In der vergangenen Woche hatten Landwirte und Landwirtinnen aus ganz Deutschland mit Traktorenprotesten den Verkehr im Berliner Regierungsviertel lahmgelegt. Nun empfing die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Branchenvertreterinnen und Branchenvertreter von rund 40 Landwirtschaftsorganisationen zum Agrargipfel. Dabei versprach Merkel, dass die Branche bei weiteren Vorgaben zum Natur- und Klimaschutz einbezogen werden soll. Zudem betonte sie, dass die Landwirtschaft "ein ganz wichtiger Teil der Gesellschaft" sei.
Es müssten
in vielen Bereichen neue Antworten gefunden werden. Unter den Anwesenden waren verschiedene
Landwirtschaftsverbände, darunter Vertreter der konventionellen wie auch ökologischen Landwirtschaft, aber auch Imker- und Landfrauenverbände sowie die Initiative Land schafft
Verbindung, welche die Trekkerdemonstration mobilisiert und gegen das Agrarpaket demonstriert hatte. Es ist unter anderem vorgesehen, den Einsatz von Unkrautvernichtern und Schädlingsbekämpfungsmitteln stark einzuschränken, zudem sollen für den Grundwasserschutz die Düngeregeln verschärft werden. Diese Maßnahmen werden von vielen Landwirtinnen und Landwirten kritisiert. Für besonders viel Ärger sorgen jedoch die Pläne, dass die für viele Agrarbetriebe wichtigen Subventionen künftig nicht mehr vor allem nach Fläche bezahlt werden, sondern die Umweltprojekte finanzieren sollen. Viele Landwirte sehen darin eine Existenzgefährdung für ihr Unternehmen.
Merkel kündigte an, im neuen Jahr werde ein großer Dialog über
gesellschaftliche Erwartungen an die Bauern folgen. Ein Thema dabei sollen auch die umstrittenen
Billigangebote für Lebensmittel sein. Dennoch zeigte sich die Bundeskanzlerin bei den beschlossenen Umweltschutzmaßnahmen hart. Sie verwies auf das Artensterben. Hier seien Landwirte zwar "nicht die einzigen Verursacher",
aber natürlich Teil des Gesamtsystems. Auch den Klimaschutz nannte
Merkel als ein "gemeinsames Anliegen". Die Bauern seien aber auch ein
Wirtschaftszweig, der rentabel wirtschaften müsse. Beides müsse
jedoch zusammengebracht werden. "Wir wollen
regionale Produkte und zu Hause Landwirtschaft haben. Das bedeutet,
dass Sie eine Zukunft haben müssen", argumentierte die Kanzlerin.
Weiterer Agrargipfel im Herbst 2020
Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) sagte, das Thema Landwirtschaft solle wieder in die Mitte der Gesellschaft gerückt werden. Nach dem Gipfel kündigte sie dazu mehrere Foren an, die im neuen Jahr starten sollen: Ein Treffen mit dem Handel, wo es vor allem um die Preise für Fleisch- und Wurstwaren aber auch die Milchpreise im Supermarkt gehen soll, zudem soll es ein Dialogforum mit Verbraucher- und Umweltschützern geben. Daneben sollen die Kultusminister und -ministerinnen dafür sensibilisiert werden, in Schulen kein zu romantisches Bild von Landwirtschaft zu vermitteln.
Nach dem dreistündigen Gespräch fielen die Reaktionen der Teilnehmenden unterschiedlich aus. Während Bauernpräsident Joachim Rukwied von einem "guten Auftakt" sprach und forderte, das Aktionsprogramm Insektenschutz neu zu diskutieren, gab es von anderen Kritik. Die Milchbäuerin Ursula Trede, die Merkel in einer TV-Wahlkampfsendung angesprochen und im vergangenen Jahr auf ihren Hof in Schleswig-Holstein eingeladen hatte, sagte: "Dass es auf den Betrieben brennt, kam viel zu kurz."
Umweltverbände und die mitregierende SPD forderten einen breiten Dialog. Die Kommission für den Kohleausstieg habe gezeigt, dass auch bei strittigen Themen Interessen ausgeglichen werden könnten und ein konstruktiver Kompromiss möglich sei, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch. So etwas sei auch in der Landwirtschaft nötig.
Kritisch äußerte sich auch FDP-Agrarexperte
Gero Hocker. Er forderte, dass Maßnahmen in der Landwirtschaftspolitik wirtschaftliche Folgenabschätzungen
haben müssten. Grünenfraktionschef Anton Hofreiter forderte, Agrarsubventionen
an gesellschaftliche Leistungen für Umwelt- und Tierschutz zu binden.
