In den USA heißt es, es sei respektabel, in Reichtum zu leben, jedoch inakzeptabel, in Reichtum zu sterben. In Deutschland gilt das Gegenteil: Es ist meist verpönt, in Reichtum zu leben, aber höchst respektabel, in Reichtum zu sterben und den Kindern und Enkelkindern möglichst viel zu vererben. Woher kommt diese Mentalität in Deutschland? Und was bedeutet sie für unsere Gesellschaft?
Es ist nicht unüblich in den USA, seine Kinder und Enkelkinder zu enterben. Dabei geht es vielen wohlhabenden Amerikanern nicht nur darum, etwas an ihre Gesellschaft zurückzugeben. Sie glauben auch, im Interesse ihrer Kinder und Enkelkinder zu handeln. Das Enterben ihrer Kinder begründen viele damit, dass sie diesen keine Steine in den Weg legen wollen, indem sie sie durch Verpflichtungen gegenüber dem Familienerbe beschränken, sondern ihnen die Freiheit geben wollen, ihr eigenes Leben zu leben.
Mit der Kampagne The Giving Pledge haben sich Bill Gates, Warren Buffet, Mark Zuckerberg und andere dazu verpflichtet, fast ihren gesamten Reichtum zu Lebzeiten, und nicht erst nach ihrem Tod, an die Gesellschaft zurückzugeben. Bill und Melinda Gates tun dies durch ihre Stiftung, die sich für die Beseitigung globaler Probleme engagiert, vor allem im Bereich Gesundheit in den ärmsten Ländern der Welt. Ihr beeindruckender Erfolg hat Warren Buffet dazu bewogen, den Großteil seines Geldes ebenfalls dieser Stiftung zu geben. Auch allgemein hat Philantropie in den USA einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert.
Anders sieht es dagegen in Deutschland aus. Alleine der Begriff "ent-erben" zeigt das abweichende Grundverständnis: Kinder haben ein Anrecht auf das Vermögen ihrer Eltern, die ihren Kindern nur in Ausnahmefällen das Vermögen komplett verwehren können. Das öffentliche Zeigen von Reichtum wird in unserer Gesellschaft eher despektierlich empfunden. Die Weitergabe eines großen Vermögens als Erbe wird jedoch als Lebensleistung anerkannt.
Erben ist nicht immer ein Segen
Um es deutlich zu betonen: Auch in Deutschland gibt es viele Familien, die durch Stiftungen, Spenden und Schenkungen einen Teil ihres Vermögens an die Gesellschaft geben. Aber die Philantropie hat in Deutschland nicht die gleiche Bedeutung wie in den USA und manchen anderen Ländern. Auch, weil das deutsche Steuer- und Sozialsystem bei vielen die Erwartungen an den Staat, er möge sich um soziale Belange kümmern, viel stärker schürt, als dies in den USA der Fall ist.
Dabei gibt es einige belastbare Belege für die US-amerikanische These, dass eine Erbschaft nicht immer ein Segen für die Erbenden ist. Für Deutschland zeigt das beeindruckende Buch von Julia Friedrichs, dass ein Erbe für viele zur Belastung wird. Zudem belegen wissenschaftliche Studien, dass die eigenen Kinder nicht oder nur in den seltensten Fällen die besten Manager sind, um das Familienerbe oder -unternehmen zum Erfolg zu führen.
Was ist die Ursache für die hohe Bedeutung von Erbschaften in unserer deutschen Gesellschaft? Ein zentraler Grund ist unser Gesellschaftsvertrag, der einen großen Wert auf Solidarität innerhalb der Familie und zwischen den Generationen legt. Die Wurzeln liegen in der landwirtschaftlichen Ordnung vieler Teile Deutschlands, durch die das Land an die ältesten Söhne vererbt wurde, um die Lebensgrundlage der eigenen Familie zu sichern. Und es stammt aus einer Zeit, in der es praktisch keinen Sozialstaat gab, also Solidarität fast ausschließlich innerhalb der Familie und nicht innerhalb der Gesellschaft verstanden wurde.
Kommentare
Erbschaftssteuer ist Blödsinn.
Das kann Unternehmerfamilien treffen und Arbeitsplätze kosten.
Eine Luxussteuer halte ich für sinnvoll.
Wenn jemand meint, er muss sich Luxus gönnen während die sozialen Probleme zunehmen, dann sollte er tief in die Tasche greifen.
