Übelkeit, Kreislaufprobleme, plötzlich auftretende Schmerzen in der linken Körperhälfte: Meinem Freund Chris ging es von Tag zu Tag schlechter. Die Symptome waren physischer Natur. Es dauerte Jahre, bis seine Ärzte herausfanden, dass die Ursache in der Psyche lag. Christ litt unter dem Nocebo-Effekt.
Die Symptome wurden mit der Zeit schlimmer. Chris sehnte sich nach einer konkreten Diagnose – selbst wenn es Krebs gewesen wäre. Dann hätten die Menschen in seiner Umgebung zumindest mehr Verständnis für ihn aufgebracht. Dann wäre Schluss gewesen mit dem unausgesprochenen Verdacht, er wäre ein Spinner.
Die Ungewissheit, an welcher Krankheit er leidet, machte Chris noch mehr zu schaffen als die Symptome selbst. Fest stand nur, dass sie real und messbar sind: durch das Elektrodiagramm (EKG), Sonografie und eine Magnetresonanztomographie (Kernspin).
Chris war bei vielen Ärzten. Eine Psychologin erkannte schließlich den Nocebo-Effekt und half Chris, ihn zu überwinden. Zu den Ursachen seines Leidens gehörte permanenter Stress, vor allem durch das Arbeitsklima in seinem Büro. Solche äußeren Faktoren riefen gesundheitliche Ängste bei Ihm hervor, die sein Immunsystem beeinflussten. Tabletten, die er auf Anweisung von Ärzten einnahm, lösten bei ihm Nebenwirkungen jeglicher Art aus, weil er davon auf den Beipackzetteln gelesen hatte.
Placebo-Nocebo-Forscher wie Fabrizio Benedetti von der Universität Turin untersuchen, welche Hirnregionen in solchen Fällen aktiv werden. Ein Botenstoff wird im Gehirn verarbeitet, der die Angst vor Schmerz in reale körperliche Leiden umsetzen kann.
Wenn Mediziner ihre Patienten durch falsch gewählte Worte verunsichern, kann dies bei entsprechend veranlagten Menschen den Nocebo-Effekt hervorrufen. Deutsche Ärzte widmen sich einem Patienten im Durchschnitt sieben Minuten.
Chris weiß mittlerweile, was er gegen den Nocebo-Effekt tun kann. Das Lesen von Beipackzetteln lässt er heute ganz bewusst sein.
Kommentare
Also eigentlich
müsste ich ihn als Spinner, Scharlatan oder sonstetwas abtun, so wie es allen ergeht, die meinen, sie würden mit Homöopathe geheilt und das hier outen. Aber Sinne meines eigenen Vorteils lasse ich das hier mal schön bleiben :-)
c.
und wo ist jetzt der clou?
placebo-nocebo sind spätestens seit dem 1.weltkrieg offiziell. gerade englische militärs nutzten den effekt bei verletzungen. und natuerlich liegt die ursache in der psyche, wie bei den meisten krankheiten.
nocebos sind das kleine schreckgespenst der pharmaindustrie
?????
"und natuerlich liegt die ursache in der psyche, wie bei den meisten krankheiten."
Können Sie das belegen?
Gegen diese Krankheit bin ich zum Glück Immun
denn ich kriege Kopfschmerzen, wenn ich versuche das Medizinergestelze auf diesen Beipackzetteln zu lesen und zu verstehen.
Verständlich sind diese Dinger jedenfalls nicht.
Leider...
...wie immer viel zu kurz. Wenn einem Leser schon Platz geboten wird, warum dann nicht ein wenig mehr? Dieser Artikel wirkt wie eine kurz gehackte, hastig verfasste Mail. Ich finde die Leser-Artikel toll und schätze es an dieser Zeitung sehr, dass sie eine solche Rubrik eröffnet hat. Aber die Artikel wirken halt immer wie: "naja ein wenig Platz ja, aber bitte nicht zu viel." Traut euch!
Off Topic - aber wichtig!
Absolute Zustimmung!
Ich habe selber schon einige Leserartikel verfasst (einige wurden sogar tatsächlich veröffentlicht) - und bin begeistert davon, daß die ZEIT ihren Lesern einen so prominenten Platz einräumt. Weniger begeistert bin ich von der Praxis, die eingereichten Artikel bis zur Unkenntlichkeit zu redigieren. Inhaltliche Korrekturen sehe ich ein, wo sie einen begründbaren Hintergrund haben. Aber wem bringt es etwas, die Artikel auf Krampf zu komprimieren, bis sie ihren ursprünglichen Schliff und ihren Charakter verloren haben, bis sie nur noch bloße Informationsüberträger sind?
Meine Theorie dazu: Möglicherweise gibt es unter den ZEIT-Lesern solche, die in der Lage sind, den "richtigen", d. h. bezahlten ZEIT-Autoren das Wasser zu reichen. Da könnte natürlich die Schaffung eines gewissen qualitativen Abstands sinnvoll sein.
Liebe ZEIT, bitte löschen Sie dieses Posting nicht. Wie gesagt: Ich halte Ihre Idee, Leserartikel zu veröffentlichen für großartig. Meine Kritik gilt lediglich der Redigierungspraxis. Ein Statement hierzu wäre sinnvoll und würde sicherlich vielen Leserartikel-Schreibern gefallen.