Ist Glyphosat nun krebserregend oder nicht? Darüber streiten Experten weiter. Im Kern geht es darum, wie Studien zu dem weltweit meistgenutzten Unkrautvernichtungsmittel auszulegen sind und welche man überhaupt berücksichtigen sollte. In Europa darf das Herbizid trotz dieser Ungewissheit für ein weiteres halbes Jahr eingesetzt werden. Das hat der zuständige EU-Ausschuss, das SCPAFF, am Dienstag wie erwartet entschieden, wie ein Sprecher der Grünen ZEIT ONLINE mitteilte. Ein Sprecher der deutschen Vertretung in Brüssel hat dies bestätigt.
Bis Mitte 2016 dürfen also auch deutsche Landwirte das umstrittene Pflanzenschutzmittel weiterhin auf ihren Feldern ausbringen. Die Chemikalie aus der Gruppe der Phosphonate tötet Unkraut auf Raps-, Mais- und anderen Nutzpflanzen-Äckern. Auch im Gartenbau wird es gegen unerwünschte Wildpflanzen eingesetzt.
Bis zum Ablauf der jetzt gesetzten Sechsmonatsfrist sollen Forscher erneut mögliche Krebsrisiken untersuchen und die vorliegenden Studien zu Glyphosat auswerten. Anschließend würde ein weiteres Mal über eine mögliche Zulassungsverlängerung in der EU beraten.
Das Herbizid ist seit Jahren in der Diskussion. Da die Zulassung für Europa im Jahr 2015 regulär ausgelaufen wäre, mussten Risiken und Nutzen des Mittels erneut eingeschätzt werden – so schreibt es EU-Recht vor. Mit der Prüfung beauftragt wurde das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Deutschland. Dieses kam nach einer ersten Studienauswertung im April 2015 zu dem Schluss, Glyphosat sei bei korrekter Anwendung nicht gesundheitsschädlich.
Zuvor hatte die Internationale Krebsforschungsagentur IARC das Mittel – unabhängig vom EU-Prüfverfahren und auf anderer Datengrundlage – als "wahrscheinlich krebserregend für den Menschen" eingestuft. Nachdem die Studien, auf die sich die IARC gestützt hatte, bekannt waren, prüfte das BfR die Risiken von Glyphosat auf dieser Basis erneut – und blieb bei seiner Einschätzung: keine nachweisbare Gesundheitsgefahr.
Wurden alle Studien berücksichtigt?
Nun erheben Grünen-Politiker schwere Vorwürfe gegen das BfR. Das Bundesinstitut habe bei der Risikoeinschätzung für die bevorstehende EU-Neuzulassung "offenbar systematisch" eine Vielzahl von Studien nicht berücksichtigt oder als nicht relevant abgetan. Darunter solche, die dem Pestizid eine krebsfördernde Wirkung bescheinigten.
Die Vorgänge am BfR seien "untragbar", sagte Bärbel Höhn, Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestags. Die Bundesregierung müsse die Zulassungsverlängerung stoppen. "Das Allround-Pflanzengift auf Basis dieser unvollständigen, fehlerhaften BfR-Bewertung neu zuzulassen, wäre grob fahrlässig", sagt auch Harald Ebner, Berichterstatter der Grünen für Pestizide im Agrarausschuss.
Das BfR hingegen verteidigt seine Arbeit. Bestimmte Studien, die nicht nur den reinen Wirkstoff Glyphosat untersucht hatten, seien bewusst nicht stärker in die Bewertung eingeflossen, da nicht auszuschließen sei, dass andere Bestandteile dieser Stoffgemische die krebserregenden Effekte gehabt hätten. Das BfR ist dazu verpflichtet, bei seiner Prüfung auf EU-Ebene ausschließlich reine Wirkstoffe zu untersuchen.
Zudem habe man im zweiten Prüfdurchgang sämtliche Studien geprüft, die die IARC in ihrer Auswertung aufgeführt hatte. Diese hätten zu keiner veränderten Gesamtbewertung geführt. Somit seien "alle verfügbaren Studien wissenschaftlich fundiert und mit höchster Sorgfalt geprüft und bewertet" worden, teilt das BfR mit.
Das Amt war zuletzt außerdem dafür kritisiert worden, sich bei seiner Beurteilung der Giftigkeit unter anderem auf Studien zu stützen, die von der Glyphosate Task Force (GTF) vorausgewählt wurden. Die GTF ist ein Zusammenschluss von Agrarchemiefirmen wie Monsanto Europe, Syngenta und Dow. Sie gaben dem BfR nicht nur Zusammenfassungen wissenschaftlicher Fachpublikationen, sondern auch teils unter Verschluss gehaltene Auftragsstudien. Den Vorwurf, auf diesem Weg von der Industrie beeinflusst worden zu sein, weisen die BfR-Gutachter zurück: Sämtliche zugrundeliegenden Quellen seien unabhängig geprüft und bewertet worden. Darunter seien auch Studien und Kommentare gewesen, die Bürger, Wissenschaftler und NGOs einreichen konnten. Das BfR hat inzwischen öffentlich dargelegt, welche Studien bei der Neubewertung berücksichtigt wurden und diese auf seiner Website aufgelistet.
