Arbeitgeber in der Europäische Union müssen die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer komplett erfassen. Hierzu verpflichteten die EU-Arbeitszeitrichtlinie und die Grundrechtecharta der Europäischen Union, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg (Az: C-55/18). Die Entscheidung könnte auch für den Arbeitsalltag in Deutschland weitreichende Auswirkungen haben. Hier ist üblicherweise lediglich die Erfassung von Überstunden vorgeschrieben.
Geklagt hatte eine spanische Gewerkschaft vor dem Nationalen Gerichtshof in Spanien: Die Arbeitnehmervertreter wollten die Deutsche Bank in dem Land verpflichten, die täglich geleisteten Stunden ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vollständig aufzuzeichnen. Die Kläger vertraten die Ansicht, dass nur so die Einhaltung der vorgesehenen Arbeitszeiten sichergestellt werden könne. Auch in Spanien besteht keine allgemeine Pflicht zur Erfassung von geleisteter Arbeitszeit. Die spanische Gewerkschaft argumentierte, dass die Zahl der Überstunden aber nur korrekt ermittelt werden könne, wenn die gesamte Arbeitszeit dokumentiert werde. Derzeit würden 53,7 Prozent der Überstunden in Spanien gar nicht erst erfasst werden. Der Nationale Gerichtshof des Landes legte den Streit dem EuGH vor. Dort bestätigten die Richterinnen und Richter die Auffassung der Kläger.
Die Rechte, die die EU ihren Bürgerinnen und Bürgern zuspreche, verbürgten "das
Grundrecht eines jeden Arbeitnehmers auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten", begründete der EuGH die Entscheidung. Ohne ein System der Arbeitszeiterfassung könne weder die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und ihre zeitliche Verteilung, noch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich ermittelt werden. Auch sei es sonst "für die Arbeitnehmer äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich, ihre Rechte durchzusetzen", weil sie im Arbeitsverhältnis den strukturell unterlegenen Part darstellten.
Mitgliedsstaaten können über Umsetzung entscheiden
Der Auffassung des EuGHs nach stärkt das Urteil die Rechte von Arbeitnehmern: Ein Instrument zur Zeiterfassung erleichtere es, nachzuweisen, wenn Rechte verletzt würden. Auch könnten zuständige Behörden die Einhaltung der Arbeitnehmerrechte leichter kontrollieren.
Es sei nun Aufgabe der EU-Mitgliedsstaaten, Arbeitgeber zu verpflichten, ein "objektives, verlässliches und zugängliches System" zur Arbeitszeiterfassung einzurichten, hieß es. Über die konkrete Umsetzung und Art des Systems dürfen die EU-Länder eigenständig bestimmen. Dabei sei es erlaubt, auf Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs und "Eigenheiten bestimmter Unternehmen" einzugehen. So könne zum Beispiel die Größe eines Unternehmens bei der Entscheidung für ein Instrument beachtet werden.
In Deutschland schreibt der Paragraf 16 des Arbeitszeitgesetzes bislang nur vor, dass Überstunden, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehen, verzeichnet werden müssen. Die Zeiterfassung, die in einigen Unternehmen bereits praktiziert wird, beruht in der Regel auf Tarifverträgen oder innerbetrieblichen Vorgaben.
Kommentare
Endlich dieses Bürokratieuntier abschaffen! Deshalb gut, dass das noch vor der Wahl kam.
Sie wollen ein Gericht abschaffen? Wow! Und das so offen als Kommentar bei ZON. Outen müssen SIE sich jedenfalls jetzt nicht mehr.
Das so etwas erst wieder eingeführt wird bzw. zur Pflicht wird, nachdem das EUGH aktiv wird, ist doch hochnotpeinlich.
In unserem Land blockiert ja die CDU fast alles was die Situation der Paketzusteller verbessern würde und man muss erkennen, dass es noch viel Arbeit bedarf diesen elendigen Neoliberalismus der die Menschen ausbeutet zu überwinden.
Zum Glück gibt es EU-Instanzen die das Versagen einiger Regierungen immer wieder bekämpfen.
Paketzusteller und Uber-Fahrer sind doch selbstständig und keine Arbeitnehmer ;) Die Regulierung geht also an der Materie vorbei.
Nein, denn sie gilt ja für nur Arbeitnehmer. An welcher Materie soll sie denn vorbeigehen?
Es war ein Beispiel wie in unserem Land an der Realität vorbei Dinge blockiert werden, die eben in dem Fall der Paketzusteller in einem Sub Sub Sub Unternehmertum enden und es war als Beispiel gedacht wie das Denken bestimmt durch den Neoliberalismus solche Dinge ermöglich hat.
Zudem besteht hier eine klassische Scheinselbständigkeit.
Desweitern ist die CDU hier die Kraft die dieses Unrecht und die Ausbeutung weiterhin fördert durch eine Blockade.
Genauso wie die CDU/CSU permanent Sturm laufen gegen die angebliche Belastung durch die Zeiterfassung und das dies nicht zumutbar sei, was ein netter Trick ist, eben den Arbeitgebern hier zu tricksen und auszubeuten zur eigenen Bereicherung.
Sie reden hier von Sub Unternehmern. Diese Zeiterfassung soll aber uns Arbeiter kontrollieren. Unternehmer haben damit keine Probleme.
Uber-Fahrer bspw. sind keine Arbeitnehmer. Eine erzwungene Zeiterfassung für Arbeitnehmer hilft ihnen daher nicht weiter.
Dann war die von der Wirtschaft viel und oft kritisierte Arbeitsaufzeichnungspflicht nach dem MiLoG (bis jetzt nur in besonders von Schwarzarbeit bedrohten Branchen wie HoGa, Reinigung, Bau, Sicherheitsgewerbe etc., siehe § 17 MiLoG) ja fast schon prophetisch.
Das waren doch eh nur die Krokodilstränen der übelsten Ausbeuter, die da rumjammerten.
Und wieder ein Beweis dafür, dass wir die EU dringend benötigen. Der Turbokapitalismus macht nicht davor Halt, den Arbeitnehmer auszubeuten. Wir sehen und hören und lesen das täglich. Auf multinationaler Ebene, durch ein Urteil des EuGH, kann dagegengesteuert werden, was einzelstaatliche Politik vermeidet oder stillschweigt.
Ein riesiger Kritikpunkt an der EU ist damit wieder einmal ad acta gelegt. Wenn sich jemand um "Verbraucher" (Hier: Arbeitnehmer) kümmert, dann die EU. Unsere Regierung macht das unter CDU-Führung nämlich schon lang nicht mehr.
Und welchen Nutzen wird es in der Praxis haben?
Bei großen Unternehmen wird die Zeit normalerweise bereits erfasst
Es wird auch Nachteile für die Mitarbeiter haben weil ihre Zeiten damit dokumentiert werden, nicht flexibel gehen z.B.