Nach nur drei Wochen war das unerwünschte Chromosom still. Zusammengepresst und dicht verpackt in einer Stammzelle schlummerte Nummer 21 handlungsunfähig in der Petrischale. Die Entwicklungsbiologin Jeanne B. Lawrence und ihre Kollegen von der Uni von Massachusetts hatten es ausgeschaltet.
Menschen mit Downsyndrom haben von dieser Nummer 21, dem kleinsten Chromosom des Erbguts, eine Kopie zu viel in jeder Zelle: drei statt zwei. So auch der Mann, aus dessen Zellen die Forscher die Stammzellen für ihren Versuch züchteten. Neben Äußerlichkeiten wie den oft mandelfömigen Augen und der Stupsnase verursacht so eine Trisomie 21 eine langsamere körperliche und geistige Entwicklung. Die Betroffenen leiden häufiger an angeborenen Herzfehlern, Magen- und Darmstörungen und erkranken oft an einer frühen Form der Alzheimer-Demenz. Zumindest in der Zellkultur setzten die Wissenschaftler aus den USA nun die dafür verantwortliche dritte Kopie des Chromosoms 21 außer Gefecht.
"Wir hoffen, dass unser Grundlagennachweis spannende Wege weist, das Downsyndrom neu zu untersuchen", sagt die Hauptautorin Lawrence, deren Studie nun im Magazin Nature erschienen ist. "In den vergangenen zehn Jahren hat es große Fortschritte gegeben im Bemühen, Defekte, die auf einzelnen Genen basieren, zu korrigieren", sagt Lawrence. Die Idee, irgendwann einmal Veranlagungen behandeln zu können, die mehrere Hundert Gene auf einem ganzen Chromosom betreffen, sei nun zumindest vorstellbar.
Die Professorin für Zell- und Entwicklungsbiologie verweist auf Erfolge in der riskanten Gentherapie. Hierbei experimentieren Forscher damit, genetische Informationen in die Zellen von Menschen zu schleusen, um fehlerhafte Vorgänge im Erbgut zu beheben. Bei einzelnen Menschen mit seltenen angeborenen Erkrankungen wie der Immunschwäche ADA-SCID oder dem Nervenleiden Adrenoleukodystrophie (ALD) konnte der Verlauf gestoppt werden. Doch es gibt auch viele Rückschläge: Patienten, deren Immunsystem etwa nach dem Eingriff in die Kerne ihrer Zellen überreagierte und sie tötete.
Bernhard Horsthemke dämpft daher allzu hohe Erwartungen an die neuen Studienergebnisse. Der Leiter der Humangenetik am Uni-Klinikum in Essen sagt: "In absehbarer Zeit oder gar in den kommenden zehn Jahren sehe ich keine Chance auf einen therapeutischen Nutzen." Es gehe hier schließlich um den ersten Nachweis, dass sich ein gesamtes Chromosom in menschlichen Zellen abschalten ließe. Ob dabei wirklich alle für das Downsyndrom relevanten Gene ruhen, wie stabil diese Stilllegung sei und welche Folgen sie noch haben könnte, müsse sich erst zeigen.
"Dass bei einigen natürlicherweise vorkommenden Umbauten von Chromosomen einzelne Gene inaktiviert werden können, ist lange bekannt", sagt Horsthemke. "Da schwappen die Effekte eines Gens über, das normalerweise überschüssige X-Chromosomen abstellt." Genau dieses X-Inaktivierungsgen, kurz XIST, nutzten die Wissenschaftler um Jeanne Lawrence.
XIST hat im menschlichen Erbgut eine entscheidende Funktion. Es regelt die Betriebsamkeit der Gene in den Geschlechtschromosomen von Frauen. Sie besitzen zwei X-Chromosomen, von denen eines in der frühen Entwicklung ruhiggestellt wird. Dies ist nötig, da im Laufe der Evolution das X-Chromosom doppelte Aufgaben übernahm, nachdem sich bei Männern das Y-Chromosom für das Geschlecht ausprägte.
Kommentare
Bitte verzichten Sie auf die Verbreitung kruder Theorien. Danke, die Redaktion/fk.
Haben Sie...
... hierfür auch Belege?
Ein Segen...
wäre es. Eine quälende Krankheit weniger.
Nun ja den Kranken gehts eigentlich recht gut.
Der Rest hat vlt ein Problem.
Drum ist immer die Frage für wenn ist das Leben in diesem Fall unwert. ^^
Mensch bleibt Mensch
"Viele Familien dürften der berechtigten Ansicht sein, dass das Downsyndrom gar keiner Heilung bedarf."
Heilung:
Er wäre auch immer noch ein Mensch und körperlich gesund.
Was und wie wir sind steht AUCH in den Genen aber nicht nur.
Man kann aus jedem Menschen einen Heiligen oder einen Massenmörder machen.
Erziehung macht alles aus. Wir sind so aufgebaut, dass wir dauerhaft von äußeren Reizen abhängig sind, unserer Umgebung.
Man verliert dadurch keinen geliebten Menschen.
Darstellung im Artikel
Leider ist die Darstellung hier recht effektheischerisch - mit der Feststellung "Downsyndrom lässt sich im Labor ausknipsen" als Überschrift, die falsch ist. Es kann wie - dann später im Artikel zu lesen ist - ein Chromosom deaktiviert werden; bisher kann dadurch aber kein Krankheitsbild (Downsyndrom) verändert werden, dies ist noch ferne Zukunftsmusik. "Trisomie 21 lässt sich in Zellkulturen verhindern" - dies wäre eine Überschrift, die (m.E.) der "Zeit" angemessen wäre.
Sehr bedenklich
Leider ist Herr Stockrahm mal wieder uebers Ziel hinaus gehopst. Downsyndrom laesst sich natuerlich nicht so schnell ausknipsen. Was die Arbeit zeigt sind vielversprechende Ansaetze in Zellkultur. Ob das in-vivo und sogar beim Menschen gelingt ist in weiter Ferne. Von daher ist die Ueberschrift als reisserisch darzustellen nicht uebertrieben. Die Zeit hat besseren Journalismus verdient. Die Mehrzahl der Kommentare zeigt auch, dass die Leser solch eine Therapie schon als real machbar empfinden, was der journalistischen Qualitaet des Artikels zuzuschreiben ist.