Hinter dem Streit steckt die Grundsatzfrage, welche Art von Studien aussagekräftig genug sind, um einzuschätzen, ob Menschen ein erhöhtes Krebsrisiko haben, wenn sie Glyphosat in der Umwelt ausgesetzt sind. Dass die Bevölkerung das Pflanzengift aus der Umwelt aufnimmt, ist unstrittig. Frühere Tests – wenn auch nur mit wenigen Versuchspersonen – legen nahe, dass etwa zwei Drittel der deutschen Bevölkerung Spuren des Herbizids im Körper tragen. Im Urin ist der Stoff nachweisbar.
Im Kern widerspricht das BfR der Einschätzung der IARC inzwischen nicht mehr. Da das Bundesamt aber in so einem EU-Prüfverfahren nur den reinen Wirkstoff bewerten darf – und nicht das, was tatsächlich auf den Äckern im Alltag landet – ändern Hinweise auf eine krebserregende Wirkung aus epidemiologischen Untersuchungen nichts an seiner Einschätzung.
Deutschland kann Glyphosat trotzdem verbieten
Die einzelnen EU-Staaten haben dennoch die Möglichkeit, das Pflanzenschutzmittel nach einem nationalen Zulassungsverfahren zu verbieten. Sie können die auf EU-Ebene nicht relevanten epidemiologischen Studien durchaus berücksichtigen und alles mit einbeziehen, was Wissenschaftler über die Wirkung eines tatsächlich eingesetzten Produktes wissen. Das BfR empfiehlt den Staaten sogar ausdrücklich, dies zu tun.
Selbst wenn die EU nach der Gnadenfrist von sechs Monaten erneut beschließen sollte, Glyphosat weiter zuzulassen – was dann für zehn Jahre gültig wäre – müsste Deutschland sich danach also nicht richten. Das heißt auch: Sollte die Neuzulassung nicht wie von den Grünen gewünscht grundsätzlich abgelehnt werden, könnte die Partei hier erneut ansetzen, um mit Druck auf die Regierung ein Verbot des Mittels zu erreichen.
Kommentare
Entfernt. Bitte widmen Sie sich sachlich und differenziert dem Artikelthema. Die Redaktion/ch
nur weiter, wenn die Leute zwischen 50 und 60 dann Krebs bekommen heißt es dann "alles Zufall, gabs immer schon, kein Grund zur Sorge, bitte weitergehen". Spart auch viel Rente...
Die Verantwortlichen in Industrie + Politik sind sich natürlich sicher, dass man wahrscheinlich keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Krebs oder anderen Erkrankungen + Glyphosat herstellen kann. Meistens ist das ja ein Resultat aus vielen Einflussfaktoren, das macht es den Entscheidern leicht. Die vielen Substanzen, die auf den Organismus gegenwärtig schädigend einwirken können, sind nicht mehr überschaubar.
Und ich bin auch der Meinung, dass die Prognosen, mit denen wir konfrontiert werden, dass die Lebenserwartung stark steigen wird, sehr zweifelhaft sind - aus diversen Gründen, die im Lebensstil der Industriegesellschaften liegen.
Glyphosat wurde durch MONSANTO bekannt, enthalten im Roundup. Seit 40 Jahren wird es verkauft und als Herbizid genutzt. Und das weltweit. Was passiert mit unseren Bauern, die das Gift spritzen und selbst einatmen.
Frei nach Sarazin: Die Welt schafft sich ab !
Irgendwie kriegen wir das hin, dazu benötigen wir nicht mal die Natur. Das Gift in unseren Lebensmitteln langt wohl, und als Cocktail "genossen" will ich lieber gar nichts weiter darüber wissen. Aber Aktienkursen ist das am Schluß egal. Wenn die jetzigen Manager alle so weitermachen, wie bisher haben sie auch bald keine Aktionäre mehr.
Na denn, guten Appetit bei Suizid auf Raten.
