immerhin noch argumentieren, dass die beteiligten Staaten ihr Gewaltmonopol behalten, auch wenn ein derartiges Abkommen immer noch völlig daneben wäre. Aber private Schiedsgerichte, deren Angehörige ansonsten ebenjene Konzerne beraten und/oder vertreten, die dann Klagen anstrengen, noch dazu ohne Öffentlichkeit? Das ist doch der blanke Wahnsinn.
Machbarkeit ist patriarchalisch
Wir brauchten ein Gremium, am besten Mütter. Mütter sind gegen Machbarkeit. Mutterkulturen bremsen Machbarkeit im Ansatz aus. Nun haben wir natürlich die Machbarkeit, als Ideal weltweit installiert. Und Frauen erliegen dieser Ideologie ebenfalls.
Lustig
Als ob Mütter durchschnittlich bessere Menschen wären.
Außerdem schlagen sie gerade vor jeden Ansatz von Gleichberechtigung in den Wind zu schlagen
Wobei: Don't feed the troll.
Das darf jemand anderes tun
Die Klagen die durch diese Investitionsschutzklauseln ermöglicht werden sind einfach nur grotesk.
Davon abgesehen das es die Europäische "Demokratie" noch weiter untergräbt widerspricht das jedem intuitiven Moralempfinden - besonders wenn das am ende eh wieder vom Steuerzahler finanziert wird.
Ich hab nichts gegen ein Freihandelsabkommen, aber ich finde das geht zu weit.
Auf einmal "grotesk"
"Die Klagen die durch diese Investitionsschutzklauseln ermöglicht werden sind einfach nur grotesk."
Ja, das liest man derzeit allerorten, denn diesmal hätten wir ein derartiges Investitionsschutzregime mit einem Staat dessen Unternehmen auch bei uns investiert haben.
Nur wo waren die Proteste als Deutschland oder die EU derartige Investitionsschutzabkommen "Entwicklungsländern" oder "Schwellenländer" reingedrückt hat?
http://www.bmwi.de/BMWi/Reda…
Wer findet die auf dieser Basis erhobenen Klagen deutscher Unternehmen grotesk?
Nein, mit denen kann man's ja machen; aber mit uns doch nicht.
Doppelstandards wohin das Auge blickt!