Wenn man den früheren Chef der Allianz Deutschland gefragt hat, ob sich eine Lebensversicherung auch in Zeiten niedriger Zinsen lohne, pflegte Gerhard Rupprecht so zu antworten: "Es wird immer mehr, aber es wird langsamer mehr."
Wie langsam das Wachstum ausfällt, davon können viele Bürger ein Lied singen. Ernst Link etwa. 1989 unterschreibt er einen Lebensversicherungsvertrag, am Ende der Laufzeit soll er 384.000 D-Mark erhalten, rechnet ihm die Bayern Versicherung hoch – unverbindlich, versteht sich, auf Basis der damaligen Zinslage. Doch die ändert sich. Gerade einmal 86.000 Euro sagt ihm seine Versicherung in der jüngsten Mitteilung vom Juni vergangenen Jahres voraus – das sind rund 44 Prozent der ursprünglich veranschlagten Summe.
Erhebliche Lücken
"Zwischen der Leistung, die der Versicherer den Kunden bei Vertragsschluss in Aussicht gestellt hat, und der tatsächlichen Leistung klaffen oft erhebliche Lücken", moniert die Stiftung Warentest. Die Verbraucherschützer hatten Versicherte aufgerufen, ihnen Verträge zu schicken, 92 Menschen haben von dem Angebot Gebrauch gemacht. Das Ergebnis ist oft erschreckend. "Bis zu knapp die Hälfte weniger als vom Versicherer einst hochgerechnet, kommt am Ende heraus", heißt es in der neuen Ausgabe von Finanztest. "Die Überschussangaben zu Beginn des Vertrags erwiesen sich meist als Fehlschluss." Das ist bitter. Denn bei einer klassischen Lebensversicherung ist nur der sogenannte Garantiezins für die gesamte Laufzeit des Vertrags wirklich sicher. Der lag früher bei vier Prozent, neue Verträge bringen aber nur noch 1,25 Prozent. Erwirtschaften die Versicherer mehr als den reinen Garantiezins, schreiben sie diese Gewinne ihren Kunden als Überschussbeteiligung gut. Auch diese Überschussbeteiligungen sind sicher – aber nur für die Vergangenheit, einen Anspruch auf zukünftige Überschussbeteiligungen gibt es nicht.
Keine Besserung in Sicht
Die dürften in Zukunft noch eher geringer ausfallen. Ein Ende der Niedrigzinsphase ist nicht in Sicht. Als Schutz vor Zahlungsengpässen müssen die Versicherer deshalb seit 2011 Geld für eine Zinszusatzreserve zur Seite legen. 32 Milliarden Euro sind bis Ende vergangenen Jahres nach Angaben der Finanzaufsicht Bafin bislang zusammenkommen – Geld, das vorerst nicht zur Ausschüttung an die Kunden zur Verfügung steht. Und auch die früher lukrative Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven, den Kursgewinnen im Portfolio der Versicherer, ist seit der Versicherungsreform 2014 kräftig gesunken.
Verband: Prognosen sind unverbindlich
Beispielrechnungen zu Ablauf- und Rentenleistungen seien immer unverbindlich, betonte der Versicherungsverband GDV am Montag auf Anfrage, darauf werde aber auch explizit hingewiesen. Die Ertragssituation könne sich im Zeitverlauf verändern, "Zinsen können steigen oder fallen", heißt es in einer Stellungnahme des Verbands. Das extreme Niedrigzinsumfeld sei nicht vorhersehbar gewesen, betont der GDV. Umso wichtiger sei es, dass die Kunden sowohl bei Vertragsabschluss als auch bei den laufenden Standmitteilungen regelmäßig auf den Unterschied zwischen garantierten Leistungen und möglichen Leistungen aus einer Überschussbeteiligung hingewiesen werden.
Kommentare
Privat vor Staat lohnt sich wohl doch nicht.
Es ist generell schwierig geworden finanziell fürs Alter vorzusorgen. Mittlerweile fragt man sich wirklich wie man sich überhaupt eine Rente sichern soll.
Gleichzeitig heißt das aber auch: Immer Augen offen halten vor Leuten die einem zu viel versprechen. Im Moment sieht es für uns alle schwarz aus
Geld arbeitet nicht. Man kann es nur anderen wegnehmen.
"Geld arbeitet nicht." ??????
wenn sie es unters Kopfkissen legen, dann nicht.
wenn Sie es einem Unternehmer geben, der damit investieren kann,
dann schon
was das in diesem Zusammenhang mit " wegnehmen" gemeint sein soll,
erschließt sich mir nicht
Am meisten überrascht doch wohl die Überraschung. Wenn die EZB den Leitzins auf Null setzt und eine 10 jährige Bundesanleihe 0,5 % Rendite erbringt, wo sollen denn dann bittesehr die Erträge der Versicherungen herkommen?
Einen Artikel weiter in der Wirtschaftsrubrik können Sie von der Wachstumsprognose des IWF lesen. So wird das "großartige" Wachstum von 1,7%, das für 2016 und 2017 prognostiziert wird, unter anderem auf das niedrige Zinsniveau zurückgeführt. Da kommt doch Freude auf...
EMDZZ.
Einer muss die Zeche zahlen.
Wenn die Zentralbanken mit Dicken Bertas schiessen, wird irgendwann irgendwer getroffen.
Wenn Stiftung Warentest krasse Einzelfälle sammelt, so ist das zwar ihr gutes Recht, doch welchem Verbraucher soll das bei der Geldanlage helfen?
Im Beispiel des Herrn Ernst Link aus dem Artikel käme es darauf an, wie sich sein Anlagebetrag über die Laufzeit annualisiert verzinste und was demgegenüber risikoreichere Anlagealternativen (ohne Kapital- und Zinsgarantie) an annualisierter Rendite erzielt hätten.
Kapitalbildende Lebensversicherungen sollen noch 2014 (www.t-online.de/wirtschaf...) im Kategorie- bzw. Branchendurchschnitt 3,43 Prozent Verzinsung pro Jahr erzielt haben; eine Kapitalrendite von +3,43% p.a. ist mehr als ordentlich!
Zum Vergleich für die vergangenen zehn Jahre die annualisierte Wertentwicklung dreier Morningstar-Fondskategorien (die im Gegensatz zu Versicherern keinerlei Kapital- oder Renditegarantie bieten!):
Fondskategorie "Mischfonds EUR ausgewogen - Global": +2,52 % p.a.
Fondskategorie "Aktien weltweit Standardwerte Blend": +3,36% p.a.
Fondskategorie "Anleihen Global EUR-hedged": +3,02 % p.a.
Fazit: Es gibt gute Argumente dafür, dass die klassische kapitalbildende Lebensversicherung in den letzten zehn Jahren (eher gute Renditejahre) zu den besten Anlagekategorien überhaupt zählte. Einziger Preis für garantierte Sicherheit und gute Rendite ist (wie bei Festgeld) die unflexible Bindung des Kapitals über einen zuvor definierten, längeren Zeitraum.