ZEIT ONLINE: Herr Löschel, Ihre Expertenkommission bewertet jährlich die Fortschritte der Bundesregierung in der Energiewende. Wie fällt Ihre Bilanz in diesem Jahr aus?
Löschel: Der Ausbau der erneuerbaren Energien läuft gut. Bis 2020 sollen sie mindestens 35 Prozent des Bruttostromverbrauchs und 18 Prozent des Bruttoendenergieverbrauchs – also Strom, Wärme und Verkehr – decken. Diese Ziele werden aus heutiger Sicht wahrscheinlich erreicht. In anderen Bereichen läuft es schlechter.
ZEIT ONLINE: Wo genau?
Löschel: Gebäude zu heizen verbraucht immer noch zu viel Energie, und der Energieverbrauch der Deutschen insgesamt ist noch zu hoch. In beiden Bereichen könnte es sein, dass die Bundesregierung ihre Ziele bis 2020 nicht erreicht.
Fünf weitere Ziele wird sie sehr wahrscheinlich sogar klar verfehlen: Der Stromverbrauch sinkt nicht so schnell wie geplant, die Energieeffizienz steigt zu langsam, der Verkehr verbraucht immer noch zu viel Energie, der Anteil der Erneuerbaren im Verkehr wächst nicht schnell genug, und die Emissionen von Treibhausgasen werden nicht so stark sinken wie geplant.
ZEIT ONLINE: Fünf von zehn Zielen werden voraussichtlich verfehlt – was macht die Bundesregierung falsch?
Löschel: Es gibt Ursachen, die von der Bundesregierung gar nicht beeinflusst werden können. Fossile Energieträger sind im Moment sehr billig, und CO2-Emissionen auch. Das bedeutet, dass Investitionen in mehr Energieeffizienz oder eine bessere Dämmung von Gebäuden sich nicht rechnen, selbst wenn die Politik sie fördert.
Zugleich nutzt die Politik sehr viele sehr kleinteilige Instrumente, um die Energiewende voranzutreiben. Manches widerspricht sich. Je weiter die Energiewende voranschreitet, desto schwieriger wird es, sie mit diesen Mitteln zu steuern.
Aufgrund des gegenwärtigen Fördersystems fallen die Großhandelspreise für Strom. Im Moment verfeuern wir zu viel Kohle, Erdgas kommt nicht mehr zum Zuge. Wir exportieren Strom und verfehlen unsere Klimaziele. Und wir geben teilweise viel Geld aus, das wenig bringt. Zum Beispiel überweist der Staat den Stromerzeugern sieben Jahre lang viel Geld, insgesamt 1,6 Milliarden Euro – dafür, dass sie acht Braunkohlekraftwerke still legen. Das spart etwa zehn Millionen Tonnen CO2. Würde die gleiche Summe anderswo investiert, das Klima hätte mehr davon.
ZEIT ONLINE: Was wäre die Lösung?
Löschel: Wir plädieren für einen Preis auf alle Kohlendioxidemissionen. Dieser würde dem Fördersystem einen verlässlichen, allgemeinen Rahmen geben. Das bisherige Emissionshandelssystem der EU sichert die Erreichung der deutschen Klimaziele nicht, weil die Zertifikate dafür viel zu billig sind. Eine CO2-Steuer oder ein nationaler Mindestpreis für CO2 würden das ändern.
ZEIT ONLINE: Dann würden die Energiewende noch teurer.
Betriebe, die in Deutschland produzieren, sind konkurrenzfähig.
Löschel: So teuer ist die Energiewende bisher gar nicht, zumindest nicht aufs Ganze gerechnet. Die Energie-Stückkosten der Unternehmen, die in Deutschland produzieren, liegen unter dem europäischen Durchschnitt. Die Betriebe sind konkurrenzfähig. Für besonders betroffene Branchen gibt es Ausnahmen.
Wir haben uns auch angesehen, wie viel die Endverbraucher – also Unternehmen und private Haushalte – im Moment für Strom zahlen und das ins Verhältnis zur deutschen Wirtschaftsleistung insgesamt gesetzt. Der Anteil ist in den vergangenen Jahren sogar gesunken. Im Moment liegt er unter 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
ZEIT ONLINE: Die Gesamtrechnung sagt aber noch nichts darüber aus, wer am Ende bezahlt.
Die Wohlhabenden profitieren stärker.
