Wie im All weitermachen? Und wie all das bezahlen? Darüber debattieren die 22 Mitgliedstaaten der Europäischen Raumfahrtagentur Esa diese Woche in Sevilla. Verhandelt wird ein Vorschlag des deutschen Esa-Generaldirektors Johann-Dietrich Wörner. Uns hat er erzählt, was er vorhat.
ZEIT ONLINE: Erst mal geht es bei dem Treffen um Geld. 12,5 Milliarden Euro sollen Ihnen die Mitgliedstaaten dieses Mal zur Verfügung stellen. Vor drei Jahren, beim letzten Treffen, waren es nur 10,3 Milliarden. Ist in Europa das Raumfahrtfieber ausgebrochen?
Johann-Dietrich Wörner: Äpfel und Birnen sind enger verwandt als diese beiden Zahlen. Manche Programme der Esa laufen nämlich über drei Jahre, andere über fünf. Zudem ist aus der Vergangenheit stets noch etwas übrig, das dann aufgefüllt wird. Deshalb kann man die Zahlen leider nicht direkt vergleichen.
ZEIT ONLINE: Es gibt also gar nicht mehr Geld für die Raumfahrt?
Wörner: Doch, wir gehen – auch wenn es schwer zu beziffern ist – von einem moderaten Anstieg aus, der unter zehn Prozent liegen wird.
ZEIT ONLINE: Vorausgesetzt, die Ministerinnen und Minister der Mitgliedstaaten folgen Ihrem Vorschlag: Wie zuversichtlich sind Sie?
Wörner: Wir haben das Programm jetzt zwei Jahre lang vorbereitet, mit der Politik, unseren Mitgliedsländern, der Industrie, der Öffentlichkeit. Folglich konnten wir ein sehr ausgewogenes Programm ohne Lücken, aber auch ohne extreme Spitzen auf die Beine stellen. Insofern hoffe ich, dass wir möglichst dicht an diese Zahl herankommen.
ZEIT ONLINE: In der Vergangenheit war das häufig anders – mit erbitterten Diskussionen, nächtlichen Sitzungen, überraschenden Wendungen. Warum sollte das Treffen dieses Mal harmonischer verlaufen?
Wörner: Damals hatten wir absichtlich einen höheren Betrag angesetzt und uns dann herunterdiskutieren lassen. Dieses Mal habe ich von Anfang an gesagt: Das machen wir nicht, stattdessen stellen wir zusammen mit den Mitgliedsländern schon vorab ein gemeinsames Programm auf, das mehr ist als nur ein Vorschlag des Generaldirektors. Aber klar, es wird auch dieses Mal auf den letzten Metern noch Diskussionen geben.
ZEIT ONLINE: Eine dieser Diskussionen könnte sich um den Mond drehen. 2024 sollen dort – geht es nach den äußerst ambitionierten Plänen von US-Präsident Donald Trump – amerikanische Astronautinnen und Astronauten landen. Will Europa bei diesem neuen Mondabenteuer mitmischen?
Wörner: Europa wird sogar von Anfang an dabei sein – mit dem Europäischen Servicemodul ESM, ...
ZEIT ONLINE: ... das allerdings nur eine Antriebs- und Versorgungseinheit für die US-Mondkapsel ist.
Wörner: Was heißt hier "nur"? Ohne das ESM, ohne Europa, wird es keine Mondflüge geben. Wir sind direkt beim ersten Flug dabei, und wir wollen in Sevilla den Bau weiterer Servicemodule beschließen.
ZEIT ONLINE: Das ESM ist für Europa zunächst nur die Eintrittskarte zur Internationalen Raumstation ISS. Der Deal lautet: Sie stellen der US-Weltraumagentur Nasa Servicemodule kostenlos zur Verfügung. Im Gegenzug dürfen Ihre Leute zur ISS fliegen und im amerikanischen Teil des Außenpostens leben und arbeiten. Aber sollen Europas Astronautinnen und Astronauten nicht auch zum Mond fliegen?
Wörner: Wir haben mit den Amerikanern bereits darüber verhandelt. Nasa-Administrator Jim Bridenstine hat mir sogar schriftlich zugesichert, dass er davon ausgehe, dass Europäer zur Oberfläche des Mondes fliegen werden – gemeinsam mit den Amerikanern.
ZEIT ONLINE: Für solche Flüge werden Sie den US-Partnern aber deutlich mehr bieten müssen als ein paar Servicemodule – zumal diese auch künftig für die ISS benötigt werden, deren weitere Nutzung sie in Sevilla beschließen wollen.
Wörner: Deshalb werden wir uns am sogenannten Gateway beteiligen einer Station im Mondorbit, deren Aufbau 2024 beginnen soll. Europa soll dazu, auch das hat Bridenstine in seinem Brief ausdrücklich begrüßt, zwei Module beisteuern.
ZEIT ONLINE: Rechnet man robotische Missionen zum Mars und zum Mond heraus, blieben für die astronautische Raumfahrt nur noch knapp 1,5 Milliarden Euro übrig. Werden die Pläne, Menschen zum Mond zu schicken, folglich mit Studien abgespeist und auf die lange Bank geschoben?
Wörner: Nein, wir wollen bei Flügen zum Mond voll einsteigen. Und die Grundlage wird in Sevilla gelegt. Das wird zwar noch nicht der ganze Umfang sein, aber auf jeden Fall mehr als eine Studie.
Kommentare
Wir müssen auf den Mond, unbedingt. Wir sollten uns von der Idee verabschieden, dass die Welt noch zu retten ist, wenn wir so weiter machen.Da ist der Mond für die Menschen auf unserer Welt eine willkommene Alternative.