Also die Bauern sollten ab sofort auf Glyphosat verzichten, weil es – auch wenn nach 40 jähriger Anwendung auf x Mio. ha noch nie aufgetreten – eventuell doch unter Umständen vielleicht krebserregend sein könnte. Stattdessen sollen sie durch endlose Treckerstunden mit „mechanischer Unkrautbekämpfung“ den Ausstoß an zweifelsfrei krebserregende Schadstoffen aus Abgasen massiv erhöhen, an denen laut WHO jährlich 7 Mio. Menschen sterben? Das ist nicht nur ökonomisch wie ökologischer Blödsinn, das ist menschenverachtend.
Bemerkenswert ist, dass diese Glyphosathetze erst nach dem Auslaufen des Patentes darauf von Monsanto anfing. Der weitaus größte Teil kommt heute als Billignachbau aus China und Monsanto verdient keinen Cent daran. Nach einem Glyphosat-Verbot wäre der Markt wieder frei für neue, Patentgeschütze Mittel und auch Monsanto könnte wieder voll mitverdienen. Die Grünen als 5. Kolonne in US-Diensten wäre nicht wirklich überraschend, wenn man an die seltsame Wandelung von der „Friedenspartei“ zur „Nie wieder Krieg ohne uns - Partei“ denkt.
Das Glyphosat in Nordamerika rund 15 Jahre früher als in der EU großflächig zum Einsatz kam ist Ihnen bekannt?
Sind irgendwelche Krankheiten dort verstärkt aufgetreten ?
Interessante Verschwörungstheorie, die Grünen sind schuld.
Wahrscheinlich auch an Chemtrails, der gefakten Mondlandung, ...
Wir schaffen uns tatsächlich ab, indem wir unsere Lebenswelt verdichten. Mit verdichten ist gemeint: Mehr Menschen pro Raumeinheit und immer mehr künstliche Substanzen inderselben. Unsere Artefakte verdichten unser Milieu. Es ist, wie wenn man einem belebten Aquarium ständig verschiedene Substanzen zuführt - und keinen Wasserwechsel macht!
Alles verdichtet sich. Dann kippt das Wasser um, und das Sterben beginnt.
Noch merken wir nur erste Anzeichen einer Regenerationsschwäche der Erde, aber die Zunahme an Allergien und chronischen Krankheiten zeigt, wie schlecht unser "Wasser" schon geworden ist.
Glyphosat ist nur ein Faktor von vielen ...
Unsere Angst vor Atomkriegen, Meteoriten und Flüchtlingen, die kommen, zielt in die falsche Richtung. Wir sollten uns selbst fürchten. Aber wie macht man das? ...
Laut eines nordischen Projektes zur Untersuchung berufsbedingter Krebsraten haben Landwirte, also diejenigen, die am häufigsten mit diesen Stoffen hantieren, eine der geringsten Krebsraten. Die häufigste Krebsart ist bei dieser Berufsgruppe der durch häufige UV Strahlung bedingte Hautkrebs.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/…
Sie widersprechen sich ja selbst und merken es nicht mal. Da nach 40 Jahren intensiver Glyphosatausbringung noch kein offensichtlicher Schaden eingetreten ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Welt wegen Glyphosat in den nächsten Jahren untergeht verschwindend klein. Die wirklichen Probleme liegen nicht beim Herbizid selbst, sondern in den Folgen die ein Einsatz von kombinierten Systemen (Herbizid plus herbizidresistente Nutzpflanze) für die 'Umwelt' bedeuten.
Naja, die meisten werden wohl noch nicht gesehen haben wie viele Nachkommen der Tiere auf dem Bauernhof deformiert sind seitdem auf billigeres Glyphosatkorn umgestiegen sind. Von 10 auf 30 pro Tausend Tiere sind wirtschaftlich leicht zu kompensieren, beim Menschen aber weniger.
Einfache Frage: Wie soll Unkraut auf dem Feld umweltfreundlicher als mit Glyphosat bekämpft werden? Also mir fällt da nur eine Lösung ein. Frei nach dem von den Grünen einst hochverehrten Genossen Pol Pot, die Städter mit der Hacke aufs Feld zu bitten. Nur irgendwie können sich die Grünen dazu nicht einmal für den Biolandbau durchringen. Deshalb müssen die armen Biobauern für diese Arbeit Unmengen fossiler Brennstoffe verballern, kein wahrer Segen für die Umwelt.
Sie haben wohl noch nie professionelle Bio- Landwirtschaft live erlebt und ich kenne keine Grünen oder Bio- Landwirt der POl Pot und die Roten Khmer doll findet. Beikraut so heisst das in der Sprache der Bio- Landwirte entwickelt sich bei schlechten Böden. Mit Basalt, Lava- und Muschelkalk erhöhen sie Bodenqualität. Aber wenn ihnen Monsanto lieber ist, dann esen Sie hier mal was zum Hintergrund:
http://derstandard.at/136371…
Da geht es weltweit um mehr als den Niedergang der deutschen Eichenhaine