Die Bundeskanzlerin stellte indes einen weiteren Agrargipfel für Herbst 2020 in Aussicht.
Kommentare
Es ist ja erstaunlich, wie sich so langsam wieder ein differenzierteres politisches Angebot bildet.
Wer meint, dass die Agrarpolitik falsch sei, kann dagegen Wahlkampf betreiben und um Wählerstimmen ringen.
Es ist auch ganz wichtig festzuhalten, dass die Grünen eine Meinung haben. Und andere haben eine andere Meinung. In der Demokratie versucht man dann, andere von der eigenen Meinung zu überzeugen.
Und wenn die sich nicht überzeugen lassen respektiert man das, während man es gleichzeitig weiter versucht.
Irgendwie habe ich das vermisst. Zuletzt haben die Grünen über Jahre die moralische Agenda diktiert und die Union hat gekuscht. Auch sehr gut festgehalten schon vor Jahren von G. Di Lorenzo in seinem Artikel über die intellektuelle Hegemonie und "Allmacht" der Grünen:
https://www.zeit.de/2016/40/…
Ich glaube, damit ist jetzt Schluss.
"...Ich glaube, damit ist jetzt Schluss."
Ich glaube ganz fest daran, dass etwas wahr ist, wenn ich nur ganz fest daran glaube. So z.B. die von Ihnen postulierte "...intellektuelle Hegemonie und "Allmacht" der Grünen..." ...
Was ich aber tatsächlich glaube ist, dass Leute, die von einem angeblichen "Diktat der moralischen Agenda" sprechen, ganz genau wissen, dass diese Agenda wirklich moralisch ist, nur können und wollen sie das nicht wahrhaben, weshalb sie so tun müssen, als ob die Agenda etwas Aufgezwungenes und ein Diktat wäre. Wenn Sie so wollen die Kompensation des schlechten Gewissens damit, dass man das, was das schlechte Gewissen verursacht, einfach selbst zu was Schlechtem erklärt, so dass man kein schlechtes Gewissen haben muss. Ein beliebter psychologischer Trick (Sie erinnern sich an den Fuchs und die sauren Trauben?), der aber halt nur ein Trick ist und auf die Dauer nicht funktioniert.
Wie wäre es mit mehr Mitsprache für alle, inklusive der Bauern??
"Wie wäre es mit mehr Mitsprache für alle, inklusive der Bauern??"
Haben Sie -- einfach zur Wahl gehen und die CxU abwählen. Dann verschwindet auch der Spuk, der sich "Fr Klöckner" nennt.
Die Bauern reden IMMER mit (via Lobbyvertreter, korrupte Politiker, Verbände etc.) Was meinen Sie, wie sonst derartige Subventionen usw. zustande kommen. Wenn die heute die Verbände davon reden, mehr Mitsprache zu haben, meinen sie eigendlich sie wollen noch mehr bestimmen wo es lang geht. Der Natur- und Umweltschutz sitz immer am kürzeren Hebel, was die Bauern auch wissen. Viele Bauern (freilich nicht alle, es gibt auch viele tolle Landwirte, auch Konventionelle) bedanken sich für die Kompromissbereitschaft der Naturschützer etc. damit, dass sie sich nicht daran halten (siehe Gewässerrandstreifen, Psm-Einsatz in der Nähe von NSG, Söllen etc) und Tatsachen schaffen die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Und dann wird sich gewundert, dass den Bauern kein Vertrauen mehr geschenkt wird und die andere Seite radikaler wird (Anzeigen gg Bauern, Gründung v. Bürgerinitiativen).
"Wenn Wahlen etwas ändern würden, dann wären sie verboten" Wer hat's gesagt?
Ja, haben sie doch. Das Problem der Bauern ist ja nicht fehlendes Mitspracherecht. Deren Problem ist, dass die Interessen der Führung des Bauernverbandes nicht mit den Interessen der Masse der Bauern übereinstimmen, die aber wie Lemminge ihren Funktionären aus den Großbetrieben mit Aufsichtsratsposten in Chemie- und Lebensmittelhandel blind hinterherrennen.
