Ein Film der Tierrechtsorganisation Peta über die Bedingungen in der Massentierhaltung machte Marissa Landrigan zu einer radikalen Vegetarierin. Doch irgendwann wurde ihr klar: Auch der Vegetarismus kann Schattenseiten haben. Über ihre Suche nach einer ethisch korrekten und nachhaltigen Ernährung hat sie ein Buch geschrieben.
ZEIT ONLINE: Frau Landrigan, Ihr Buch heißt Fleisch essen für Vegetarier. Ganz schön provokant für jemanden, der behauptet, sich um Tierrechte zu sorgen.
Marissa Landrigan: Ich wollte mit meinem Buch zeigen, dass sich auch Fleischesser achtsam ernähren können. Vegetarier sind nicht automatisch die ethischeren Esser. Der Fleischkonsum und der Vegetarismus können beide ethisch begründet sein.
ZEIT ONLINE: Wenn Menschen Fleisch essen wollen, müssen Tiere sterben. Gibt es eine gute, ethisch zulässige Art, sie zu töten?
Landrigan: Ich denke schon, auch wenn viele das bestreiten. Natürlich ist es immer noch Töten. Aber ich glaube, dass unser Konsum immer Leid verursacht; egal ob es um unsere Nahrung geht, um Kleidung oder um Benzin für unsere Autos. Wir können dieses Leid nicht komplett eliminieren. Das müssen wir anerkennen. Der Schlüssel ist, das Leid so gering wie möglich zu halten.
ZEIT ONLINE: Das heißt konkret?
Landrigan: Wir müssen dafür sorgen, dass die Tiere so gut wie möglich leben. Dass sie unter möglichst humanen Bedingungen gezüchtet und geschlachtet werden ...
ZEIT ONLINE: Human heißt doch eigentlich menschlich oder menschenwürdig. Was genau meinen Sie, wenn Sie dieses Wort für Tierhaltung benutzen?
Landrigan: Ich finde, das Wort passt. Indem wir die Tiere gut behandeln, bewahren wir auch unsere eigene Menschlichkeit. Ich glaube aber, dass es nicht damit getan ist, ausschließlich auf das Leid der Tiere zu achten. Wir müssen auch das Leid der Arbeitnehmer in der Produktion minimieren und zugleich die Belastung
für die Umwelt. Das bedeutet, dass wir beispielsweise nach den Arbeitsbedingungen auf den Feldern und in der Tierhaltung fragen müssen.
ZEIT ONLINE: Eine Schlüsselszene in Ihrem Buch beschreibt den Moment, in dem Sie nach einer Anleitung aus dem Internet Ihr erstes Huhn selbst zerlegen – ein ziemlich beeindruckendes Vorhaben nach den sieben Jahren, in denen Sie sich fleischlos ernährt hatten. Warum wollten Sie dieses Huhn unbedingt selbst auseinandernehmen?
Ich habe verdrängt, dass Fleisch von Tieren kommt
Landrigan: Bevor ich Vegetarierin wurde, habe ich verdrängt, dass Fleisch von Tieren kommt – als es mir bewusst wurde, hat es mich so verstört, dass ich kein Fleisch mehr essen wollte. Als ich dann wieder zum Fleischkonsum zurückkehren wollte, beschloss ich, es mir nicht mehr so leicht zu machen wie früher. Stattdessen nahm ich mir vor, ganz genau hinzusehen. Ich wollte verstehen, woher das Fleisch kommt. Für mich bedeutete das: Ich musste dieses tote Tier selbst zu Fleisch verarbeiten.
ZEIT ONLINE: Warum wollten sie denn wieder Fleisch essen?
Landrigan: Ich habe mich dafür entschieden, als ich auf meinem lokalen Markt Bauern traf, die Viehzucht als Teil eines integrierten biodynamischen Systems der Nahrungsmittelerzeugung betrieben. Obwohl sie Fleisch verkauften, waren ihre Höfe umweltbewusst, es waren Familienbetriebe und den Bauern lag das Wohl der Gemeinschaft am Herzen. Ich hatte das Gefühl, es sei sinnvoller, diese Art der Nahrungsmittelerzeugung zu unterstützen. Statt das bestehende System zu boykottieren, wollte ich dazu beitragen, dass etwas Neues entsteht.
ZEIT ONLINE: "Ich musste mich damit abfinden, dass es das perfekte, harmlose Lebensmittel nicht gab", schreiben Sie. Was meinen Sie damit?
Kommentare
Wir haben uns zwischen begeisterteren Fleischessern und Vegetariern in der Familie darauf geeinigt, wenig Fleisch zu essen, dafür aber bessere Qualität. Die im Artikel beschriebene Motivation spielt da auch eine große Rolle. Es gibt wirklich viele Gerichte, in denen man Fleisch nicht vermissen muss. Bei Nudelsoßen - und Auflaufen ist es sogar schon passiert, dass sich unsere Kinder über Hack beschwert haben, wenn welches darin auftauchte. Die Konsistenz von gutem Gemüse, vielleicht mit ein paar Pilzen, kommt da deutlich besser an.
Eew lieber Pilze als Hack in der Tomatensauce..?
"Ich habe verdrängt, dass Fleisch von Tieren kommt"
Ich denke dass ist dann doch eher die Ausnahme, die meisten werden wohl trotz dieses Wissens Fleisch essen.
Ich selbst war bei mehreren Hausschlachtungen dabei und ich fand es eigentlich eher interessant als eklig.
Meine Großmutter hatte als Überbleibsel ca 20 Hühner und auch wenn man es mir damals nicht explizit gesagt hat, wusste ich woher das Huhn auf meinem Teller kommt, wenn es Geflügel gab.
Ich habe mit meiner Großmutter die Hühner geschlachtet und gerupft,danach wurden die weiterverarbeitet.Die Hühner lebten bei meiner Großmutter auf dem Hof und waren glücklich so wie man das heute behauptet,aber in wirklichkeit waren diese Artgerecht gehalten.
Entfernt. Bitte diskutieren Sie differenziert. Danke, die Redaktion/ms
Der Kommentar, auf den Sie Bezug nehmen, wurde bereits entfernt.
Meinen Respekt hat sich Frau Landrigan auf jeden Fall verdient. Es gehört viel Größe dazu, selbst zu erkennen, dass evtl die eigene Lebensweise doch nicht das ultimative Gute ist. In unseren Breitengraden ist eine fleischlose Ernährung wenig sinnvoll, die teilweise extreme Vorgehensweise von Veganern schadet zusätzlich.
Wie oder wem schadet die exteme Vorgehensweise von Veganern?
Ich bin eine von "diesen" Veganern. Ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass ich mir oder anderen schade.