Als er seine ersten Schützlinge nach Deutschland holte, erzählt Carsten Fröhlich, begrüßte er sie noch persönlich. Stand auf dem Bahnsteig in Weimar, einen Blumenstrauß in der Hand. Danach ging es in eine Bar, welcome beer nannte er das. Heute, acht Jahre später, hat Fröhlich dafür keine Zeit mehr. Weil zu viele Schützlinge kommen. Weil sein Geschäft zu gut läuft.
Dabei gibt es für das, was Fröhlich macht, nicht mal eine offizielle Berufsbezeichnung. Arbeitsvermittler könnte man sagen, aber das klingt ihm zu sehr nach Arbeitsagentur, mit der habe er nichts zu tun. Sagt man Personalvermittler, dann klingt ihm das zu sehr nach Zeitarbeit. Er selbst beschreibt seinen Job so: Er ist 90 Tage im Jahr im Ausland unterwegs, um zu finden, was deutsche Firmen dringend suchen: Fachkräfte. "Und zwar genau die, die zum jeweiligen Unternehmen passen."
Und er kommt damit genau zur rechten Zeit. Vor allem ostdeutsche Unternehmen leiden besonders unter einem Fachkräftemangel, hat das Ifo-Institut herausgefunden. In ländlichen Regionen erwarten die Forscher einen Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung um 30 Prozent. Es fehlen vor allem qualifizierte Arbeitskräfte – weil die nach der Wende abgewandert sind. Für die ostdeutsche Wirtschaft gibt es laut Ifo nur einen Weg: Fachkräfte aus dem Ausland anwerben.
In großen Teilen von Politik und Wirtschaft ist diese Einsicht inzwischen angekommen. Teils akquirieren Unternehmen ihren Nachwuchs im Ausland selbst, teils nutzen sie die Auslands- und Fachvermittlung der Arbeitsagentur. Aber vermehrt gibt es auch private Anbieter wie Fröhlich auf dem Markt. Wie viele, dazu existieren keine Zahlen.
In
Thüringen lässt das Wirtschaftsministerium nun erste private Anbieter sich über die
Industrie- und Handelskammer zertifizieren, Fröhlich hat das auch gemacht. Das Bundesland bietet sich dafür an: Die Arbeitslosenquote liegt mit 5,1
Prozent nur knapp über dem Bundesdurchschnitt. Die Leute haben Arbeit, viele
Unternehmen suchen Mitarbeiter.
Menschen finden und Vorurteile bekämpfen
Gute Voraussetzungen also für Fröhlich. Und doch kämpft er an zwei Fronten. Er muss nicht nur Fachkräfte akquirieren – sondern auch gegen Vorurteile in den heimischen Unternehmen angehen.
An einem Montagmorgen Anfang Oktober lenkt Fröhlich seinen weißen BMW 320 Coupé auf den Parkplatz einer ehemaligen Penny-Markt-Filiale in Schleiz, einer 8.000-Einwohner-Stadt im Thüringer Vogtland. Fröhlich, ein fast 1,90 Meter großer Mann, kahl rasiert, mit schwarz-goldener Brille und einem schmalen grauen Bärtchen am Kinn, ist die 90 Kilometer von Weimar mit bis zu 180 Kilometern pro Stunde gebrettert; jetzt steigt er aus, streift mit der linken Hand kurz über sein blaues Hemd, in der rechten hält er wieder einen Blumenstrauß.
Er ist für die Sekretärin einer seiner wichtigsten Kunden: der HBS Elektrobau GmbH. Deren Lehrwerkstatt ist in dem ehemaligen Penny-Markt untergebracht. Das Unternehmen, mit 400 Mitarbeitern wichtigster Arbeitgeber der Region, bildet Industrieelektriker und Elektroniker aus, schickt seine Mitarbeiter auf Baustellen in ganz Deutschland. Ein gewöhnliches mittelständisches Unternehmen. Mit einer Besonderheit: 90 Prozent der Azubis kommen aus dem Ausland.
Zum Vorstellungsgespräch kamen 40 Freunde
Fröhlich öffnet die Eingangstür, geht durch einen langen schmalen Gang, vorbei an einer Pinnwand, an der ein Zeitungsartikel über die HBS hängt, darauf das Foto eines spanischen Azubis. Die Firma hatte ihn vor acht Jahren als einen der ersten ausländischen Fachkräfte nach Schleiz geholt.
Seine Nachfolger arbeiten an diesem Montag in zwei Räumen, die vom Flur abgehen. Etwa sieben Azubis, alle in blauer Arbeitsuniform, sägen, feilen und hämmern an den Werkbänken in Lehrraum 1. Ein leichter Schweißgeruch liegt in der Luft. In Lehrraum 2 geht es ruhiger zu. Zehn Azubis schrauben kleine, graue Plastikästen an Holzwände. Sie sollen lernen, Bewegungsmelder zu montieren.
Reda Benai ist einer von ihnen. Ein junger Mann von 26 Jahren, die Kapuze des grauen Hoodies halb über das kurze schwarze Haar gezogen. Auffallend freundlich spricht er, manchmal braucht er einen Moment, um das passende deutsche Wort zu finden. Er ist erst seit dem Sommer hier, kommt aus Marokko.