Löschel: Das stimmt, und tatsächlich hat die Art, wie die Kosten der Energiewende bisher umgelegt wurden, von den Haushalten mit geringem Einkommen einen relativ gesehen größeren Beitrag eingefordert als von den wohlhabenden Haushalten. Die Wohlhabenden profitieren stärker von der Energiewende.
ZEIT ONLINE: Gutverdiener können sich geförderte E-Autos leisten, sie investieren in Solarzellen und dämmen ihre Häuser – die Kosten legen sie auf die Mieter um. Zugleich steigt der Strompreis ...
Löschel: ... und weil die Stromnachfrage sich nicht nur nach dem Einkommen richtet, sondern viel mehr nach der Größe des Haushalts und anderen Faktoren, spüren Haushalte mit geringem Einkommen das stärker als die Wohlhabenden. Da die Ausgaben in den nächsten Jahren weiter ansteigen werden, wird sich auch die Verteilungsproblematik verschärfen. Das muss man anders gestalten.
ZEIT ONLINE: Eine CO2-Bepreisung würde die Kosten erst einmal erhöhen.
Kommentare
"Fossile Energie muss noch teurer werden"
Deutschland hatte schon im Jahre 2015 den zweithöchsten Strompreis in der gesamten EU:
http://strom-report.de/strom…
deutschland hat aber auch mit die höchsten einkommen in der EU ...
..und die Energiewende hinzubekommen ist so wichtig, dass die damit verbundenen Kosten hingenommen werden müssen ..
allerdings wäre zu überlegen wie und wo man den Preis stärker als Steuerungsinstrument nutzen kann .. auch müsste die SPD endlich die unsägliche Braunkohle-Unterstützungspolitik ändern ... klarer möglichst baldiger Ausstieg .. dabei Unterstützung für die, deren Arbeitsplätze wegfallen ..
Absolut richtig!
PS -> https://skepticalscience.com…
Gemach, gemach ...
Der Staat muss just nur noch gerade die Grenzen der Physik überwinden.
Danach sehen wir weiter ...
"Zur Wahrheit gehört auch, dass es heute Bereiche gibt, in denen wir noch keine Lösungen für die Zukunft haben.
In der Stahlindustrie etwa oder bei der Zementherstellung gerät man selbst bei weiterer Prozessoptimierung irgendwann an Grenzen des physikalisch Möglichen.
Hier brauchen wir noch in großem Umfang Forschung und Entwicklung, um zu grundlegenden Innovationen zu kommen. "
Dr. Barbara Hendricks, Handelsblatt
Und: Deutschlands Anteil an den weltweiten Co2-Emissionen beträgt nur etwa 2%:
https://de.statista.com/stat…
Frau Hendircks,
die mir sonst nicht sehr sympatrhisch ist, hat hier mal was richtiges gesagt. Die Hopplahopp Energiewende der grünen Kanzlerin wird durch das Eigeninteresse der alten SPD ler und Gewerkschaftler etwas gebremst. Sollte allerdings RRG nächstes Jahr mit grünem Umweltminister Hofreiter installiert werden, kann dieses Land seine gesamte Industrie beerdigen und alle Stahlarbeiter werden auf Biobauer umgeschult. Khmer Rouge läßt grüßen.
Ach, die Lösung gibt es doch schon längst...die energieintensive Industrie wird zusehends abwandern müssen; große Investitionen werden ohnedies nur mehr im Ausland, wo CO2 eine untergeordnete Rolle spielt, getätigt.
Ein schönes Beispiel, wenn auch nicht aus Deutschland, ist der Stahlerzeuger Voestalpine. D.h. aber auch, dass man mit nationalen Maßnahmen in einer globalisierten Welt nicht sehr viel erreichen kann - Ist auch keine neue Erkenntnis!
++Und: Deutschlands Anteil an den weltweiten Co2-Emissionen beträgt nur etwa 2%++
Daher ist die ganze Energiewende komplett schwachsinnig. Das kostet pro Jahr über 20 Mrd. Euro.
Angenommen, man würde Deutschland in die Steinzeit zurückversetzen - fast kein CO2-Ausstoß -, dann würde das global WAS bringen? Gar nichts!
Sie sollten diese äußerst gelungene Satire mit einem Warnhinweis versehen - es könnte sein es verletzt sich jemand, weil er / sie nach dieser Lektüre geradewegs vor Lachen vom Stuhl fällt ...