Mann muss dann einen Luxuskatalog definieren: Sportwagen, Yacht, Swimmingpool, etc.
Fände ich auch deutlich angebrachter. Vermögende Menschen zahlen schon einen, meiner Meinung nach, relativ angebrachten Steuersatz. Aber der Anreiz es überhaupt schaffen vermögend zu werden sollte nicht dadurch geschmälert werden, dass man 70% Vermögenssteuer oder so zahlt.
Über eine höhere Besteuerung bei Luxusgütern aber, hätten einige Leute auch irgendwie vielleicht den Bezug dazu, dass das was sie sich leisten nicht "normal" ist, sondern etwas besonderes.
Täte einigen bestimmt gut.
"Das Problem in Deutschland heute ist nicht, dass die Reichsten zu viel haben, sondern dass 40 Prozent der Deutschen überhaupt kein Vermögen haben"
Aber das eine schliesst das andere doch nicht völlig aus. Selbt die von Ihnen beschworenen Amerikanischen Wohltäter sehen das als Problem an.
Buffett prangert Superreiche an
"Das Problem sind Menschen wie ich"
http://www.n-tv.de/wirtsc...
"sondern dass 40 Prozent der Deutschen überhaupt kein Vermögen haben, nichts erben und es für diese schwer ist, selbst für sich Vorsorge zu betreiben. "
Und was spricht dann in diesem Fall von einer Nutzung der Erbschaftssteuer um solche Misstände zu mildern ?
Aus meiner Sicht spricht vieles dafür. Man muss sich nur einmal die Dimensionen klar machen. Wenn tatsächlich, wie in einer aktuellen Studie angegeben im Jahr ca. 400 Mrd vererbt werden und man bei allen Freibeträgen und unter heranzieher nur größerer Erbschaften nur 10% Erbschaftssteuer hätte, könnte man jedem der ca. 700.000 im Jahr geborenen Kinder zur Geburt ein Konto mit 56.000 Euro schenken. Wenn einem so etwas wie Chancenausgleich wirklich am Herzen läge.
Und wenn man dann noch bedenkt, dass die viel gelobten Enterpreneure, die die Welt voranbringen zu großen Teilen im wesentlichen gemein haben, dass sie es sich leisten konnten zu scheitern, weil sie min. wohlhabende Eltern haben, dann kann diese Idee auch gesamtgesellschaftlich nicht schlecht sein.
Mal im Ernst: 10%, das wird jawohl drin sein.
Geld in Stiftungen, die in fossile Brennstoffe und so weiter investieren hat den einfachen Vorteil, dass es nicht versteuert werden muss.
Ich bezweifle, dass es dabei rein ums Wohl der Menschen geht.
Abgesehen davon finde ich es nicht richtig, dass etwas, was schon versteuert wurde, nochmal versteuert werden muss. Es ist nicht unfair denen gegenüber, die wenig oder nichts erben (ich z.B.) sondern einfach "Glück". Und persönlich stehe ich politisch eher links.
Chancengleichheit wird jedenfalls nicht durch das Erbrecht genommen, das geschieht schon weitaus vorher.
Alles wurde schon mal irgendwie, irgendwo versteuert. Das ist unvermeidlich, da Vermögen zirkulieren. Bei einem Zugewinn ist dieser zu versteuern. Wenn Ihr Vater Unternehmer wäre und ihnen Lohn zahlen würde, müssen sie diesen auch versteuern, selbst wenn Ihr Vater schon einmal aus anderen Gründen darauf Steuern gezahlt hat. Dass das Erben ein leistungsloses Einkommen ist, ändert daran nichts.
Leider wird in Deutschland die Diskussion um Vermögen und Erbe meist sehr schnell zu einer Neiddebatte, in der das Vermögen vermeintlich denen nicht gegönnt wird, die es haben.
Herr Fratzscher, Sie haben mit Ihrer Analyse recht. In Deutschland geht es fast aussließlich um Neid. Dazu kommt, dass erzwungene Solidarität keine Solidarität ist. Das ist in den USA ganz anders, wie Sie richtig schreiben. Daher ist das gesellschaftliche Klima dort auch viel angenehmer als das deutsche.
"Daher ist das gesellschaftliche Klima dort auch viel angenehmer als das deutsche."
:-D