"Bin ich dran?", fragte John Cryan zunächst noch, doch dann legte der neue starke Mann der Deutschen Bank los. Was der Brite an diesem Donnerstag in Frankfurt verkündet hat, ist hässlich: ein gewaltiger Stellenabbau, ein Rückzug aus zehn Ländern, ein Sparprogramm. Doch die Art, wie er es verkündet hat, wird viele in ihrem Vertrauen bestärken, das sie dem seit Juli amtierenden Co-Chef bisher entgegenbringen.
Die Deutsche Bank verkauft nicht nur die Postbank, sie
streicht weitere 9.000 Stellen; Cryan sagt es gleich zu Beginn, ohne sich
vorher mit weitschweifigen Ausführungen zur neuen Strategie aufzuhalten. Die
Deutsche Bank lässt zwei Jahre hintereinander die Ausschüttung für die
Aktionäre ausfallen; Cryan macht klar, dass die Lasten der Sanierung gerecht
verteilt werden müssen und die Boni der Investmentbanker ebenfalls spürbar abschmelzen
werden. Wie auch sein eigener – "der Kerl hat dieses Jahr ohnehin nur sechs
Monate gearbeitet", sagt Cryan über Cryan. Und die Pläne der Bank, ihre Kosten
um 3,8 Milliarden Euro zu reduzieren? Sind "nicht übermäßig ambitioniert",
dafür aber "realistisch". So reden Chefs eher selten.
Der Mann, der bisher die Öffentlichkeit scheute, fast einem Phantom glich, hat heute einen interessanten ersten Auftritt hingelegt. Wegen der Zahlen, mit denen er die im April verabschiedete Strategie konkretisierte und dabei teils über das hinausging, was damals zu hören war. Vor allem aber auch wegen des Tons, den er anschlug. Ja, ihre Aufgabe sei es, Wert für die Aktionäre zu schaffen, sagte er und schob direkt hinterher: "in Teilen". John Cryan hat sich als Mann präsentiert, der nicht nur an die Investoren denkt, sondern auch an die Mitarbeiter.
Probleme nicht mehr kleinreden
Das mag seltsam klingen, wenn jemand gerade einen Kahlschlag verkündet hat. Doch als der Brite über seine Begeisterung sprach, wie gut und hart die Menschen seines Hauses arbeiteten, und wie sehr es ihn ärgere, dass diese Anstrengungen durch Skandale oder eine ineffiziente, ja "lausige" IT zunichte gemacht würden, sprach er mit Emphase. Ebenso, als er – angesprochen auf seinen düsteren Ton – erklärte, dass die Kommunikation des Vorstands zuletzt nicht mehr mit der schlechten Stimmung im Haus in Übereinstimmung gestanden habe. Sprich: Der Vorstand präsentierte sich zu optimistisch, redete die Probleme klein. Damit, das machte Cryan klar, ist jetzt Schluss.
Möglich, dass dieser Eindruck nur entsteht, weil Cryan gut Deutsch
spricht und noch besser versteht. Das hat automatisch etwas Direktes, etwas Unmittelbares. Ein Gefühl, das bei seinem im Juni abgetretenen Vorgänger Anshu Jain, der des
Deutschen nicht mächtig wurde, nie aufkam.
Es kommt aber etwas hinzu: Wenn Jain zum Beispiel über die Skandale der Bank sprach, dann hatte dies immer noch einen Rest dieser Unverbindlichkeit, die Helmut Kohl früher auszeichnete: ganz allgemein einräumen, dass man Fehler gemacht hat, ohne echte Konsequenzen zu ziehen oder das eigene Tun ernsthaft zu hinterfragen. Es wirkte immer mehr vom Kopf diktiert, nach dem Motto "das muss ich jetzt sagen", als im Herzen empfunden. Nun muss man vorsichtig sein mit solchen Eindrücken, natürlich kann niemand einem Manager in die Seele schauen. Das gilt für Jain wie für Cryan. Doch wenn Cryan über die Missstände spricht, liegt deutlich mehr Entschiedenheit in der Stimme. Und er sagt klar, dass er die Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden für Chefsache hält. Ganz so, als sei sie das bisher nicht gewesen.
Journalisten, Analysten, Investoren, Mitarbeiter – sie alle haben in den vergangenen Jahren gelernt, Ziele und Ankündigungen der Deutschen Bank mit Vorsicht aufzunehmen und besser erst einmal darauf zu warten, ob den schönen Worten auch wirklich Taten folgen. John Cryan weiß: "Wir müssen einfach liefern". Zumindest aber hat sein bisheriges Auftreten etwas von einem großen reality check, der die Bank endlich auf den Boden der traurigen Tatsachen holt.
Mit seiner Attitüde von "Blut, Schweiß und Tränen"
trifft er dabei – wie einst Winston Churchill, der diese Formulierung prägte –
den Nerv vieler. Cryans Worte wie auch seine bisherigen Maßnahmen zeigen, dass
er das Ausmaß des Schlamassels, in dem die Deutsche Bank steckt, verstanden
hat. Und das lässt hoffen, auch wenn jedem Beteiligten klar ist, dass dieser
Schlamassel noch lange nicht vorbei ist.
Kommentare
Nur meine Meinung....
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Cryans Worte wie auch seine bisherigen Maßnahmen zeigen, dass er das Ausmaß des Schlamassels, in dem die Deutsche Bank steckt, verstanden hat.
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Ich glaube nicht, daß Cryan dieses "Schlamassel" verstanden hat.
Diese Situation ist ja nicht erst seit ein paar Jahren so, die DB steht nicht vor einem "Schlamassel", sondern vor der größten Krise ihrer Geschichte.
Wie gesagt, nur meine Meinung.
Diesen Schlamassel hat ja jemand verursacht - warum werden diese nicht zur Verantwortung gezogen?
Aber wie immer, gespart wird an den Mitarbeitern, die meistens für diesen Schlamassel keine Verantwortung tragen.
Ja, warum soll es nicht auch mal die Einkommenselite treffen. Auch dort (grade dort) kann die Familie gemeinsam den Gürtel enger schnallen lernen.
Und what for? Yes, für the Börsenkurs!
"Gleich zu seinem ersten Auftritt überbringt der neue Co-Chef der Deutschen Bank üble Nachrichten. Doch John Cryan wählt dafür klare Worte. Und das lässt hoffen. "
Das einzige was man hoffen sollte, dass diese MOTHER OF ALL BAD BANKS endlich verschwindet, zum Wohle der Welt.
das war ja mal ein auftritt. wenn du denkst, schlimmer geht's nimmer, kommt ein cryan. schlimm vor allen diengen für die, die am allerwenigsten dafür können. mal sehen, ob auch in der führungsetage köpfe rollen werden.
Hmm,
sehe ich anders: Schon vor 20 Jahren hat sich diese Bank komplett vom Kunden entfernt! Warum sollte man da irgendeinen der Mitarbeiter in Schutz nehmen?
Die, die dafür am wenigsten können, sind die Bürger dieses Staates, der um Milliarden betrogen wurde und wird (in spätestens 4 Wochen kommt der nächste Skandal hoch); aber die meisten der dort Tätigen haben selbst noch gejubelt, als der FDP-Guido von spätrömischer Dekadent sprach!