Also es gibt in dieser Republik auch Fachleute, deren Kompetenz in Sachen Klima allgemein geschätzt wird, beispielsweise Mojib Latif. Letztere hat wiederholt darauf aufmerksam gemacht, der Klimawandel wird uns verstärkt Extremwetterlagen bescheren (und nicht nur uns). Wenn also mal wieder ein ganzer Landstrich von einem "Jahrhunderthochwasser" überflutet wird und Millionen-, wenn nicht Milliardenwerte zerstört werden, dann denken Sie mal einen Augenblick darüber nach, ob denn der Klimawandel womöglich auch nicht umsonst zu haben ist.
Wenn das so einfach und simpel wäre, dann hätte die DDR-Wirtschaft im Herbst 1989 ja glänzend dastehen müssen - jede Menge billige Braunkohle als Energieträger und so gut wie gar keine Auflagen zum Umweltschutz.
Es war bekanntermaßen das genaue Gegenteil.
Vor vier Tagen haben sie sich noch eine Differenzierung von "rechts", "rechtsradikal" und "rechtsextrem" von Seiten der "Linksliberalen" und "den Medien" gewünscht. Jetzt wird RRG mit den Roten Khmer gleichgesetzt.
Was für eine Heuchelei...
Und deswegen stecken wir alle den Kopf in den Sand und denken uns: sollen doch die Chinesen und die USA den ersten Schritt machen ?!?
So ganz nebenbei, es geht um einen Technologiewandel, denn der weiter steigende Bedarf der Menschheit auf diesem Globus wird sich kaum mit klar begrenzten Vorräten an fossilen Energieträgern decken lassen. Wollen wir diesen Zukunftsmarkt den Chinesen überlassen?
Deutschland in die "Steinzeit" zurück zu versetzen wäre mit Sicherheit keine besonders praktikable Lösung, denn die Bevölkerung ist seitdem doch eine wenig gewachsen. Den Energiebedarf von heute schlicht durch verfeuern unserer Wälder zu decken wäre schon deswegen unmöglich, weil von den Wäldern die in der Steinzeit unsere Region bedeckten, das meiste längst verschwunden ist.
Ihr berechtigter Einwand könnte im Einzelfall postfaktischen Klimaapokalyptikern schnurz egal sein.
Na wenn Herr Latif das meint stimmte auch. Ich Fall jetzt vom Stuhl vor Lachen.
... Stimmt es ....
Das kostet noch mehr wenn Sie das entgangene Sozialprodukt hinzu rechnen sowie die Einbußen beim Comfort mitbewerten.
Ich dreh jetzt erstmal die Heizung an meinem Koi Teich höher :-)
Vorsicht - Sie wissen ja, die meisten Unfälle geschehen im Haushalt ...
Wenn es stimmt was man so zum Thema zu lesen bekam, dann hat Vattenfall noch massiv Geld drauf gelegt, um den Braunkohlenabbau in Ostdeutschland (nebst zugehörigen Kraftwerken) an einen Tschechischen Konzern zu veräußern.
Der Anteil eines durchschnittlichen Steuerzahlers an der gesamten Steuerleistung ist noch geringer als 2%, trotzdem muss er Steuern zahlen.
Deutschland muss den CO2-Ausstoß verringern, weil alle Staaten den CO-Ausstoß verringern müssen.
Dummerweise ist das der nur ziemlich wenig von Deutschland verursachte Klimawandel, der uns Extremwetterlagen bescheren wird. Meine Befürchtungen gehen da schon eher in Richtung USA, wo Mr. Trump der Klimaschutzbehörde gerade einen "Kopfschuss" mit dem neuen Chef verpassen will.
Ja Logo wenn die Verbotswut absehbar ist gibt es kein Halten mehr. Der vernichtete Unternehmenswert als Kollateral Schaden einer engagierten wie überflüssigen Klimapolitik.
Die Deutschen sind aber auch nur etwas mehr als 1% der Weltbevölkerung.
Sie können mich zwar jetzt einen "Relativierer" nennen, aber dies bedeutet, dass jeder Deutsche doppelt so viel CO2 erzeugt, als der durchschnittliche Erdenbürger.
Dafür dass das Sozialprodukt pro Kopf mehr als doppelt so hoch ist als im Schnitt können wir uns also mehr leisten. So ganz relativ gesehen..
Ja und? Auch wir müssen unseren Betrag leisten. Das gilt halt auch für die 1.14% der Weltbevölkerung, die in Deutschland lebt.