Wir müssen zum Mond, ja. Aber aus anderen Gründen. Nicht weil die Erde untergeht. Der Mond ist eine Todeszone. Selbst auf einer verwüsteten Erde wird es einfacher sein zu überleben als auf unserem toten Trabanten.
Aber die Menschheit muss langfristig expandieren und Technologien entwickeln um auf weit entfernten Himmelskörpern zu überleben und Asteroiden abzulenken, wenn sie fortbestehen will.
Sind die Mondflüge denn auch Klimaneutral?
Wenn nicht, lassen wir es besser.
Sind sie natürlich nicht. Die Hauptriebwerke der Raketen verbrennen H2 und O2 zu Wasser aber die Feststoff-Booster für die ersten Minuten benutzen einen chemischen Brennstoff der alles andere als klimafreundlich ist.
Deshalb lieber 1 Billionen Euro fürs Klima.
Wer Raumfahrt will kann ja nach China
Ich wünsche der ESA und auch der NASA jede Unterstützung und Freiheit die sie nur kriegen können. Was die (vor allem auch in internationaler, völlig unpolitischer Zusammenarbeit schaffen ist unfassbar.
Jede Doku oder jedes Geo Sonderheft über neue Entdeckungen (Asteroiden, Mars, Schwarze Löcher, Exo-Planeten etc etc) leistet einen Beitrag zur Akzeptanz in der Bevölkerung.
Ok Boomer,
kein vernünftiger Umweltaktivist fordert die Rückkehr zum Steinzeitalter, auch wenn weniger Fleisch und die Bitte Strecken unter 5km nicht unbedingt mit dem Auto zu fahren für viele anscheinend dasselbe sind
Sie sind eingeladen gegenzurechnen, wieviel Erdöl die Feststoffbooster benötigen, was Ihr Lebenswandel im Jahr so freisetzt und welche Maßnahmen Sie treffen, um klimaneutral zu werden.
Die anderen Treibstoffteile der Ariane 6 lassen sich mit beliebigen Anteilen erneuerbarer Energie herstellen.
"aber die Feststoff-Booster für die ersten Minuten benutzen einen chemischen Brennstoff der alles andere als klimafreundlich ist"
Könnten Sie das weiter ausführen? Von Wikipedia:
"Der Treibstoff APCP besteht zu 14 % aus hydroxyl-terminiertem Polybutadien (HTPB), 18 % Aluminiumpulver und 68 % Ammoniumperchlorat."
Das ist natürlich nicht klimaneutral, aber da ist vergleichsweise wenig Kohlenstoff enthalten.
So ist es. Nur bitte nicht das schöne Geld in _bemannte_ Raumfahrt versenken.
Ich habe nicht gesagt dass da Kohlenstoff verbrannt wird. Aber denken Sie dass Aluminium, Ammonium, Chlor etc etwas in der Atmosphäre verloren hat?
Es wird ja Kohlenstoff verbrannt, nur vergleichsweise wenig.
Ich habe keine große Ahnung darüber, wie lang die anderen Verbrennungsprodukte in der Atmosphäre verbleiben bzw. welche Auswirkungen diese auf das Klima haben - daher meine Frage.
Im Jahr 2018 gab es weltweit 114 Raketenstarts. Beim Start zum Beispiel einer Sojus Rakete werden ca. 80 Tonnen "Abgas" gleich welcher Art erzeugt. Verdoppeln wir diesen Wert einfach mal für die Diskussion und multiplizieren ihn mit den 114 Start, dann kommen wir auf auf 18.240 Tonnen. Die "Harmony of the Seas" verbrennt pro Tag(sic!) ca. 150 Tonnen Schweröl. Das ganze mal 365 Tage ergibt "Abgas" in Höhe von 54.750 Tonnen pro Jahr. Nur allein die Harmony of the Seas trägt also mehr als drei mal so viel zur Belastung bei, als die weltweite Raumfahrt zusammen.
Nun muss Wörner "nur" noch die NASA von seinen Ansichten überzeugen - ein schwieriges Unterfangen.
Nur ein Beispiel:
Ich war letztes Jahr auf dem IAC in Bremen, wo auf eine Podiumsdiskussion eine Liveschalte mit Alex Gerst auf der ISS folgte.
Abgesehen davon, dass das eine sehr spannende Veranstaltung war, war vor allem folgender Vergleich brisant:
Während der Podiumsdiskussion sprudelte Jim Bridenstein (NASA-Administrator) vor Selbstbeweihräucherung und stellte wiederholt die besonderen Erfolge heraus, die in erster Linie durch die US-Technik ermöglicht wurden.
In der anschließenden Live-Schalte betonte Gerst hingegen, dass die ISS in ihrer jetzigen Form und die mittlerweile über 200 Forschungsprojekte ein Ergebnis jahrelanger internationaler Zusammenarbeit seinen und jeder einen entscheidenden Teil dazu beiträgt, dass dies auch in Zukunft so funktioniert.
Diese Mentalität, die wir in vielen politischen wie gesellschaftlichen Themen wiederfinden, haben wir auch hier wieder erlebt und die USA erfüllte erneut jegliches Klischee.
Langfristig werden hier eh politische Interessen nach oben verlagert.
Trumps Ankündigung einer Space-force liest sich hier wie ein Witz, in Zukunft wird daraus jedoch tödlicher Ernst.
Seltsam, dass sich seit Jahrzehnten keiner mehr an Mondflüge wagt. Eigentlich hätte man das seit damals wirklich groß aufziehen können.
Es kann halt bis heute niemand so richtig beantworten, was man da oben eigentlich soll...