Man nehme eine Prise Argentinien, verrühre es mit einer großen Portion Neuseeland und herauskommt: Großbritannien! Dieses Rezept ist der Kern einer neuen Studie von drei Ökonomen um Nauro Campos von der Brunel University in London.
Die
Forscher wollen damit eine wichtige Frage beantworten: Hat sich der Beitritt
zur Europäischen Union für Länder wie Großbritannien, Dänemark oder Portugal
gelohnt? Europakritische Parteien wie die UK Independence Party in
Großbritannien behaupten im Wahlkampf zur Europawahl immer wieder, dass der
EU-Beitritt ein historischer Fehler gewesen sei und es ihren Ländern ohne die
ständige Einmischung aus Brüssel besser gehen würde. Aber stimmt das auch?
Um diese Frage zu beantworten, nutzen die Ökonomen eine neue Methode mit einem sperrigen Namen: synthetische kontrafaktische Szenarien. Dahinter steckt die einfache Frage: Was wäre wenn? Was wäre zum Beispiel, wenn Spanien nicht 1986 der EU beigetreten wäre? Ginge es dem Land dann jetzt schlechter oder besser?
Damit wollen die Forscher ein Problem lösen, mit dem sich Ökonomen und Politikwissenschaftler seit Jahren herumschlagen. Studien, die den Nutzen der EU messen wollen, gibt es viele, doch bisher waren solche Arbeiten meistens mehr oder weniger gut fundierte Gedankenspiele. Der Berkeley-Ökonom Barry Eichengreen und Andrea Boltho aus Oxford entwarfen 2008 zum Beispiel ein Szenario, wie sich die Wirtschaft in den EU-Staaten entwickelt hätte, wenn es entscheidende Integrationsschritte wie den gemeinsamen Binnenmarkt nicht gegeben hätte. Am Ende kamen sie auf eine eher willkürliche Zahl: Ohne die immer stärkere europäische Integration läge das BIP in den Mitgliedsstaaten rund fünf Prozent niedriger.
Nauro Campos und seine Kollegen wollten verlässlichere Szenarien entwickeln und bauten dafür europäische Länder am Computer nach. Sie suchten sich für sämtliche Staaten, die seit den 1970er Jahren der EU beigetreten sind, passende Gegenstücke. Für Großbritannien wählten sie zum Beispiel Neuseeland aus, weil sich beide Länder bei der Wirtschaftsstruktur, dem Bildungsgrad, dem Bevölkerungswachstum und anderen Variablen lange Zeit sehr ähnlich waren. Auch die Volkswirtschaften von Neuseeland und Großbritannien entwickelten sich zum Beispiel in der Zeit bis zum britischen Beitritt zur EU 1973 ähnlich. Damit aus Neuseeland ein perfektes zweites Großbritannien wurde, mussten die Ökonomen aber noch etwas Argentinien dazumischen. Ein fiktives Land, das aus 91 Prozent Neuseeland und neun Prozent Argentinien besteht, hätte sich in den Jahren vor 1973 tatsächlich fast genauso entwickelt wie Großbritannien.
Um den Effekt des EU-Beitritts zu messen, analysierten die Ökonomen anschließend, wie sich das aus Neuseeland und Argentinien zusammengebaute künstliche Großbritannien im Vergleich zum echten nach dessen EU-Beitritt entwickelte. Die Aufnahme in die Union habe die britische Wirtschaft demnach um insgesamt 25 Prozent wachsen lassen, schlussfolgern sie in ihrer Studie.
Kommentare
Kurze Anmerkung:
Europa ist nicht die EU und die EU ist nicht der Euro!
Mit einer cleveren Methode zeigen drei Ökonomen, dass die EU für fast alle Mitgliedsstaaten ein großer Glücksfall war. Einzige große Ausnahme: Griechenland
Falsch!
Der EU Beitritt war für Griechenland ein Glücksfall nach der Diktatur.
Der Beitritt in den Euro für das EINFACHE Volk eine Katastrophe.
Sorry wenn ich es so genau nehme.
..Sie waren aber schnell...
..durch mit der Studie. Meinen grössten Respekt für Ihre praktisch zur Schau gestellten Schnelllesekunst. Ab in die Manege mit Ihnen.
Was aber auch im Artikel steht ist, dass sowohl der Beitritt zur EU, als auch die Einführung des Euros berücksichtigt wurden. Aber ausdrücklich nicht die Krise.
Wenn ich jetzt mal ähnlich schnelle Schlüsse ziehen darf, wie Sie es offenbar tun, dann war der Beitritt keineswegs ein Glücksfall, auch nicht nach der Diktatur.
Aber hauptsache Sie konnten als erstes Ihren Kommentar absetzen. Bravo. Zumindest habe ich jetzt gelernt, dass die EU nicht Europa ist. Sachen gibts,...
Wachstum versus Einkommen
Wachstumsgewinne schön und gut. Ich sehe aber auch, dass mein Realeinkommen sich seit Euro-Einführung in etwa halbiert hat. Und in meinem Beruf gibt es auch keine Gewerkschaft oder Lobby, die höhere Einkommen erstreiten könnte... - Bin ich deshalb ein EU-Gegner? Nein. Aber ich werde immer ein Euro-Gegner bleiben. Auch wenn mich niemand fragt. (Hat mich ja auch keiner bei der Eiführung des Euros gefragt. Wahrscheinlich weil ich zum "unwissenden Fußvolk" gehöre, den man nicht zu viele Entscheidungen überantworten sollte...). MfG
Griechenland hat profitiert
Man schaue sich nur seine Nachbarländer an. Alle ärmer. Albanien: ärmer. FYROM, oder wie auch immer: ärmer. Bulgarien, Rumänien, erst seit kurzem in der EU, und auch nicht ganz: ärmer. Selbst die so gelobte Türkei: Ärmer.
Ursachen
Dass die genannten alle ärmer sind, hängt ja vielleicht auch mit ihrer Zugehörigkeit zum sozialistischen Teil der Welt zusammen,oder?
Und wo wäre GB
ohne den Britenrabatt?