Warten wir es doch ab - in den USA ist gerade jemand zum Präsidenten gewählt worden, der vom Klimaschutz erklärtermaßen gar nichts hält. Mr. Trump hat sogar verkündet, er wolle die einheimische Kohleindustrie wiederbeleben ....
In spätestens vier Jahre wird sich zeigen, was von solchen Behauptungen zu halten ist. Mein Tip wäre, bis dahin wird sich zeigen, selbst ein Donald Trump vermag das Rad der Zeit nicht zurück zu drehen und das Sterben der Montanindustrie im "Rust Belt" wird ungebremst weitergehen.
Noch hat die hiesige Industrie einen deutlichen Vorsprung wenn es um Umweltschutz und Energieeffizienz geht, aber die Chinesen sind bekanntermaßen schon an dem Thema dran. Bei den Solarmodulen haben diese bekanntermaßen die hiesigen Anbieter erfolgreich vom (Welt-)Markt verdrängt. Wäre doch am Ende echt peinlich, wenn wir uns vom Reich der Mitte zeigen lassen müssten, wie man eine Volkswirtschaft erfolgreich dekarbonisiert.
Ich finde auch, dass die Franzosen Unterstützung brauchen. (Ironie aus)
Z.B. So wichtige Erungenschaften, wie beheizbare Koiteiche.
Neue Arbeitsplätze im Ausland und den Strom in Deutschland können sich die wenigen verbliebenen Arbeitsplatzinhaber leisten. Der Rest muss frieren.
padmasambhava #3.5
"... Daher ist die ganze Energiewende komplett schwachsinnig. Das kostet pro Jahr über 20 Mrd. Euro. ..."
Das reicht nicht. Über die EEG-Umlage werden jeden Monat 2 Milliarden verteilt. Allein hier sind es schon 24 Milliarden.
@ Am Rande
"Der Staat muss just nur noch gerade die Grenzen der Physik überwinden."
Als Physiker muss ich mich dazu mal äußern: Quatsch!
Sie verwechseln gleich mehrere Dinge. Frau Hendricks sprach die Emissionen bei der Zementherstellung an (was übrigens Chemie ist), ich ergänze noch die Landwirtschaft. Das sind Probleme, die aber erst dann groß werden, wenn wir von Klimaneutralität - also 0 Gt anthropogene Emissionen - sprechen (ich vermute, darüber sprach Hendricks), also Probleme der 2. Hälfte des Jahrhunderts.
Das Interview handelt aber von Nahzielen. Die Erreichung der Klimaziele ist keine Frage der Physik, sondern einfach eine des politischen Willens.
PS:
Die Physik erlaubt auch 0 Gt Emissionen. Sie hat z.B. noch nie verboten, CO2 der Atmosphäre zu entnehmen und im Boden zu verpressen. Oder in Teilen der Meere Eisen als Dünger auszustreuen. Oder Wälder anzupflanzen. Niemand muss sich dafür schneller als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen ;-)
Also bitte einfach die Physik aus der Debatte raushalten und sie nicht für Scheinargumente missbrauchen. Danke.
"Großbritannien hat einen Mindestpreis für Kohlendioxidemissionen im Emissionshandel eingeführt. Frankreich plant das Gleiche."
Frankreich? Ist das das Land mit einem Anteil von 75 Prozent an Atomkraft bei der Stromgewinnung? Ein Vorbild für Deutschland?
http://www.faz.net/aktuell/w…
Großbritannien? Ist das das Land, in dem eine Renaissance der Atomkraft stattfindet? Auch ein Vorbild für Deutschland?
http://www.sueddeutsche.de/w…
Wasch' mich, aber mach' mir den Pelz nicht nass! Nach dieser Devise argumentieren Politiker, aber auch Journalisten und ein Teil der sog. Umweltschützer. Jeweils eindimensional wir ein Umweltproblem betrachtet und die Risiken von (angeblichen) Alternativen ignoriert. Inzwischen gibt es an allen Orten Bürgerbewegungen, welche sich gegen den Bau von Windkraftanlagen oder Solar-Parks wenden - oft sogar mit guten Argumenten. Also - wohin wollen wir wirklich?
https://www.scientificameric…
Aber nein, Deutschland hat ja die antinukleare Moralität für sich gepachtet und 'wir schaffen das' auch so. Weiß nur keiner, wie. Immernoch nicht.