Fröhlich
und er hatten im März dieses Jahres das erste Mal Kontakt – über Skype. Benai
hatte sich auf Fröhlichs Website beworben. Nett sei er im Gespräch gewesen,
sagt Benai, er habe ihm die Ausbildung in Ruhe erklärt. Und gleich gefragt, ob
er nicht noch ein paar Freunde habe, die auch in Deutschland arbeiten wollen.
"'ne Bauchentscheidung", sagt Fröhlich dazu. Benai fragte in seinem
Freundeskreis herum. Zum Vorstellungsgespräch in Marokko kam er dann mit 40 Leuten, 14 hat Fröhlich genommen.
Kommentare
Hoffentlich wählen die meisten Thüringer am Wochenende bei den Landtagswahlen keine Partei, die es diesen Menschen - und damit auch den heimischen Firmen (!) - schwerer macht, sich in Thüringen aufzuhalten und zu leben.
Ja das würde logischerweise dazu führen, dass das Bundesland nur noch ärmer wird.
Und warum gibt es keine Einheimischen? Ist vielleicht der Gehalt zu niedrig?
Das ist was die Mär vom Fachkräftemangel macht. Es gibt keinen Mangel and Fachkräften, sondern einen Mangel and Löhnen.
Nichts gegen Fachkräfte, die gebraucht werden.
Benötigte Qualifikation? Her damit!
Ja klar! Aber wir haben mehr als eine Million junger Flüchtlinge hier. Vielleicht sollten man die erst mal ausbilden.
"Nichts gegen Fachkräfte, die gebraucht werden."
Müssen die dann einen Aufnäher, gab es ja schonmal, tragen, damit auch der dümmste thüringer Provinznazi diese Menschen auf der Straße erkennt und weiß wen er nicht verprügeln darf oder sollte?
Was denken Sie, wie man diese Menschen kenntlich machen sollte?
Dafür müssten diese aber erstmal Ausbildungsfähig und Willig sein.
Also erstmal die Sprachkurse regelmäßig besuchen und bestehen
Leider scheitert es daran schon oftmals
https://www.sueddeutsche.de/…
https://www.faz.net/aktuell/…
ab wo endet bei ihnen "jung"? ich "kenne" mittlerweile viele flüchtlinge aus (vor allem) syrien. jung sie die wahrlich alle. und viele junge flüchtlinge gehen sogar noch zur schule. also: 1million junger flüchtlinge? von 16 bis 30? eher nicht...
“Nichts gegen Fachkräfte, die gebraucht werden.
Benötigte Qualifikation? Her damit!“
Genau daum geht es ja im Artikel. Leider wollen aber viele blaubraune Mitbürger noch nicht mal diese qualifizierten Ausländer im Land haben, obwohl sie so dringend gebraucht werden. Lieber ergeht man sich da rechtsaußen wieder in Verschwörungstheorien.
Das dauert viele Jahre. Erst lesen lernen, dann Deutsch, dann eine Berufsausbildung. So sieht es doch bei vielen Flüchtlingen aus.
Vielleicht sollte man sich fragen, wie das funktionieren soll
- wenn man jetzt schon nicht genug Lehrer und Erzieher findet
- wenn das Ausbildungsniveau, siehe die aktuellen IQB-Erhebungen, bereits jetzt absinkt
- ob Flüchtlinge im Schnitt überhaupt die Kompetenzen / das Interesse an einer Ausbildung haben
- wenn bereits Sie und ich offensichtlich ziemlich verschiedene Vorstellungen davon haben, was man unter "jung" versteht
- wenn man sich die Ergebnisse der bisherigen Migration nach Deutschland nach 1960 explizit aus Ländern mit muslimischen Kulturhintergrund anschaut, bei der diese Migranten und selbst ihre Nachkommen weit überwiegend im unteren gesellschaftlichen Viertel verharren und so mitnichten auch nur ihre eigenen volkswirtschaftlichen Kosten decken.
"Dafür müssten diese aber erstmal Ausbildungsfähig und Willig sein.
Also erstmal die Sprachkurse regelmäßig besuchen und bestehen"
"Ausbildungsfähig" und "willig" dürften Adjektive sein, die schreibt man klein.
"Leider scheitert es daran schon oftmals"
Am Satzende steht ein Satzzeichen. In Ihrem Fall wäre das ein Punkt gewesen.
Man sollte sich als Ausländer gut überlegen, ob man in ein Land ziehen möchte, in welchem die AfD über 20 Prozent der Stimmen erhält.
Fachkräfte finden anderswo sicherlich bessere Bedingungen. Ich hätte jedenfalls keine Lust, ständig von NPDlern oder AfDlern als Bürger zweiter oder dritter Klasse wahrgenommen zu werden, obwohl man weitaus besser qualifiziert ist.
Die AFD hat nichts gegen fachkräfte aus dem ausland. Sie sind leider sehr schlecht informiert.