Woher kommen denn die Normen für Böden in der EU? Die Probleme und Kosten wurden in den Kommunen in den Einzelstaaten aufgezeigt, die Regierungen, insbesondere die deutsche Regierung hat mit Experten Vorgaben ausgearbeitet und die Regierungschefs auf EU-Ebene entschieden. Diese Idee der EU wurde auch geschaffen, damit in dem Wirtschaftsraum ein fairer Wettbewerb auf Basis gleicher Regeln und dessen Durchsetzung herrscht. Wer verstößt seit Jahren gegen die eigenen dort geschaffenen Regeln? Die deutsche Regierung. Wem schadet dieses Fehlverhalten? Uns und den Bauern, deren Lobbyverband frühzeitige Umsetzung der Regeln verhindert hat, was nun zu einem unnötigen Bürokratismus führt, denn der eigentliche Regelbruch lag darin, dass Großbetriebe in der Tierzucht mehr Gülle erzeugen dürfen, als sie selbst Land und Fläche zur ökonomisch und ökologischen sinnvollen Verteilung zur Verfügung haben. Wogegen protestieren nun die kleinen Betriebe? Gegen die Bürokratie, statt gegen ihre Funktionäre, die auf Kosten von uns allen Großbetriebe in der Massentierhaltung fördern, zum Schaden der Gesundheit und Umwelt von uns allen.
Irgendein verbitterter alter weißer Mann. Leider stimmt der Satz offensichtlich nicht. Nur muss mir das Ergebnis nicht unbedingt persönlich gefallen und kann objektiv auch schlecht sein. Die Masse gleicht die Dummheit einzelner nicht aus. Den guten Tyrannen hat es aber auch nie gegeben. Und weil aber Tyrannen wissen, dass Wahlen zu oft doch etwas ändern, versuchen Autokraten und Tyrannen diese zu verhindern oder so zu fälschen, dass sie wirklich nur noch scheinbar abgehalten werden.
Wie immer im Leben zeigt sich: die Wahrheit liegt dazwischen.
„ Irgendein verbitterter alter weißer Mann“ Denken in Narrativen?
Interessant, wie zwei Dinge hier vermischt werden: Autokrat und Tyrann. „Und weil aber Tyrannen wissen, dass Wahlen zu oft doch etwas ändern, versuchen Autokraten und Tyrannen diese zu verhindern oder so zu fälschen, dass sie wirklich nur noch scheinbar abgehalten werden.“ Und jetzt die Frage, wo sind wir?
Die Brüsseler Agrarpolitik ist schon seit EWG-Zeiten von der übermächtigen deutschen Bauernlobby bestimmt worden. Besonders die CDU stand immer sofort stramm, wenn ein Bauernfunktionär auch nur mit den Fingern schnippte. Währenddessen ist das Sterben der Kleinbauern munter weitergegangen, was die Bauern aber nicht daran gehindert hat, immer weiter Leute in ihre mächtigen Verbände zu wählen, die das Geschäft der Agrarindustrie betreiben. Dummheit ist tödlich.
"...von der übermächtigen deutschen Bauernlobby bestimmt worden..."
Nicht wirklich -- auch die Franzosen und die Briten haben da ein massives Wort mitgesprochen. Aber ansonsten haben Sie natürlich völlig recht. Die deutsche Bauernlobby wird von Großbauern dominiert, die keinerlei Interesse an einer Veränderung haben, im Gegenteil. Je mehr kleinere Bauern aufgeben, desto mehr Agrarfläche steht zum Aufkauf bereit.
Ich habe wenig Erfahrung mit Landwirtschaft, aber es kann doch nicht sein, dass die Agrarverbände jeden noch so kleinen Schritt in Richtung nachhaltige Landwirtschaft im Keim ersticken!
Man darf nicht über die Köpfe der Bauern entscheiden, aber ohne dass diese etwas an ihren konventionellen Methoden ändern (Massentierhaltung, Monokulturen, Überdüngung, die ins Grundwasser geht) bekommen wir Probleme wie Grundwasserverseuchung und Artensterben einfach nicht in den Griff.
Jetzt wäre der Moment für ein Umschwenken. Es gab noch nie so viel Bereitschaft in der Bevölkerung, etwas mehr für umweltfreundlich erzeugte Produkte zu zahlen.
Warum sehen die Bauernverbände das nicht?
"...aber es kann doch nicht sein, dass die Agrarverbände jeden noch so kleinen Schritt in Richtung nachhaltige Landwirtschaft im Keim ersticken!"
Die "Bauernverbände" haben schon immer eine korrupte und falsche "Beratung" betrieben. Mein Onkel ging daran in den ganz frühen 70-er Jahren pleite, mein Schwager in den 2000-dern.